Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 04. Feb 2016 · Film

Aktuell in den Filmclubs (5.2. - 11.2. 2016)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche das packende Drama „Freistatt“, in dem Marc Brummund vom brutalen Zwangssystem im titelgebenden deutschen Erziehungsheim erzählt. Im Kunsthaus Bregenz wird Alain Resnais´ berühmter Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ gezeigt, in dem der Franzose schon 1955 erschütternd Einblick in den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden bot .

Freistatt: Wie Christian Froschs „Von jetzt an kein Zurück“ zerrt auch „Freistatt“ ein dunkles Kapitel deutscher Erziehungsgeschichte ans Licht. Im Gegensatz zu Frosch konzentriert sich Marc Brummund in seinem ebenfalls in den späten 1960er Jahren spielenden Film ganz auf die Heimzeit seines 14-jährigen Protagonisten (stark: Louis Hofmann). An einem Einzelfall deckt er so auf, was vielen Jugendlichen damals widerfuhr und bis heute in ihnen nachwirkt. Denn bis zu 800.000 Kinder und Teenager wurden zwischen 1949 und 1975 in Deutschland unter teils fadenscheinigen Gründen in etwa 3000 staatlichen und kirchlichen Heimen weggesperrt.
Wenn der Vorspann zu Ende ist, wird Wolfgang schon wegen seines aufmüpfigen Verhaltens gegenüber seinem Stiefvater in die berüchtigte evangelische Erziehungsanstalt Freistatt eingeliefert. Ziel ist dort aber nicht, die Zöglinge zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen zu erziehen, sondern vielmehr ihren Willen zu brechen.
In prägnanten, aber teilweise auch drastischen und schwer zu ertragenden Szenen bietet der an Originalschauplätzen gedrehte Film Einblick in das sadistische System, in dem unübersehbar nationalsozialistische Methoden weiterlebten. Hautnah lässt Brummund den Zuschauer den leidvollen Heimalltag nacherleben, indem er konsequent aus der Perspektive Wolfgangs erzählt. Kein nüchterner Problemfilm ist so entstanden, sondern emotional packendes, handfestes Kino, das sich in Handlungsaufbau und Figurenzeichnung zwar sichtlich am US-Gefängnisfilm orientiert, aber den realen Hintergrund nie vergessen lässt und eindringlich zeigt, wie erfahrene Gewalt gewalttätig macht.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 10.2., 18 Uhr + Do 11.2., 19.30 Uhr
Im Anschluss an die Vorführung jeweils Diskussion mit einem Experten: am Mittwoch mit dem Historiker Johannes Spies, am Donnerstag mit dem Historiker Wolfgang Weber

Nacht und Nebel: Alain Resnais´ Dokumentarfilm ist zwar nur 32 Minuten lang, gehört aber dennoch zu den zentralen Filmen über den Holocaust. Wie auch in seinen späteren Spielfilmen wie "Hiroshima, mon amour" oder "Muriel oder die Zeit der Wiederkehr" reflektiert Alain Resnais schon in diesem mittellangen Dokumentarfilm über die Zeit, über Erinnerung und Vergessen.
Meisterhaft verknüpft Resnais farbige Aufnahmen von den Wiesen um das Lager und dem Gras, das zwischen den Schienen wächst, vom verrosteten Stacheldraht, den Toiletten und den Schlafsälen mit dem erschütternden Archivmaterial über die Deportation in Zügen bis zum Lagerleben, der brutalen Hierarchie und der Verwertung jeglicher Überreste von Schmuck über Haare bis zu den Körpern und zur Haut.
Er inszeniert nicht die Vergangenheit nach, versucht nicht das nicht darstellbare Grauen nachzustellen, sondern weiß um die Wirkung des Originalmaterials und schont den Zuschauer dabei nicht, zeigt zu Skeletten ausgehungerte Menschen, Leichenberge, abgetrennte Köpfe und die daneben liegenden Körper.
Gesteigert wird die Wirkung sowohl durch den emotionslosen Vortrag des nüchternen Kommentars des Schriftstellers und ehemaligen Lagerinsassen Jean Cayrol in der französischen bzw. des Lyrikers Paul Celan in der deutschen Fassung, der messerscharfe Einblick in die Tötungsmaschinerie bietet, als auch durch die punktgenau eingesetzte Musik von Hanns Eisler.
Kunsthaus Bregenz: Do 11.2., 19 Uhr