Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Walter Gasperi · 20. Sep 2018 · Film

Aktuell in den Filmclubs (21.9. - 27.9. 2018)

Am Spielboden Dornbirn steht diese Woche Lynne Ramsays ebenso furioser wie verstörender Thriller „You Were Never Really Here – A Beautiful Day“ auf dem Programm. Filmforum Bregenz und Takino Schaan zeigen die Ian McEwan-Verfilmung „The Children Act – Kindeswohl“.

You Were Never Really Here – A Beautiful Day: Ein schwer traumatisierter Ex-Soldat (Joaquin Phoenix) übernimmt in amerikanischen Großstädten Aufträge, bei denen er Mädchen befreit, die in Bordelle verschleppt wurden.
Mehr als von der Geschichte lebt Lynne Ramsays vierter Spielfilm von seiner filmischen Inszenierung. Mit einer verknappten, fragmentarischen Erzählweise, ungewöhnlichen Einstellungen, einem fulminanten Spiel mit Licht und Farben in den nächtlichen Stadtszenen und Spiegelungen in den verregneten Autoscheiben, aber auch einer genialen Tonspur, bei der die Musik von Radiohead-Gitarrist Johnny Greenwood immer wieder von Dialogen überlagert wird, erzeugt die Schottin nicht nur eine alptraumhafte Atmosphäre und vibrierende Spannung, sondern auch eine nachhaltig irritierende und verstörende Wirkung.
Nahe liegt der Vergleich mit Scorseses Klassiker „Taxi Driver“ doch Ramsay geht noch einen Schritt weiter, indem sie die Gewalt immer wieder mit sanften Popsongs wie "The Air That I Breathe" konterkariert. Um Realismus geht es in diesem Thriller so wenig wie um Sozialkritik, denn die Amoralität der feinen Gesellschaft dient in erster Linie als Movens für die Handlung, der Fokus liegt klar auf dem Psychogramm dieses eigenbrötlerischen, soziopathischen Rächers und dem souveränen Spiel mit Mustern des Genrekinos.
Famos und mit großem Körpereinsatz spielt Joaquin Phoenix diesen Joe als Verlorenen, für den es keine Zukunft geben kann. – Ganz unbeschadet wird aber auch der Zuschauer diese filmisch virtuose und schonungslose Reise in die Abgründe der menschlichen Seele nicht überstehen: Alpträume könnten sich da durchaus einstellen.
Spielboden Dornbirn: Fr 21.9. + Sa 29.9. – jeweils 19.30 Uhr

The Children Act - Kindeswohl:
Ein an Leukämie erkrankter 17-Jähriger benötigt dringend eine Bluttransfusion, doch er selbst und auch seine Eltern lehnen dies als gläubige Zeugen Jehovas ab, sodass eine Familienrichterin entscheiden muss.
In dieser Ian McEwan-Verfilmung treffen nicht nur religiöse Vorschriften auf aufgeklärte Gerichtsbarkeit, sondern auch Respekt vor der Entscheidung des Individuums und die Würde des Menschen auf das Wohl des Kindes. Um sich selbst ein Bild vom kranken Teenager zu machen sucht die Richterin ihn vor der Urteilsverkündung im Krankenhaus auf und führt ein Gespräch mit dem geistreichen jungen Mann, das sie tief berührt und sie auch mit der eigenen Kinderlosigkeit konfrontiert.
Routiniert ist das zweifellos inszeniert, ein Rädchen greift ins andere und dynamisch wird die Handlung vorangetrieben. Eigene Akzente vermag Richard Eyre («Iris», «Die Geschichte eines Skandals») aber kaum zu setzen, sondern begnügt sich mit der Bebilderung des von McEwan selbst geschriebenen Drehbuchs. Getragen werden muss „Kindeswohl – The Children Act“ somit von den Schauspielern und hier kann der 75-jährige Brite auf das Trio Emma Thompson, Stanley Tucci und Fionn Whitehead vertrauen.
Bewegend vermittelt Fionn Whitehead („Dunkirk“) die Zerrissenheit Adams zwischen der Überzeugung die Transfusion ablehnen zu müssen und dem leidenschaftlichen Wunsch zu leben. Wunderbar zurückhaltend und nachvollziehbar spielt auch Stanley Tucci Fionas Ehemann, der seine Frau spürbar liebt, aber ihre Kälte und Abschottung nicht mehr aushält, sie dennoch zurückzugewinnen versucht, als sie ihn nach einer Affäre scheinbar ungerührt aus der Wohnung wirft.
Aber das Zentrum dieses Dramas ist Emma Thompson als kühle Richterin, die keine Emotionen an sich lässt, bis die Ehekrise und das Schicksal Adams sie doch erschüttern und sie wieder langsam lernt Gefühle zuzulassen. Wie hier sukzessive dieser Panzer zerbröckelt, sie immer wieder fahrig im Büro agiert und in der Begegnung mit dem Teenager in Gestik und Mimik Sehnsüchte und verpasste Chancen spürbar werden, ohne dass sie wirklich angesprochen werden, ist große Schauspielkunst.
Takino Schaan: Fr 21.9., 18.15 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Fr 21.9 + Sa 22.9. – jeweils 22 Uhr