Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 19. Okt 2016 · CD-Tipp

M.I.A.: AIM

Steckt echtes politisches Engagement dahinter, oder ist es Teil ihrer ausgeklügelten medienwirksamen Selbstinszenierungsshow, wenn sich Mathangi „Maya“ Arulpragasam, die unter dem Kürzel M.I.A. auf den hippen Ethno-Dancefloors dieser Welt Kultstatus genießt, wütend und anklagend mit Flüchtlingsschicksalen, Islamfeindlichkeit, menschenverachtenden Grenzziehungen und globalem Überwachungsstaat auseinandersetzt?

Schwer zu sagen, zumal die 41-jährige Londonerin mit Wurzeln in Sri Lanka bislang schon Elemente ihrer Familienbiographie ziemlich unverfroren frei erfunden hat, wenn es zu ihren Songs oder ihren oftmals mit großem Konfliktpotential aufgefetteten Videos gerade passte. Aber ist es andrerseits nicht auf jeden Fall schon positiv zu sehen, wenn jemand solche ernsten Themen in eine bestenfalls unglaublich mitreißende, schlimmstenfalls nervtötende Melange aus Hip-Hop, Ethnosounds, Dub, Elektronikloops, Soundsamples und Dancehall-Elementen kleidet und auf die Tanzböden schickt? Auch das fünfte Album der 41-jährigen Sängerin und Produzentin löst diese Kontroverse über ihre radikal zur Schau getragene kämpferische Haltung nicht auf, sondern feuert sie eher an. „AIM“ ist musikalisch gesehen weniger experimentell als die Vorgängeralben, lässt dafür die im wortspielreichen Sprechgesang gehaltenen Botschaften unmissverständlich und mit wummerndem Bass und knallenden Rhythmen auf den Bauch zielend aus den Boxen knallen. Die mit einschlägigen Größen wie Skillex oder Diplo produzierten Songs gehen nicht nur in die Ohren, sondern auch in die Beine. Furiose Songs wie „Borders“, „Ali RU Ok“ oder „Visa“ lassen an Intensität keine Wünsche offen, und obwohl M.I.A. bereits im Vorfeld der Veröffentlichung ankündigte, „AIM“ sei ihr letztes Album, fällt auf, dass der Abschiedssong „Finally“ nicht am Ende, sondern im Mittelfeld der Songliste steht. Ein bisschen was gibt’s halt immer noch zu sagen, wenn man sich als genialer Störenfried und Sprachrohr der Unterdrückten versteht, und ihren Kritikern zeigt M.I.A. ohnehin die kalte Schulter: „I’m someone’s shot of whiskey, not everyone’s tea.“

(Interscope Records/Universal)