Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 25. Okt 2014 · Ausstellung

„Blow-Up“: Die Kult-Fotos aus Antonionis Filmklassiker im Fotomuseum Winterthur

Der vom italienischen Meisterregisseur Michelangelo Antonioni 1966 ins Kino gebrachte Filmklassiker „Blow-Up“ nimmt nicht nur in der Film-, sondern auch in der Fotogeschichte eine besondere Stellung ein. In diesem ersten englischsprachigen und kommerziell erfolgreichsten Film Antonionis geht es um einen Fotografen, der glaubt, einen Mord fotografisch dokumentiert zu haben. Das Fotomuseum Winterthur zeigt aktuell Aufnahmen rund um dieses grandiose Opus, die ein Spektrum aufzeichnen, das von der Modefotografie über die Sozialreportage und Pop-Art bis hin zur abstrakten Fotografie reicht. In der Verbindung von Film, Fotografie und Film-Stills zeichnet die Ausstellung ein fantastisches visuelles Spannungsfeld.

Antonionis berühmtestes Werk zeigt auf, wie eng die Verflechtungen von Film und Fotografie sein können. Der Fotograf Thomas (David Hemmings) meint auf Vergrösserungen seiner Aufnahmen – sogenannten «Blow-ups» – Hinweise auf einen Mord zu erkennen. Augenzeuge war er nicht, rein zufällig hat er mit der Kamera ein vermeintliches Rendezvous fotografiert. Mit extremer Vergrösserung der Bilder verlieren sich die Konturen des Verbrechens, statt Klarheit entsteht eine grobkörnige Rätselhaftigkeit. «Looks like one of these paintings», sagt darauf die Freundin eines benachbarten Malers. Einer der Hinweise auf Antonionis Nähe auch zur Malerei. Der Kurator der Ausstellung, Walter Moser, sieht in Antonionis Werk denn auch heute noch eine wichtige Inspirationsquelle für Künstler. «Es gibt immer wieder zeitgenössische Maler und Fotografinnen, die sich auf «Blow-Up» beziehen, wie beispielsweise Gabor Ösz oder Alicja Kwade, die 40 Jahre später den Tatort im Londoner Maryon Park fotografierte.»

Der voyeuristische Blick

Die Ausstellung im Fotomuseum, die zusammen mit der Albertina Wien und C/O Berlin konzipiert wurde, zeigt die in „Blow-Up“ angerissenen fotografischen Aspekte in fünf grossen Kapiteln. Sie reichen vom „Voyeurismus“ über die „Modefotografie“, „Sozialreportage“ und „Swinging London“ bis hin zu den eigentlichen Parkaufnahmen, den „Blow-Ups“.

Eine zentrale Perspektive, die sich Film und Fotografie in «Blow-Up» teilen, ist die des voyeuristischen Blicks. Der Film reiht sich damit ein zu Streifen wie «La Dolce Vita» «Sex, Lies, and Videotape» oder «Peeping Tom». Antonioni weist seinen Protagonisten Thomas in der berühmten Parkszene des Films als Paparazzo und Voyeur aus, der heimlich Menschen fotografiert. Versteckt hinter Büschen, Bäumen und einem Zaun beobachtet er ein Liebespaar. Seine Kamera lenkt dabei den Blick wie durch ein Schlüsselloch. Die Ästhetik von Thomas‘ Aufnahmen entspricht ihrer spontanen Aufnahmesituation.

Der Hauptdarsteller des Films ist auch ein Sozialreportage-Fotograf, der für ein Buchprojekt in einer Londoner Notschlafstelle heimlich Obdachlose aufnimmt. Im Film zeigt Thomas dem Verleger Ron einen Dummy seines Bandes. Die darin abgebildeten Porträts stammen in Wirklichkeit von Don McCullin. Es sind Aufnahmen, die McCullin anfangs der 1960er im Londoner East End Quartier gemacht hat, das damals durch Armut, schlechte Wohnbedingungen und Rassenunruhen geprägt war.  Diese Fotos sind in Winterthur erstmals im Original ausgestellt.

Ein Zeitschnitt Londons der 1960er

Im Film „Blow-Up“ spiegelt sich generell auch ein akribisch recherchierte Zivilisationsbild der «Swinging Sixties» in London. Das Drama ist ein verschlungenes kulturelles Wurzelwerk, in dem die damaligen Szenefiguren der  britischen Hauptstadt genauso gezeigt werden, wie die Politisierung der Jugendkultur, die nicht zuletzt durch die Beatles ausgelöst wurde. London war auch das Zentrum der Modefotografie, repräsentiert durch die „Black Trinity“ David Bailey, Terence Donovan und Brian Duffy. Bailey diente Antonioni auch als Vorbild für seinen Protagonisten und dessen dynamische Körpersprache bei den Modeshootings. Antonioni verschickte im Zuge der Filmvorbereitungen auch Fragebögen an Modefotografen und besuchte sie in deren Studios. Einige lud er ein, aktiv beim Film mitzutun.

Vom Film und desen Bilder ausgehend, die vielfach geheimnisvoll und mehrdeutig anmuten, zeichnet die Ausstellung „Blow-Up“, die zuerst in der Albertina zu sehen war und nach Winterthur in die deutsche Hauptstadt weiterreist, ein imponierendes visuelles Bild der Hauptstadt der Pop- und Jugendkultur der Roaring Sixties dramaturgisch schlüssig nach.

Blow-Up
Antonionis Filmklassiker und die Fotografie

Fotomuseum Winterthur
Bis 30.11.2014
Di-So 11-18, Mi 11-20
www.fotomuseum.ch