Sound@V und Kadavar beim Poolbar Festival
Reichhaltige Vorarlberger Popmusik-Szene und eine „Wall of Sound“ aus Berlin
Darius Grimmel ·
Jul 2025 · Musik
Die Awardshow des ORF Vorarlberg geht in die sechste Runde und die Gewinner wurden auch heuer wieder beim Finale auf der Open-Air-Bühne des Poolbar Festivals geehrt, während die Rockband Kadavar danach das Alte Hallenbad zum Kochen brachte.
Bereits zum sechsten Mal fand das Finale des Sound@V Awards beim Poolbar Festival statt. Von der hohen musikalischen Qualität konnte auch nicht ablenken, dass der phonetische Klang dieser Zahl den beiden Moderator:innen zu allerlei schlüpfrigen bis gekünstelten Wortwitzen untersten Niveaus Anlass gab. Cringe.
Kategorie Rock/Pop: Ausflug mit Franziska
Zwischen der Vorstellung der Nominierten und der Bekanntgabe der Gewinner:innen durften verschiedene Künstler:innen ihre Songs dem gut gelaunten Publikum auf der großen Open-Air-Bühne live präsentieren. Den Anfang machte hier der Lustenauer „Jussel“ und zeigte sich als charismatischer Frontmann, Sänger und Keyboarder seiner Bluesrock-Band, die klanglich sehr gut aufeinander abgestimmt ist und mit starker Bühnenpräsenz und astreinen Arrangements punkten kann. Wieso die Auszeichnung in der Kategorie Rock/Pop nicht an „Jussel“, sondern an die erst im Herbst 2024 gegründete Indie-Gruppe „Ausflug mit Franziska“ ging, wird klar, wenn man sich die bei der Bewerbung eingereichten Aufnahmen beider Bands anhört. Zum einen wäre die schwungvolle Shuffle-Nummer „Troubled Water“, die live beim Publikum sofort Begeisterung auslöste, vermutlich die bessere Wahl gewesen als „Man on the Moon“, eine Soulballade, die mit ihren über sieben Minuten Spielzeit den Bogen doch etwas überspannt. Zum anderen kommen sowohl der fein ausgearbeitete Bandsound als auch die Energie der Band in den Aufnahmen nicht so stark rüber wie live. „Jussel“ scheint also eine der Gruppen zu sein, von denen man sich ein Live-Konzert auf keinen Fall entgehen lassen darf, da sie erst dort zur vollen Größe aufspielen.
Ob dies auch bei „Ausflug mit Franziska“ der Fall ist, davon kann man sich am 11. Juli überzeugen, wenn die Band als Late-Night-Act im Pool spielt. Die eingereichte Single „Du hast dein Leben nur verträumt“ lässt jedenfalls vermuten, dass die Beteiligten schon einiges an Erfahrung auf den Gebieten Songwriting und Recording haben. Die Nummer ist sehr professionell ausgearbeitet, die Instrumente haben alle ihren Platz im Mix und lassen doch der Stimme und auch dem Text viel Raum. Und auch wenn die Einflüsse von Bands wie „Arctic Monkeys“ oder „Kraftklub“ sehr deutlich hörbar sind, fügt sich alles so stimmig zusammen, dass man der vierköpfigen Band zum wohlverdienten Preis gratulieren kann.
Kategorie Alternative/Singer-Songwriter: DuoLia
Die nächsten Preisträger:innen in der Kategorie „Alternative/Singer-Songwriter“ durften kurz vor der Bekanntgabe bereits live aufspielen. Die beiden Künstlerinnen aus Egg heißen zusammen „DuoLia.“. Zwei Stimmen, eine Gitarre, eine Geige und etwas Percussion via Stompbox: Mehr braucht es nicht für die feinfühlige Mischung aus Pop, Folk und Indie. Ganz besonders zeichnet sich ihre Musik durch die weiche, verträumte Akkordsprache und den anspruchsvoll arrangierten und gefühlvoll performten zweistimmigen Gesang aus. Diese intimen Klänge werden durch die Beigabe von Drumset und Bass in den Aufnahmen allerdings fast ein Stück weit entzaubert. Auch hier darf man sich wohl auf ein ganz besonderes Konzert freuen, wenn „DuoLia.“ am 23. Juli als Support von Mira Lu Kovacs im Pool spielen. Man darf hoffen, dass die Combo, vom Erfolg dieser Auszeichnung getragen, noch viele Jahre lang die Vorarlberger Musikszene bereichern und dabei mit einem gesunden Mut zum Minimalismus immer ihre Unverwechselbarkeit beibehalten wird.
Kategorie Open Pool: Sonj Marina
Mit „Let it Rain“ von der Solokünstlerin „Sonj Marina“ gewinnt in der Kategorie „Open Pool“ ein ruhiger, angenehmer Song, der aber keineswegs nur vor sich hinplätschert, sondern durchaus eine Entwicklung zeigt und Hörer:innen belohnt, die nicht nach 30 Sekunden abgedreht haben (hierzu noch später mehr bei „Kadavar“). Worin genau sich diese Kategorie allerdings von „Alternative/Singer-Songwriter“ unterscheidet, wird auch durch die schwammigen Erklärungsversuche der Moderation nicht ganz klar. Zumindest „Sun“ (klassischer FM4-Sound von „Tape Moon“, „Alternative/Singer-Songwriter“) und „Let it Rain“ hätten auch genauso gut in der jeweils anderen Kategorie an den Start gehen können.
Nominiert waren im „Open Pool“ auch die größeren Besetzungen „Lari + the Wolves“ und „Puma Orchestra“. Letztere räumten mit ihrer Nummer „Guter Tag“ auch dieses Jahr wieder den Publikumspreis ab, während Larissa Schwärzler bei der Liveperformance zwar stimmlich auf ganzer Linie überzeugte, aber ihre „Wölfe“ „Jussel“ (nominiert in „Rock/Pop) in puncto Arrangement und treffsicherem Zusammenspiel nicht ganz das Wasser reichen konnten. Auch hier nebenbei bemerkt wieder zwei stilistisch ziemlich ähnliche Acts, die aber in zwei unterschiedlichen Kategorien geführt wurden.
Kategorie Newcomer: Felo
Einen ähnlichen Weg wie die beiden genannten könnte in Zukunft auch „Jenna Vyne“ einschlagen, die mit ihrer Band zwei Nummern spielte und im Publikum sehr beliebt zu sein schien. Ihr Auftritt wurde lediglich durch den unnötigen Einsatz von zusätzlichen Gesangsspuren auf Backingtracks getrübt. Diese Entscheidung verwunderte zudem, da die Band ansonsten alles live spielte. Außerdem stimmten die Lautstärkenverhältnisse der live zu hörenden Elementen und den zugespielten Background-Voices nicht immer genau und dadurch schadete die Verwendung des Backingtracks dem Gesamteindruck eher, als ihn zu bereichern.
Ebenso wie „Jenna Vyne“ als „Newcomer“ nominiert war der 18-jährige Rapper „Felo“, der seine noch im Kinderzimmer selbst produzierten Songs zum Besten geben durfte. Dass in diesem Genre oft nur der Laptop statt einer Band auf der Bühne steht, ist ja nichts Neues. Wenn aber der Backingtrack vom Laptop inklusive Zusatzvocals so stark im Vordergrund ist, dass man wirklich auf Details achten muss, um sicher zu sein, dass „Felo“ nicht nur Lip-Syncing betreibt, wenn das Ende der Songs daraus besteht, dass der Rapper zu seinem DJ rübergeht, damit der Backingtrack nun gestoppt werden kann, dann wird schon klar, dass der sympathische und sehr junge Rapper noch viel Luft nach oben hat, sein Potenzial auszuschöpfen. Dass er bei der Performance direkt nach der Bekanntgabe seines Gewinns der „Newcomer“ Kategorie scheinbar ab und zu den Text seines zweiten Songs vergisst, darf ihm aber natürlich nicht angelastet werden. Bestimmt motiviert ihn diese Auszeichnung (bereits ein Jahr nach Beginn seiner musikalischen Karriere) sich weiter intensiv mit Musik zu beschäftigen und öffnet ihm Türen, sich mit anderen Künstler:innen auszutauschen, weiterzulernen und seinen Weg zu gehen.
Lebenswerk von Raimund „Tschakko“ Jäger wird gewürdigt
Dass der Sound@V Award eine große Motivation und gleichzeitig ein Sprungbrett für junge Vorarlberger Künstler:innen ist, wurde auch dieses Jahr deutlich. Aber in der Zusatzkategorie „Lebenswerk“ werden auch Künstler:innen geehrt, die in besonderer Weise die Vorarlberger Musiklandschaft geprägt haben. In diesem Jahr wurde diese Auszeichnung posthum an Raimund „Tschakko“ Jäger vergeben, dessen Schwester Maria Jäger (häufig als „Fräulein Jäger“ mit ihrem Bruder aufgetreten) den Preis stellvertretend entgegen nahm. In einem stimmungsvollen Einspieler teilten „Tschakkos“ Familie und Wegbegleiter Erinnerungen an den Ausnahmekünstler. Zuletzt sang Maria Jäger noch ein freches Liedchen, das Raimund ihr zum 30. Geburtstag geschrieben hatte, und rundete die Veranstaltung so mit guter Stimmung aber doch auf rührende Weise ab.
Kadavar: Wall of Sound aus Berlin
Nach der langen, aber kurzweiligen Show zog es eine beträchtliche Menge der Gäste in die Halle der Poolbar, um zu später Stunde noch den Klangwänden der Berliner Rockband „Kadavar“ zu lauschen. Wobei sich diese Bezeichnung natürlich als äußerst unpassend erweist, wenn man den Lautstärkepegel erlebt hat, der hier gefahren wurde. Die Erinnerung mag trügen, aber der Eindruck blieb, dass nicht einmal die Metalnight des letztjährigen Poolbar Festivals derartig laut war. Eine Stufe weniger wäre sicher auch in Ordnung gewesen und wäre der vor Energie strotzenden Bühnenperformance von „Kadavar“ nicht abträglich gewesen. Diese Band weiß ganz genau, was sie will. Ihr Soundkonzept ist perfekt ausgefeilt: Knackige Drums, fetter, cremiger Bass, trockene, mittige Gitarrenriffs und die schlank abgemischte Stimme des Sängers mit einer guten Portion Hall. Was da aus den Boxen und von der Bühne kommt, ist wirklich beeindruckend - aber auch schnell langweilig. „Kadavar“ ist definitiv keine Band für Hörer:innen, die gern im Verlauf eines Songs überrascht werden. Diese Band scheint sehr viel Wert auf die Qualität und die Wiedererkennbarkeit ihres Eigenklang zu legen und kultiviert diese Stärke auch regelrecht durch das teilweise ausgiebige „Baden“ in diesen Klangwelten. Wie passend, dass eines ihrer besten Stücke den Titel „I Want To Be A Sound“ trägt (was für ein Intro!). Die musikalischen Rezepte sind aber häufig die gleichen: Wenige Songs fallen aus dem Muster heraus, das aus leicht gehobenen Rock-Tempi, von Bass und Gitarre gemeinsam gespielten pentatonischen Riffs und Steigerungshöhepunkten besteht, die von Wah-Wah Gitarrensoli gekrönt werden. Viel klingt nach Vintage und 70er-Jahre-Hardrock mit Psychedelic-Einflüssen. Das Bandarrangement ist über weite Strecken gleichbleibend dick und (um den Punkt mit den Überraschungen aufzugreifen) die Songs entwickeln sich oft nicht wirklich. Wenn man die erste halbe Minute gehört hat, weiß man was man zu erwarten hat, und das kann je nach Hörerwartung brillant oder eben enttäuschend sein. Das Publikum feierte „Kadavar“ jedoch ausgelassen, wurde aber am Ende der Show nicht mit einer Zugabe belohnt.
Konzerte der ausgezeichneten Künstler:innen im Rahmen des Poolbar Festivals
Ausflug mit Franziska, 11.7., 22 Uhr
DuoLia, 23.7., 20 Uhr