Zwischen Leichtigkeit und Melancholie
Debütalbum von Schweizer Singer-Songwriter
Vera Zatti · Okt 2025 · Musik

Simon Deckert alias Mondegg verbindet in seinem Debütalbum „Hier entlang mit reinem Herzen“ Sprachkunst und Folk. Vor zehn Tagen war die Albumtaufe im Figurentheater in St. Gallen, am Freitag ist er in Vaduz zu hören.

Es geht um Naturerlebnisse, Heimat, Familie und auch ein bisschen um Tiere. Das Debütalbum von Simon Deckert, alias Mondegg, ist vielseitig. Beim ersten Reinhören wirken die teils skurrilen Texte etwas ungewohnt. Doch wer genauer hinhört, entdeckt feine Sprachspielereien, die, getragen von folkigen Melodien, einen eigenwilligen Charme entfalten.
Deckert ist in St. Gallen kein Unbekannter. Er hat Literarisches Schreiben studiert und im Nebenfach Jazzkurse belegt, veröffentlichte 2020 mit „Siebenmeilenstiefel“ seinen ersten Roman, schreibt Theatertexte und steht seit Jahren auf Bühnen. Für ein Musikalbum brauchte es dennoch Zeit: Der Song „Jellyfish Glow“ ist bereits 13 Jahre alt, wie Deckert im Gespräch mit „Saiten“ erzählt.
Dass es schließlich doch zu einem Album kam, verdankt er vor allem seiner Frau Julia Sutter. „Ich habe mir lange nicht zugetraut, Musik so ernsthaft zu machen wie das Schreiben“, sagt Deckert. „Beim Schreiben an einem zweiten Romanprojekt ging es dann um eine Band und ich habe gemerkt, dass ich über das schreibe, was ich eigentlich selbst machen will.“
Sutter habe ihn ermuntert, das Musikprojekt einfach zu versuchen. Da die Familie dank „Brotjobs“ finanziell abgesichert war, startete Deckert Anfang 2024 das Abenteuer Albumproduktion. 

Folk mit Sprachgefühl

Deckert, der nie professionell Musik aufgenommen hatte, konnte seinen Kollegen, den Sound-Designer und Komponisten Pascal Schärli, als Produzenten gewinnen. Unterstützt von Musiker:innen aus seinem Netzwerk nahm das Album nach und nach Gestalt an. Nach anderthalb Jahren intensiver Arbeit war „Hier entlang mit reinem Herzen“ fertig. „Zu sehen, wie alles zusammenkommt und funktioniert, war toll“, sagt Deckert. 
Elf Songs umfasst das Album. Frühere Songs wie „Jellyfish Glow“ sind auf Englisch, neuere Werke zunehmend auf Deutsch. Deckert erklärt: „Am Anfang war ich noch stark von englischsprachiger Musik inspiriert, aber dann, je ernsthafter ich das Texten nahm, desto wohler fühlte ich mich in meiner Muttersprache.“ Die folkigen Songs leben von Gitarre (Simon Deckert) und verschiedenen Gastinstrumenten, zwischendurch lassen sich immer wieder kirchliche und gospelartige Musikelemente erkennen.
Das Album erzählt in sprachgewandten und humorvollen Songtexten märchenhafte Geschichten. Dabei geht es immer wieder auch um das Leben selbst, um Familie, ums Glücklichsein und darum, dass oft Kleinigkeiten alles verändern können.
Starke Motive sind, genretypisch für Folk, Naturerlebnisse. „Einige Lieder sind in einer Zeit entstanden, in der ich Antworten in der Natur gesucht habe“, erzählt Deckert. „Das klingt klischeehaft, aber es war nun mal so.“ Oft kommen Tiere in den Texten vor, was aber keine keine Entsprechung im Alltag habe, bemerkt Deckert. Und so geht dem Song „Drei Katzen“ zum Trotz bei Familie Sutter-Deckert kein Stubentiger ein und aus.

Vom Ozean und warmen Tassen

Am Samstag, 18.10. feierte Mondegg die Taufe seines Albums im Figurentheater St. Gallen, in dem Deckert auch in der Administration und projektweise als Bühnentexter arbeitet. In den rot-schwarzen Theaterräumen herrscht eine wohlwollende, fast familiäre Atmosphäre. Den Auftakt macht der St. Galler Musiker Sebastian Bill, der später in Deckerts Song „Gibt es einen Ort“ den Mundart-Part übernimmt. 
Humorvoll führt Bill durch sein Set und schaut immer wieder auf die Uhr – vielleicht, um nicht zu überziehen, obwohl das vermutlich kaum jemanden im Publikum gestört hätte. Dann startet der Hauptact des Abends: Simon Deckert alias Mondegg. Im Figurentheater stellt der Musiker sein erstes Album zusammen mit Mathias Schmid (E-Bass), Lucien Palser (Klavier/Vocals) und Simon Hotz (Akkordeon/Vocals) vor.
Wie das Album beginnt auch die Albumtaufe mit „Das neue Schwer“. Zwar klingt Deckerts Stimme anfangs noch verhalten, doch mit jeder Zeile gewinnt sie an Sicherheit. „Aber vielleicht“, heißt es am Ende des Liedes, „ist morgen schon leicht das neue Schwer.“ Und vielleicht ist gerade dieses Spiel mit Leichtigkeit und Schwere das Motto des Abends im Figurentheater. Die Musik legt sich fast schwermütig auf das Publikum, um immer dann, wenn sie gänzlich ins Dunkle zu gleiten droht, wieder spielerisch aufzubrechen. 

 


 

 



Etwa in „Grosse Wellen“, wenn Deckert mit honigwarmer Stimme singt: „Grosse Wellen, nehmt mich mit, auf euch wag ich den letzten Ritt zum Grund von meinem Ozean. Aber kann ich noch einmal die warme Tasse in den Händen spür‘n? In der Zeitung blättern, während mein Sohn drüben noch schläft?“

Kleine Variation, große Wirkung

Dieses sanfte Mäandern zwischen Tristesse und Leichtigkeit zieht sich durch fast alle Songs. Dabei zieht der Text die Musik. Und wer nicht genau hinhört, verpasst so manches Wortspiel. Diese seien, so Deckert, mal absichtlich konstruiert und mal zufällig entstanden. „Ich habe das Gefühl, dass kleine textliche Änderungen, die dann einen Perspektivenwechsel ermöglichen, eine schöne Art sind, etwas in einem Songtext zum Ausdruck zu bringen“, sagt Deckert über seine Arbeit mit Sprache.
Deckerts sprachliches Feingefühl steht seinem musikalischen Können in nichts nach. Das wird auch bei „My Hometown“ klar. Der auf schottischer Dudelsack-Musik basierende Song dient der Dekonstruktion eines konservativen Heimatbegriffs. Bei der Albumtaufe trägt Deckert das Stück solo vor – ohne Mikrofon, ohne Band. Er steht allein auf der Bühne, seine Stimme füllt den Raum, bis sich schließlich Hotz mit Akkordeon und einer zweiten Stimme dazugesellt. Die theatralische Inszenierung wirkt patriotisch – nur, dass Deckert singt: „Meine Heimatstadt ist noch nicht gebaut … I sing it proud, I sing it loud.“ 
Das Album scheint gleichzeitig eine Art Rückblick, aber auch ein Aufbruch zu sein. Der Albumtitel „Hier entlang mit reinem Herzen“ passt da ganz gut. Inspiration dafür fand Deckert auf einem Denkmal in Wales, das Seeleute mahnte: „Pass this way with a pure heart“, bevor sie ihre Reise antraten – und genau dieses Denkmal ist auch auf der CD zu sehen.
Im Figurentheater endet der Abend mit viel Applaus, bevor sich das Publikum dann auf den Heimweg macht – oder noch für einen Umtrunk in der Bar verweilt.

Dieser Artikel ist bereits am 21.10.2025 auf www.saiten.ch erschienen.

Mondegg: Hier entlang mit reinem Herzen, erschien am 18. Oktober auf CD und Bandcamp.
Konzert: 31.10., 20 Uhr, Schlösslekeller, Vaduz
simondeckert.com

 

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