Zum Beispiel Balthazar, Jesus und die Tiere
Zwei neue Ausstellungen können in Bregenz im Kosmos Atelier und in der Sylvia Janschek Art Gallery besucht werden.
Karlheinz Pichler · Jul 2023 · Ausstellung

Mit Peter Kohl und Tin Trohar sind in der Sylvia Janschek Art Gallery und im Kosmos Atelier in Bregenz derzeit zwei Positionen zur zeitgenössischen Malerei zu sehen. Dabei zeigt der 1971 in Klagenfurt geborene und heute in Ebenthal lebende Kärntner Künstler Peter Kohl unter dem Titel „Au hasard Balthazar“ (Zum Beispiel Balthazar) eine neue Werkserie, zu der ihn der gleichnamige schwedisch-französische Spielfilm von Robert Bresson aus dem Jahre 1966 inspiriert hat. Der aus dem kroatischen Rijeka stammende und heute in Wien ansässige Tin Trohar, Jahrgang 1987, hingegen wartet mit einer glitzernden Kreuzigung sowie glamourhaften, großformatigen Tier- und Pflanzenbilder auf.

Der Film Au hasard Balthazar“, zu dem Peter Kohl einen aus zwanzig Arbeiten bestehenden Zyklus in Mischtechnik auf Leinwand geschaffen hat, handelt von einem jungen Esel, der von den beiden Kindern Marie und Jacques auf den Namen Balthazar getauft wird. Jahrelang erduldet Balthazar als stumme Kreatur jede Qual. Nach Stationen als Lastesel, Zirkusattraktion und als ein von einem Verbrecher geerbtes Tier, wird er schließlich von Schmugglern aus dem Gefolge Gérards benutzt.
Leid erfährt auch Marie, die sich von ihrem neuen Liebhaber Gérard misshandeln lässt. Marie wird nackt und möglicherweise von Gérards Bande vergewaltigt in einer Hütte liegen gelassen, Balthazar stirbt nach Schüssen von der Grenzpatrouille am Ende inmitten einer Herde von Schafen.
Nach Ansicht des amerikanischen Filmkritikers Roger Joseph Ebert (1942-2013) will Bresson mit dem Film darauf verweisen, dass wir im Grunde genommen alle Balthazars seien.
Kohl, der aufgrund seiner malerischen Vorgehensweise als ein Grenzgänger zwischen Comic, Karikatur und Bilderkunst eingeschätzt wird, zu diesem Motiv: „Die Nähe dieses Filmes ‚Au hasard Balthazar‘ zu meinen Zugängen, diese Welt mit den Mitteln meiner Kunst zu begreifen, hat mich tief berührt. Der Mensch als Wesen dieser Welt, der sowohl das Gute als auch das Böse in sich trägt. Im ständigen Kampf zwischen diesen beiden mächtigen Polen schafften wir Systeme, die alles andere als vollkommen sind. Demokratie, Diktatur, Religionen bieten uns Lebensformen, die wir leben können, dürfen oder müssen. Dazwischen passiert das Leben, das sowohl Freude als auch unendliches Leid produziert.“
Kohl sieht im Esel Balthazar eine Metapher für das stoische Ertragen von Leid. Aber auch die Nähe zum Katholizismus und dass andere optimistische Ausblicke als der Tod nicht möglich seien, so der Künstler. Und genau hier setze er in seiner künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Bresson’schen Film an. Und bietet Bresson Mitgefühl als Rat an und Trostfindung, indem man menschliche Erfahrungen teilt, so offeriert der Kärntner Künstler mit der „Flucht in den Stoff“ („Escape into the stuff“ lautet denn auch der Titel eines zentralen, großformatigen Werks der Ausstellung) einen schrägen und möglichen positiven Ausblick in seiner Bilderwelt an. So fragt er sich, ob eine Herausnahme aus dem Kreislauf des Leidens durch die Verniedlichung eine Möglichkeit wäre. Kohl: „In meiner Welt begegnet Balthazar dem Leiden als verniedlichter Stoffesel. Er ist nicht mehr direkt betroffen. Mit einem stillen Beobachter aus Plüsch, am Blumenfeld, zugedeckt, entsteht ein neuer Kontext.“
Seine Lösungen dazu, die seine Gratwanderung zwischen Cartoon und hoher Bilderkunst untermauern, manifestieren sich wie gewohnt in vielschichtigen, substantiellen und ironisch-humorig angehauchten Mischtechniken auf Leinwand, teils in sehr großen Formaten.

Acryl und Glitter auf Jute

Tin Trohar malte vergangenes Jahr für seine Ausstellung bei Giese & Schweiger in Wien fünf großformatige Kreuzigungen auf schwarzem Grund. Eines davon hängt nun an der Stirnseite des Kosmos Ateliers. Flankiert wird es von überdimensionalen Bildern, auf denen Tiere, Blumen und andere Pflanzen zu sehen sind.
Trohar studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei dem zu den besten deutschen Maler zählenden Daniel Richter (nicht zu verwechseln mit Gerhard Richter). Nach längerer Zeit der Selbstsuche, die vor allem von Experimenten in der abstrakten Kunst begleitet war, lernte er die Künstlerin Béatrice Dreux kennen, die ihm neuen Ansporn und den Kick gab, etwas Neues zu beginnen. In der Folge schuf er seine ersten Vanitas-Stillleben. Im Zuge einer intensiven Schaffensphase entstanden 2014 fast hundert Stillleben. Als er einmal bei Gerstaecker, Europas größtem Shop für Künstlerbedarf, Glitter mitbestellt hatte, verirrten sich einige Streusel auf ein Vanitas-Bild. Seither entwickelte sich der Einsatz von Glitter sukzessive zum zentralen Gestaltungsmittel Trohars.
In einem Podcast des Kunsthändlers Alexander Giese verweist Trohar darauf, dass schwarze Acryl-Farbe vielfach den Ausgangspunkt zu seinen Gemälden bildet. Schwarzes Acryl sei sozusagen das Flüssige, mit dem er alles forme, alles bewege, übermale, wegmale. Mit schwarzem Acryl forme er die Konturen. Und auf das rasch trocknende Acryl trage er mit fixierendem Haarspray das Glitter auf. Mitunter verwendet er Glitter auch in Verbindung mit Ölfarbe.
Grundsätzlich bringt der aus Kroatien stammende Künstler das Glitter mittlerweile bereits wie Farbe auf dem Bildträger, der zumeist Jute ist, an. Nämlich in Form von Schichten. Er übersprüht Glitter mit Haarspray, „dann verklebt sich das und lässt sich auftragen wie Farbe“, so Trohar im Podcast. Und wenn man die Bilder Trohars ansieht, so spürt man, wie vielschichtig diese sind. Durch das immer wieder Runternehmen und neu Applizieren erhält das Bild zudem eine total unregelmäßige, fast reliefartige Oberflächenqualität. Das zeigt sich im Kosmos Atelier anhand der Arbeiten „Bee and the flowers“, „My little Pony“ und „Bird is the Answer“. Die Art von Glimmer und Glamour, die Trohar mit diesem Glitter in teils „zuckersüßen“ Farben evoziert, erinnert stark auch an die Welten von Barbie und Co.
Auch für die Kreuzigung (ohne Kreuz) auf schwarzem Grund verwendet Trohar Glitter. Er verleiht dem sterbenden Jesus einen eigenwilligen, flimmernden Glanz. Auf das Motiv der Kreuzigung ist er durch Francisco de Zurbarán (1598-1664) gekommen, einen berühmten spanischen Maler aus dem Goldenen Zeitalter iberischer Barockkunst. Zurbarán erzielte mit scharfen Konturen und harten Schatten stark plastische Effekte, die seine Figuren wie monumentale Skulpturen wirken lassen. Sie zeigen eine Dreidimensionalität, die aber keine Entsprechung in der Rauminszenierung findet, etwa durch Tiefenstaffelung oder dramatische Bewegung. Das ist auch bei Trohar der Fall. Die Kreuzigung schwebt wie eine Skulptur im schwarzen Bildraum. Einzig der Glitter schafft eine Verbindungslinie zwischen Bildgrund und Figur.
Trohar betont, dass er mit seinen Kreuzigungen keine religiösen Aussagen treffen wolle. Die Figur des Gekreuzigten habe allein die Funktion, an einem Motiv, das die Kunstgeschichte wie kein anderes geprägt hat, neue malerische Lösungen auszuloten. Es ist ein Versuch, „die alten Meister durch seine Arbeit zum Leben zu erwecken und dadurch Neues zu schaffen“, lässt sich Künstlerin Béatrice Dreux auf der Einladungskarte zur Ausstellung zitieren.
Dennoch, das Motiv der Kreuzigung ist inhaltlich derart religiös überfrachtet, dass es für den Ausstellungsbesucher völlig unmöglich ist, diesen Hintergrund bei der Betrachtung auszuschalten, auch wenn die Figur auf schwarzem Grund noch so sehr glitzern oder erstrahlen mag.

Tin Trohar: „Jesus & die Tiere im Kosmos“
bis 25.8.
Finissage: 25.8., 19 Uhr
geöffnet n. tel. V.: 0043 664 873 48 33
Kosmos Atelier, Bregenz
www.theaterkosmos.at

Peter Kohl: „Au Hasard Balthazar“
bis 29.7.
Finissage: 29.7., 11.00 Uhr
Di – Sa, 14 – 18 Uhr
und nach tel. V.: 0043 664 131 1000
Sylvia Janschek Art Gallery, Bregenz
www.janschek.art

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