Xylographisch ins Bild gesetzte Impressionen von Tier und Landschaft
Gabi Jörger und Norbert Leo Müller im Bildungshaus Batschuns
Karlheinz Pichler · Dez 2023 · Ausstellung

Gabi Jörger und Norbert Leo Müller kennen sich über die österreichische Niederlassung von Xylon, der 1953 in Zürich gegründeten internationalen Vereinigung der Holzschneider:innen, der so bekannte Künstler wie etwa Max Pechstein, HAB Grieshaber oder Erich Heckel angehörten. Im Rahmen ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung geben Jörger und Müller aktuell im Bildungshaus Batschuns einen repräsentativen Einblick in ihr aktuelles Holzschnittschaffen.

Gabi Jörger lebt und arbeitet in Gurtis, Norbert Leo Müller in ähnlicher Höhe auf der anderen Seite des Walgaus, nämlich in Röns. Jörger werkt also auf der Schattenseite des Walgaus, Müller auf der Sonnenseite. Jörger bevorzugt den Farbholzschnitt, während Müller dem klassischen Schwarz-Weiß verhaftet ist. Müsste es nicht umgekehrt sein? Leiten sich nicht die Farben vom Sonnenlicht ab und das Dunkle vom Schatten? Hier für einmal sind die Vorzeichen anders. Das Faible für unterschiedliche Ausdrucksformen ist maßgeblich.

Wiederbelegung einer alten Technik

Bei der Holzschnitttechnik spricht man von einem Hochdruckverfahren. Im Alltag ist diese arbeitsintensive Vervielfältigungstechnik längst durch Scanner, Fotokopierer oder Laser- und Tintenstrahldrucker verdrängt worden. Auch im Kunstbereich gibt es nur noch wenige, die sich mit dieser alten Handwerkskunst beschäftigen. Obwohl die Ergebnisse durchaus sehenswert sind, wie die Ausstellung im Bildungshaus bezeugt.

Im Schwarz-Weiß die Wahrheit suchen

Schwarz und Weiß werden oft als „Nicht-Farben“ oder „Unfarben“ bezeichnet. Eigentlich völlig zu Unrecht, denn von der Wirkung her stehen sie ihren bunten Pendants in nichts nach. Eine durchdachte Kombination aus Schwarz und Weiß evoziert atmosphärische Nuancen, die gerade aus diesem Kontrast heraus genährt werden.
Norbert Leo Müller, Jahrgang 1956, zeigt im Bildungshaus Winterlandschaften, Berge, Bachläufe, Waldstücke und auch eine lauschende Amsel – alles in Schwarz-Weiß gehalten. Er bemühe sich, die bereits vorhandenen kompositorischen Linien, Senkrechten, Waagrechten und Diagonalen der großen Abstraktionsmeisterin „Natur“ zu finden und im Bild umzusetzen, so der Druckgrafiker. Daher bezieht er seine Motive und Themen zumeist aus seiner unmittelbaren Umgebung. In spannungsgeladenen Arrangements, in denen er auf formale Reduktion setzt, gelingt es Müller, die charakteristischen Wesenszüge der realen Vorlagen aus der Natur allein in der Schwarz-Weiß-Wirkung wiederzugeben. Müller sieht in seinen bildnerischen Akkorden und Klängen auch einen Ruf an die Innenwelt, das Erlebte mit dem Gesehenen zu vereinen, Emotionen zu wecken, eine Verbindung zwischen Innenwelt und Außenwelt herzustellen. Mit der Beschränkung auf Schwarz-Weiß konzentriert sich Müller auf das Essenzielle, das Direkte. „Schwarz-Weiß ist die Wahrheit“, brachte es der US-Künstler Robert Longo einmal auf den Punkt.

Von der Leichtigkeit des japanischen Farbholzschnittes geprägt

Die 1966 in Bludenz geborene Gabi Jörger beschäftigt sich seit 2012 intensiv mit der Technik des Holzschnitts. Im Rahmen mehrerer Lehrgänge an der Innsbrucker Sommerakademie lernte sie auch die Technik des japanischen Farbholzschnitts kennen. In Studienaufenthalten in Dresden und Leipzig konnte sie ihre Kenntnisse im traditionellen europäischen Farbholzschnitt intensivieren. Neben einiger Gurtislandschaften zeigt Jörger in Batschuns vor allem Farbholzschnitte von Vögeln sowie von Faltern und Käfern. Für die Künstlerin ist das Holzschneiden eine Konzentrationsaufgabe. Die Lindenholzplatte, ihr bevorzugter Druckstock, toleriert keine Fehler. Für kleine Arbeiten kann sie auf eine eigene Druckerpresse im Gurtiser Atelier zurückgreifen. Für größere Werke fährt sie ins Druckwerk nach Lustenau und benutzt dort die fast 200 Jahre alte Dingler’sche Kniehebelpresse.
Die farbigen Holzschnitte von Jörger sind von einer gleichermaßen farbigen wie druckgestalterischen Leichtigkeit geprägt. Als ob sich die Methodik des japanischen Farbholzschnittes auch auf die übrigen Techniken gelegt hätte. So sind die Motive etwa mit klaren, feinen Linien „gezeichnet“ und es fehlen, zumindest bei den Tierdarstellungen, Licht- und Schatteneffekte. Und es steht nicht die detailgetreue Wiedergabe im Vordergrund, sondern das Charakteristische, das Wesentliche eines Sujets. Der Ausdruck steht über allem.

Der Rausch des Machens

Drucken ist eine Begegnung des Zufalls mit dem Sinnvollen. Drucken ist selbst das Erlebnis. Drucken ist der Rausch des Machens und gleichzeitig Kontrolle darüber. Spannung, Gewalt des Ausdrucks, Triebkraft, Radikalität, die uns das Gesetz des Computers für immer wegnehmen will. Drucken ist stets eine junge Kunst gewesen. Lasst sie euch nicht nehmen!“, hat der große deutsche Holzschneider HAP Grieshaber im Jahr 1979 geschrieben. Jörger und Müller setzen diesen fast Manifest-ähnlichen Aufruf auf ihre ganz individuelle Art fort.

Gabi Jörger, Norbert Leo Müller: Holzschnitte
bis 31.12.2024
Mo – Fr 8 – 12 u. 14 – 17, Sa/So 8 – 12 Uhr
Bildungshaus Batschuns
www.bildungshaus-batschuns.at

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