Wolfgang Muthspiel / Scott Colley / Brian Blade: „Dance of The Elders“ Peter Füssl · Sep 2023 · CD-Tipp

Mit fünf neuen Eigenkompositionen, Joni Mitchells „Amelia“ und dem „Liebeslied“ von Brecht/Weill meldet sich der Gitarrist Wolfgang Muthspiel mit seinem aus Kontrabassist Scott Colley und Drummer Brian Blade bestehenden Trio drei Jahre nach dem erfolgreichen Album „Angular Blues“ zurück. Das in zahlreichen Tourneen zusammengeschweißte Dream-Team, das mittlerweile das frühere Trio mit Larry Grenadier und Jeff Ballard als Working-Band abgelöst hat, präsentiert einmal mehr ein kammermusikalisch anmutendes Kleinod.

Drei viertel Stunden lang lässt es sich in angenehmer Ruhe und Schönheit schwelgen, wobei der ästhetische Feinspitz Muthspiel bei genauem Hinhören nicht nur mit seinem sicheren Gespür fürs Melodische zu begeistern vermag, sondern auch mit zahlreichen Raffinessen harmonischer und rhythmischer Art, die dem Wohlklang die dazugehörende Würze verpassen. Colley und Blade verleihen dem rhythmischen Grundgerüst Stabilität und Leichtigkeit zugleich und scheinen selbst vertrackteste Passagen locker aus dem Ärmel zu schütteln. In Muthspiels Spielweise auf der akustischen und elektrischen Gitarre verbinden sich Jazz-, Klassik- und Folk-Elemente zu atmosphärisch angenehmen und emotional ansprechenden Klangbildern und lässigen Grooves, die weit entfernt sind von gitarristischen Eitelkeitsdarbietungen oder schierem Virtuosentum. Und dass man auf gängige Marktmechanismen pfeift wird klar, wenn als Opener des Albums das knapp elfminütige „Invocation“ durch eine Aneinanderreihung ruhiger, aber unterschwellig doch spannungsgeladener Klangbilder und Triologe führt, die immer wieder von einem melodienseligen Groove mit sich nahezu ins Ekstatische steigernder Gitarre aufgelockert werden. „Prelude to Bach“ ist eine spontane Improvisation, die mit einer Solo-Gitarrenversion von „O Haupt voll Blut und Wunden“ endet. Muthspiel ließ sich aber auch von zeitgenössischen Tastenstars inspirieren und erklärt, „Cantus Bradus“ beziehe sich auf typische Spielweisen Brad Mehldaus und der „Folk Song“ auf solche im Werk von Keith Jarrett. Das Titelstück „Dance of the Elders“ verblüfft mit unkonventionellen Akkordverbindungen und polyrhythmisch geklatschter Einlage zum kurzen Drum-Solo. Nahtlos ins Muthspiel’sche Musikuniversum fügen sich das von Macheath und Polly in Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ gesungene „Liebeslied“ (auf YouTube findet man übrigens auch eine exzellente, fünf Jahre alte Trio-Version mit Grenadier/Ballard) und Joni Mitchells „Amelia“, das historisch schon mit exzellenten Gitarristen „vorbelastet“ ist. Denn auf dem 1976-er Album „Hejira“ ließ die Singer-Songwriter-Ikone Larry Carlton solieren, auf dem drei Jahre später aufgenommenen und auch filmisch festgehaltenen Live-Konzert in der Santa Barbara Bowl („Shadows And Light“) war es Pat Metheny, aber Wolfgang Muthspiel geht völlig andere Wege und vermag den Folk-Jazz-Klassiker mit durchaus reizvollen neuen Aspekten zu veredeln. Ein durch und durch gelungenes Album, von Manfred Eicher in gewohnter Weise souverän produziert. (ECM/Universal)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Oktober 2023 erschienen.

Konzert-Tipps: 13.10.23, 19 Uhr Hotel Post, Bezau, Konzert mit Dinner (mit Jorge Rossy statt Brian Blade), 16.10. Konzerthaus Wien

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