Wie aus Kleinem Großes werden kann
Ensemble Quarta einviertel überzeugte unter Christoph Eberle auf fabelhaftem Niveau.
Fritz Jurmann · Feb 2025 · Musik

Man weiß nicht, was man bei der neuesten Produktion der Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie mehr bewundern soll – die kluge Programmgestaltung des künstlerischen Leiters und Gründers Christoph Eberle mit drei mitreißenden Konzertsaal-Hits oder deren in jeder Hinsicht gelungene, ausgereifte Umsetzung, die in einer berückend klangschönen und technisch hochstehenden Umsetzung mündet. Kaum zu glauben bei 20 Youngsters im Alter von 16 bis 24 Jahren aus der Region, alle stilgerecht in festliches Schwarz gekleidet, die in reiner Streicherbesetzung diesmal die „kleine Formation“ mit dem Quarta einviertel genannten Kammerorchester bilden. Entsprechend hat man auch selten zuvor solche Ovationen des zahlreichen Publikums erlebt wie beim dritten von vier Konzerten am Samstag im Hohenemser Markus-Sittikus-Saal.

Im kleinen Finger

Dieses von internationaler Hochklassigkeit bei der dortigen Schubertiade akustisch ideale und bewährte Ambiente wurde von den jungen Leuten ohne falsche Ehrfurcht und mit dem notwendigen Selbstbewusstsein in Beschlag genommen. Nach einer Probenwoche in den Semesterferien in Bizau unter der routinierten Anleitung von Coach Alexandra Rappitsch sowie bereits zwei vorangegangene Konzerten hatte die gut aufgestellte Truppe ihr durchaus forderndes Programm bereits im kleinen Finger. Neben bestechender Präzision machte sich das auch in einer gewissen Leichtigkeit und Ungeniertheit bemerkbar, in der Freiheit einer gesunden Musikalität. 
Im Laufe des Abends entwickelte sich aber immer stärker auch das, was man in der Fachsprache als Streicherkultur bezeichnet – der satte, dennoch silbrige, sauber intonierte und durchsichtige Klang dieser Instrumente, wie er von den Großen immer wieder auch bei uns vorexerziert wird. Da konnte sich auch Christoph Eberle als umsichtiger und ungemein präsenter Dirigent (wie immer alles auswendig) mit seiner enormen Erfahrung eher zurücknehmen und auf Augenhöhe jedem Einzelnen seiner Musiker:innen ein Stück Verantwortung für das technische, aber auch das klangliche Gelingen des Abends übertragen. So einfach ist das in einer kleinen Besetzung, aus der im Idealfall so wie hier Großes werden kann.

Drei Konzertsaal-Hits

Das durchwegs geläufige Programm bietet in seinem kontrastreichen stilistischen Bogen die idealen Voraussetzungen dafür, enthält in seinem Bekanntheitsgrad für das Publikum aber auch heikle Vergleichsmöglichkeiten mit bekannten Vorlagen. Ein solcher Popularitätsschub machte, wie von Eberle klar erkannt, diesmal auch die Verpflichtung eines Solisten oder einer Solistin überflüssig, die eher vom straffen Grundkonzept abgelenkt hätten. 
Dafür verlangt Mozart nun vom ersten Takt an die volle Aufmerksamkeit der Bühne und des Saales. Das populäre Dreiklangmotiv am Beginn seiner „Kleinen Nachtmusik“ ist wie eine Fanfare für alles, was da noch kommen soll und signalisiert dieser Serenade eine fein ausgelotete, sehr persönliche Version in gesunden Tempi, die Eberle diesem wohl allzu oft gespielten und missbräuchlich sogar als Handy-Klingelton verwendeten Stück Klassik verpasst. Eine gelungene Ouvertüre, die die Stimmung ankurbelt, ein Einspielstück zum Warmlaufen.

„Der Tod in Venedig“

Die Anforderungen steigen nun mit einem Ausschnitt aus Gustav Mahlers fünfter Symphonie, dem legendären Adagietto, dessen Bekanntheitsgrad sich von der Verwendung in Luchino Viscontis grandioser Filmarbeit „Der Tod in Venedig“ ableitet. Es ist ein geheimnisvoll dahingleitendes Streicherstück, das in seiner scheinbaren Ruhe die Unabwägbarkeit eines unbestimmten Schicksals transportiert. Eine Harfe (Samira Nowarra) gibt dieser endlos scheinenden Melodie der Melancholie den Puls vor, die Streicher:innen führen das Stück in aller erdenklichen Intensität und Klangfülle ihres Spiels zum Höhepunkt der notwendigen Spannungsentladung. Ein Kraftakt, eine Gemeinschaftsleistung von unglaublicher Kompaktheit, die berührt, unter die Haut geht und noch vor der Pause erste Bravos generiert.
Zu Recht an den Schluss des Programms gesetzt wurde Tschaikowskys berühmte Streicherserenade C-Dur, in der sich vieles vom Bisherigen summiert, wo es auf ganz andere Art noch eine Stufe höher geht in den Anforderungen an das Quarta-Kammerorchester mit seiner mitbestimmenden Konzertmeisterin Valerie Ettenauer. Atemberaubende Tempi im nun oft energischen Dirigat von Eberle werden im Zusammenspiel zum Hasard, hohe spieltechnische Anforderungen bringen das Orchester manches Mal an seine Grenzen, ohne diese aber zu überschreiten.

Melodien der russischen Seele

Dafür entfaltet sich andererseits auch Tschaikowskys berückende Schönheit als Melodienerfinder aus der russischen Seele, von der schwermütigen Einleitung, die im Schlusssatz das Werk wiederkehrend abrundet, über den elegant betörenden Ballett-Walzer ganz ohne Wiener Walzer-Flair, bis zum dramatisch ausgekosteten Finale. Da ist alles drin, was ein 20-köpfiges Jugendorchester an Klang und Dynamik, an Rhythmik und Temperament aufzubieten weiß, um damit sein Publikum zu begeistern. Und die Besucher sind tatsächlich hingerissen, werden schließlich mit zwei Walzer-Miniaturen von Dvořák als Zugabe hinausgeschickt in die kalte Winternacht.

Nächste Quarta-Produktion in großer Besetzung: 3. bis 7. September
Solistin: Mar Gimferrer, Violoncello; Dirigent: Christoph Eberle 
Programm: Verdi, Saint-Saens, Tschaikowsky (Symphonie Nr. 5)
https://www.quarta4.org/

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