vorarlberg museum setzt verstärkt auf Partnerschaften und Vernetzung
Rückblick und Programmvorschau 2025 des vorarlberg museums
Karlheinz Pichler ·
Dez 2024 · Aktuell
Michael Kasper, der seit Februar als neuer Direktor an der Spitze des Vorarlberg Museums steht, ließ am Freitag im Rahmen einer Medienkonferenz das zu Ende gehende Jahr Revue passieren und präsentierte anschliessend die Schwerpunkte des Programmjahres 2025. Zwei Sonderausstellungen widmen sich dem Künstler, Designer und Philosophen Hasso Gehrmann sowie dem Bildhauer, Bootsbauer und Abenteurer Franz Plunder.
Kasper zeigte sich mit dem ablaufenden Jahr durchwegs zufrieden. Mit insgesamt 50.000 Besucher:innen bewegt man sich in etwa auf Augenhöhe mit dem Kunsthaus Bregenz (KUB), das mit 52.000 nur marginal mehr vorweisen kann. Stolz zeigt er sich, dass allein im Sommersemester 3.320 Kinder und Jugendliche bei 185 Führungen und Workshops das Haus am Bregenzer Kornmarkt frequentiert hätten. Anhand von 122 Veranstaltungen wie etwa Tagungen, Konzerten und Talks mit fast 12.000 Teilnehmenden sei man auch an neue Besucherschichten herangekommen. Mit weiteren Formaten, die man entwickeln will, sollen künftig noch weitere Kreise angesprochen werden, die ansonsten kaum den Fuß über die Museumsschwelle setzten.
Bestände online einsehbar
Mit dem Teilumzug in das neue Depot in Hard sei 2024 zudem ein „großer Wurf“ gelungen, so Kasper. Parallel zur Übersiedelung von 40.000 Objekten seien diese gereinigt und wo nötig instand gesetzt worden. Zudem habe man eine neue Museumsdatenbank aufgesetzt. Künftig sollen die Bestände des Museums online einsehbar sein.
Zwei große neue Veranstaltungen in Arbeit
Während die Schwerpunktausstellung „tuten und blasen – Blasmusik in Vorarlberg“ bereits angelaufen ist und noch bis 2026 andauert, sollen im kommenden Jahr zwei weitere Sonderausstellungen eröffnet werden.
Eine ist dem multidisziplinären Werk von Hasso Gehrmann (1924–2008) gewidmet, dessen Geburtstag sich zum hundertsten Male jährt. Gehrmann war einer der seltenen Universalisten, bei dem sich Kunst, Philosophie, Design, Wissenschaft und Theorie zu einem komplexen, ineinander verzahnten Gesamtbild vereinten. Mit seinen abstrakten „Zeichentafeln“ war er in den 1950er Jahren unter anderem im Pariser Salon des Réalités Nouvelles, in der Kunsthalle Mannheim und der Società Dante Alighieri in Rom vertreten. Seine für den Haushaltsgerätehersteller Elektra Bregenz in den 1960er Jahren entwickelte „Erste vollautomatische Küche der Welt“ gelangte nach aufsehenerregenden Präsentationen auf internationalen Möbelmessen ins Deutsche Museum München. (22. Februar bis 17. August 2025)
Die zweite im nächsten Jahr startende Sonderschau trägt den Titel „Der atlantische Traum“ und rückt das Leben und Werk des Bildhauers, Bootsbauers und Abenteurers Franz Plunder ins Rampenlicht. Plunder, 1891 in Bregenz geboren, gewann als Bildhauer zwar mehrere Auszeichnungen, berühmt wurde er aber, als er 1923 mit einem selbst gebauten Segelboot, der „Sowitasgoht V“, den Atlantik überquerte. Von da an pendelte er nicht nur zwischen den beiden Berufen Bildhauer und Bootsbauer, sondern auch zwischen Bregenz und den USA. (5. April 2025 bis Oktober 2026)
80 Jahre Kriegsende
Anlässlich „80 Jahre Kriegsende“ sind gemäß Kasper für das kommende Jahr auch zahlreiche Veranstaltungen zur NS-Geschichte Vorarlbergs geplant. Bereits in Vorbereitung ist demnach eine Publikation zu Weltkriegsdenkmalen in Kooperation mit erinnern.at, der JAM-Gesellschaft sowie dem Stadtarchiv Dornbirn.
Und im Atrium werden von 25. Jänner bis 6. April in Zusammenarbeit mit der Vorarlberger Landesbibliothek Fotos des Bregenzer Nationalsozialisten Werner Schlegel aus den Jahren 1938–1941 gezeigt. Schlegel (1908–1945) dokumentierte viele Veranstaltungen, die aufgrund ihrer raffinierten Gestaltung die Massen in Faszination versetzten, mit seiner Kamera. Kasper: „Seine Bilder provozieren die Frage nach den Ursachen der Begeisterung und deren Folgen.“ Schlegel selbst befand sich unter den Gefallenen des letzten Kriegsjahres. Kasper betont, dass Propaganda nicht nur ein Thema der 1930er und 1940er Jahre war, sondern aufgrund der heute bestehenden medialen Möglichkeiten aktueller denn je sei.
Koloniales Erbe und eine „Erstbesteigung“ aus dem Blickwinkel der Kunst
Ebenfalls im Atrium wird mit der Ausstellung „Owu. Fil. Faden. Thread“ die Verflechtung der Vorarlberger Textilindustrie mit dem Kolonialismus untersucht. Unternehmen wie Getzner oder Ganahl waren wichtige Baumwollabnehmer der US-amerikanischen Südstaaten als dort noch die Sklaverei blühte.
Oder ein Quilt etwa verbindet die Städte Vorarlbergs, Lagos, St. Gallen, Wien und Dakar. Kasper: „Er bezeugt die dauerhafte Verflechtung von Textilien, Handel und Terror. Der Stoff erzählt von Begegnungen und Kooperationen. Er erinnert an das Erbe des Kolonialismus, an Macht, Gemeinschaft und Zugehörigkeit.“ (26. April bis 29. Juni)
Im Rahmen eines völlig anderen Projektes soll im nächsten Jahr an der Aussenfassade des Museums in schwindelerregender Höhe ein schwebendes Portaledge, wie es Extremkletterer für die Übernachtung in der Felswand nutzen, den Blick der Passant:innen fesseln. Das international tätige Künstlerduo Bildstein/Glatz (A/CH) will damit auf das menschliche Streben verweisen, in immer unzugänglichere Gebiete vorzudringen. Außerdem errichtet das für seine Großprojekte bekannte Duo im Atrium eine „bewohnbare“ Plattform von circa sechs Metern Durchmesser, die von rund 16 Meter hohen Holzpfeilern getragen wird. „Ein Modell der Wirklichkeit, das sinnbildlich für das fragile Gleichgewicht zwischen Natur und menschlichem Handeln steht“, so Bildstein/Glatz. (12. Juli bis November 2015)
Neue Museumsstrategie
Ein weiterer Schwerpunkt 2025 soll dem Museumschef zufolge mit „Zukunftsbild 2030“ auch die Erarbeitung einer neuen Museumsstrategie sein. Ein mögliches Anliegen sei die Erarbeitung einer neuen Dauerausstellung zur Vorarlberger Landesgeschichte. Seit dem Abbau der Schau „vorarlberg. ein making of“ gebe es im Museum nämlich keinen Überblick über die Vorarlberger Geschichte mehr. Dem wolle man auch im Sinne von wichtigen Zielgruppen wie Schulklassen und Touristen gegensteuern.
Schwierige Budgetlage
Derzeit beschäftigt das vorarlberg Museum 70 Mitarbeitende, die in Summe etwa 40 Vollzeitstellen entsprechen. Budgemäßig rechne er mit keiner großen Erhöhung, sagt Kasper. Da aber alles teurer werde, sei die Budgetlage angespannt. Kasper geht aber davon aus, das Team vollzählig halten zu können. Man müsse aber eine neue Kultur entwickeln und etwa Projekte finanziell mitdenken und neue Partnerschaften knüpfen. So seien etwa noch mehr grenzüberschreitende Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen und Forschungsprojekten angedacht, die den Zugang zu EU-Geldern öffnen könnten. Das Museum sei zwar keine Uni, aber ein wichtiger Partner für Wissenschaft und Forschung. Auch dem Sponsoring seitens der Privatwirtschaft käme eine steigende Bedeutung zu.