Von der Kraft der Musik, der Stille und offener Fragen
Shakespeare im Mittelpunkt eines faszinierenden Erzähl-Konzertes
Silvia Thurner · Apr 2025 · Musik,Literatur

Die erfolgreiche Zusammenarbeit des Kammerorchesters Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier ging am Osterwochenende in die dritte Auflage. Die Zuhörenden wurden unter der Leitung von Tobias Grabher zuerst höchst ambitioniert und mit viel Esprit mit Ludwig van Beethovens Ouvertüre in die herrschsüchtige Welt des römischen Feldherrn Coriolan und dann mit Giuseppe Verdi in die Verschwörungen von Macbeth geführt. Dann tauchten die Orchestermusiker:innen im dreimal ausverkauften Theater Kosmos in die fantastische Stimmung des Sommernachtstraums von Mendelssohn Bartholdy ein und präsentierten abschließend die Ouvertüre zur romantischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“. Dazwischen erzählte Michael Köhlmeier vom Intriganten „Hamlet“ und vom Schicksal des König Lear, seinem Ratgeber Gloucester und dessen Söhnen Edmund und Edgar. Gebannt hingen die Konzertbesucher:innen an den Lippen des begnadeten Erzählers und erlebten ein beziehungsreiches, spannendes und zugleich erfrischendes Erzähl-Konzert, das große Begeisterung auslöste.

Es ist inzwischen eine schöne Tradition, dass sich zu Ostern die Camerata Musica Reno rund um den Dirigenten Tobias Grabher formiert und ein genreübergreifendes Konzert gibt. Bereits in der dritten Auflage faszinierte das 2021 gegründete Orchester, hauptsächlich besetzt mit Studierenden zwischen 20 und 25 Jahren, im Zusammenwirken mit Michael Köhlmeier. Der musikalische Blick wurde auf tragische Helden, Intrigen, aber auch auf romantisch fantastische Schauspielmusiken gelenkt.
Gleich zu Beginn bündelte Tobias Grabher die Energien eindrucksvoll mit den markant gesetzten Einleitungsschlägen in der Ouvertüre zu „Coriolan“, op. 62 von Ludwig van Beethoven. Akkurat aufeinander hörend agierten die Musiker:innen. Klar und mit ausgeklügelter Dynamik stellte das Orchester die zornigen Ausbrüche des Coriolan den beschwichtigenden und beruhigenden Motiven seiner Mutter gegenüber. Exzellent ausgelotet erklangen dabei die Zeitgestalten der vorwärts preschenden und der innehaltenden, beruhigenden Themen. Tobias Grabher wusste genau, wie er die Werkdeutung anlegen wollte, agierte forcierend und mit guter Diktion, sodass im Zusammenwirken mit den ausgezeichneten Orchestermusiker:innen eine spannende Werkdeutung in den Raum gestellt wurde. 

Vielerlei musikalische Charaktere und viel Emotion 

Felix Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre zu Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ ist ein allseits bekannter Geniestreich. Gleich zu Beginn lenkten die Bläser mit den fein gesetzten einleitenden Akkorden die Aufmerksamkeit auf sich. Rasch entwickelten sich sodann die Themen, auf der einen Seite die huschenden Elfen, wunderbar in Szene gesetzt von den hohen Streichern, und andererseits die eher rumpelnden Motive der Bläser. Diese Gegensatzpaare loteten die Musiker:innen hervorragend aus, sie entwickelten Dialoge zwischen den Stimmgruppen, spielten Motive stets transparent aus und öffneten auch Räume für idyllische Klanginseln.
Fast zu wenig Zurückhaltung legte die Camerata Musica Reno im Scherzo aus der Schauspielmusik zutage und markig wurde der Hochzeitsmarsch in den Raum gestellt. Besonders in diesem Teil stießen die akustischen Gegebenheiten, die der Raum im Theater Kosmos für die große Orchesterbesetzung zu bieten hat, an ihre Grenzen. Allerdings boten Scherzo sowie das nachfolgende Notturno einigen Solist:innen ein ideales Podium, um ihre Musikalität voll auszuspielen. Marcel Üstün gestaltete die heiklen Hornpassagen emotional aus. Alexander Svetnitsky-Ehrenreich ließ mit seinen glasklar gesetzten, aufstrebenden Tonfloskeln aufhorchen und Laura Moosbrugger an der Flöte bestach mit ihrer virtuosen Präsenz.
Auch die Ballettmusik aus dem dritten Akt der Oper „Macbeth“ von Guiseppe Verdi bot einige exquisite Hörerlebnisse. Zuerst wirkte die im Vergleich mit der Originalbesetzung schlankere Kammerorchesterfassung von Iain Farrington etwas gewöhnungsbedürftig. Doch dann kamen die Vorzüge der weniger üppigen Orchestration zur Geltung. Hervorragend tarierten die Musiker:innen die Vorhalte der Wechseltonmotive aus, dann lenkten eigentümliche Klangmischungen die Aufmerksamkeit auf sich. Dramatisch wirkten Steigerungen, aufgebauschte Trillerketten sowie die kauzig phrasierten Tanzrhythmen. Aufhorchen ließ das schön zelebrierte Violoncellosolo von Hanna Eberle, verbunden mit der Fagottstimme von Lena Marxer.
In der spritzigen Ouvertüre zur komischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai formte Tobias Grabher die Motive aus unterschiedlichen Stimmgruppen geistreich und fügte sie mit markanter Gestik in rascher Abfolge ineinander. Die Musiker:innen folgten ihm geistesgegenwärtig und spielten mit sichtlichem Vergnügen. Transparent wurden dabei die thematischen Charakterwechsel herauskristallisiert. Wenngleich die kommunikative Spielart mitunter ein wenig auf Kosten einer präzisen Linienführung ging, begeisterte die Camerata Musica Reno mit dieser Interpretation.

Spannungsgeladene Erzählungen über Machtgier, Schicksal und Intrigen

Michael Köhlmeier lenkte den Blick in seinen beiden Erzählungen zuerst auf Shakespeares „Hamlet“. Dessen letzten Worte „The rest is silence“ bildeten das Motto des gesamten Konzertabends. Seine Begeisterung für Shakespeare sei so groß, merkte Michael Köhlmeier an, dass alle andere Literatur im Vergleich dazu nur Fußnoten seien.
Mucksmäuschen still folgten die Zuhörenden der Geschichte von Hamlet, dem der Geist seines Vaters erschien und dessen Mord er rächen sollte. Er machte die Unsicherheit und die intriganten Spiele der Protagonist:innen plastisch spürbar. Spannend an Michael Köhlmeiers Erzählstil war nicht nur seine klare Sprache. Aufgelockert wurden seine Ausführungen auch durch humorvolle Querverweise auf die Gegenwart und dazwischen gestellte Fragen.
Seine Erzählung stellte Michael Köhlmeier mit dem Satz, es sei ihm immer schwergefallen, Hamlet sympathisch zu finden, in ein besonderes Licht. Außerdem verwies er auch auf den Roman „Gertrud und Claudius“ von John Updike und weitete damit den Radius der Betrachtung.
Genauso mitreißend belebte Michael Köhlmeier die dramatischen Geschichten rund um König Lear und dessen Töchter sowie Graf Gloucester und dessen Söhne Edgar und Edmund. Dramatisch wurde der „intelligente Intrigant“ Edmund ins Zentrum der Betrachtungen gestellt. Auf kleine Wendungen mit großer Wirkung in Shakespeares Dramen machte Michael Köhlmeier aufmerksam, und er wies auf Feinheiten hin, mit denen der englische Dramatiker markante Perspektivenwechsel vollzog.
Die Verbindung von Wort und Musik ergab im Zusammenwirken der Camerata Musica Reno mit den Erzählungen von Michael Köhlmeier ein mitreißendes Ganzes. Deshalb kann man sich nur wünschen, dass die Zusammenarbeit nicht mit der Trilogie – Nibelungen, Film und nun Shakespeare – endet, sondern möglichst bald eine Fortsetzung erfährt. 

 

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