Vom Holzsessel über die Schneewittchentorte bis zum Kartenhaus aus Glas
KunstVorarlberg präsentiert fünf Neuaufnahmen
Karlheinz Pichler · Okt 2025 · Ausstellung

Im Rahmen ihrer aktuellen Ausstellung präsentiert die Künstler:innen-Vereinigung KunstVorarlberg im Forum für aktuelle Kunst in der Feldkircher Villa Claudia fünf neue Mitglieder. Bei den Neuaufnahmen handelt es sich durchwegs um bereits etablierte Positionen. Sowohl Gernot Bösch, das Künstlerinnenduo Heller.Ulmer, Michaela Ortner-Moosbrugger, Janine Rogen als auch Klara Vith können auf beachtliche Ausstellungsbiografien sowie Auszeichnungen und Ankäufe verweisen. Die von den Neuaufnahmen vertretenen Positionen reichen von der Zeichnung und Bildhauerei über Design und Textil bis hin zur Druckgrafik und Installation.

Widderhorn und Löwenzahn

Der Beitrag des Hohenemser Künstlers Gernot Bösch etwa unterliegt dem Motto „Widderhorn und Löwenzahn“. Er zeigt Digitalprints auf Alu-Dibond zur „fraktalen Leichtigkeit des Löwenzahns“ (Bösch) sowie eine Skulptur, für die der sich sukzessiv verjüngende Aufbau eines Widderhorns den formalen Ausgangspunkt darstellt. Dereinst habe er einen Widder beobachtet, der unbeirrt ein ums andere Mal mit seinem Schädel gegen einen Pfahl rannte, um ihn zu fällen, erläutert der Künstler. Er habe sich gewundert, dass der Schädel nicht brach und führte es darauf zurück, dass Horn und Knochen auf gewisse Art miteinander verzahnt sein müssten. Bösch: „In meiner Skulptur aus Fichtenholz geht daher das Horn nahtlos in den Schädelknochen über.“ Während er seine Skulpturen meist aus einem zu wiederholenden Element aufbaut oder fraktalisiert, reduziert er in seinen abstrakten Bildern das Betrachtete zu einer bestimmten Bewegung oder Struktur. „Im Falle des Löwenzahns sind es die Zwischenräume, die jene sich weitende Bewegung andeuten, die dem Flug der Achänen vorausgeht“, so der Künstler. Ein Kennzeichen seiner Arbeiten ist die Reduktion komplizierter, aus der Natur abgeleiteter Formen in eine klare visuelle Sprache der Geometrie, die mit äußerster Präzision auf die Bildträger übertragen wird. 

Kartenhaus

Das Künstlerinnenduo Heller.Ulmer (Yvette Heller und Gabriele Ulmer) will mit einem installativen, überdimensionalen Kartenhaus aus Glas auf die Zerbrechlichkeit von Frieden aufmerksam machen. Sie thematisieren das menschliche Elend in Kriegsgebieten anhand der Situation in Gaza in den vergangenen zwei Jahren. Die sieben Glasscheiben des Objekts zeigen Aufnahmen aus palästinensischen Gebieten. Wobei die per keramischer Drucktechnik auf weißes Sicherheitsglas übertragenen Fotografien allgemein für real Erlebtes stehen. Durch einen schwarzen Rahmen sind Bildschirme optisch angedeutet. Sie sollen laut den beiden Künstlerinnen auf die mediale Berichterstattung verweisen und stehen für den Aufruf, Bilder und damit einhergehende Klischees und Denkmuster zu hinterfragen. Entlang der Wände im Ausstellungsraum steht zusätzlich in großen schwarzen Lettern der deutsche und hebräische Text des jüdischen Volkslieds „Hevenu shalom alechem“ („Wir bringen euch Frieden"), das auf dem hebräischen Gruß „Shalom Alechem" (Friede sei mit euch) basiert.

Schwarzweiße Waldlandschaften mit Tiefenwirkung

Die 1978 in Bregenz geborene und in Dornbirn lebende und arbeitende Künstlerin Michaela Ortner-Moosbrugger hält in ihren Tuschezeichnungen den Wald, magische Orte und vergessene Pflanzen fest und dokumentiert die Fülle der Natur. In einem Spiel aus Licht und Schatten entstehen dadurch großformatige Werke. Sie versteht ihre Zeichnungen respektive schwarzweißen Tuschgemälde „als Ausdruck innerer Welten“, wie sie selber sagt. Die Künstlerin schafft damit Bildräumeäume, die zwischen Natur, Mythos und persönlichem Empfinden oszillieren. Die Künstlerin versteht es, den großformatigen, schwarzweißen Waldszenerien eine Tiefenwirkung zu verleihen, die den Betrachter förmlich ins Bild hineinzuziehen scheint. 
Von Ortner-Moosbrugger sind zudem zwanzig Drucke von poesievoll-zeichnerisch umgesetzten „botanischen Fundstücken“ zu sehen.

Holz und Marmor

Die skulpturalen Werke von Janine Rogen, die „Intermedia“ an der Fachhochschule Dornbirn sowie Holzbildhauerei an der Schule für Holzbildhauerei Brienz in der Schweiz studiert hat, stehen für eine Auseinandersetzung mit Form, Inhalt und Material auf der Basis handwerklicher Techniken und Traditionen. Formal ausgehend von der menschlichen Figur und von alltäglichen Gegenständen wie etwa dem letzten Rest einer Toilettenpapierrolle oder einem Stuhl probt sie den Balanceakt zwischen naturgetreuer Wiedergabe und Abstraktion, zwischen Konkretion und Reduktion sowie haptischer Sinnlichkeit und Nüchternheit. Teils grobe Oberflächenbehandlungen des Materials, wie etwa beim Akt aus Apfelbaumholz, lassen Arbeitsprozesse sichtbar werden. Neben sechs skulpturalen Werken aus zumeist Lindenholz zeigt Rogen auch eine überdimensionale Mundpartie aus Laaser Marmor. Die angedeutete Vernähung der Lippen thematisiert die Diskrepanz zwischen Redefreiheit und Redeverbot.

Das Zuhause als gescheiterte Idee

Die 1993 in Dornbirn geborene und heute in Wien lebende und arbeitende Künstlerin Klara Vith studierte Book Arts am Camberwell College of Arts der University of the Arts London. Ihre Druckgrafiken, textilen Teppichbilder und Installationen referenzieren den Versuch, das Alltägliche in neue bildnerische Aggregatzustände zu verschieben und als solche zu archivieren. In der Villa Claudia zeigt sie sechs geknüpfte Teppiche, die sämtlich markante Szenerien häuslicher Gemütlichkeit zum Inhalt haben, beispielsweise „Alte Kerzen“, „Schmalztopf“, „Schneewittchentorte“, „Burberry“ oder „So warm, so comfortable“. Traditionellerweise verzieren kitschige Knüpfbilder mit Blumen- oder Tiermotiven die Wände spießbürgerlicher Wohnumgebungen. Bei Vith wird das Interieur selber zum Motiv und damit zum ornamentalen Wandschmuck. Ein schwarzer Flachbildschirm, auf dessen Glasfläche die Künstlerin den Spruch „Home is a failed idea“ mit weißer Farbe geschrieben hat, desillionsiert jeglichen Eindruck von Häuslichkeit. Das Spiel zwischen Vertrautheit und Befremdlichkeit taucht immer wieder in Viths Experimenten mit Text, Dinglichkeit und Orten des Alltäglichen in Erscheinung. 

Fünfmalneu – Neuaufnahmen 2024
Gernot Bösch, Heller.Ulmer, Michaela Ortner, Janine Rogen und Klara Vith
KunstVorarlberg, Villa Claudia, Feldkirch
bis 9.11.2025
Fr, Sa 16-18, So 10-12 u. 15-18 Uhr
www.kunstvorarlberg.at

Lesen Sie hier das Interview mit Michaela Ortner-Moosbrugger (erschienen im Juni 2025). 

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