Einmaliges zum 20-Jahre-Jubiläum
Das Concerto Stella Matutina brachte die gigantische Missa Salisburgensis in die Kulturbühne AmBach
Silvia Thurner · Mai 2025 · Musik

Das Barockorchester Concerto Stella Matutina hat in den vergangenen 20 Jahren in Vorarlberg Musikgeschichte geschrieben. Diesen Anlass galt es gebührend zu feiern. Mutig entschieden sich die Programmverantwortlichen für die Aufführung des Monumentalwerkes Missa Salisburgensis von H.I.F. Biber. Die große Besetzung bot eine Gelegenheit, möglichst viele befreundete Musiker:innen und Wegbegleiter:innen einzuladen. Spannend war die Frage, wie das mehrchörig angelegte Werk, das eigentlich für den Salzburger Dom komponiert worden ist, in der Kulturbühne AmBach zur Wirkung kommen würde. Bei Thomas Platzgrummer am Dirigentenpult liefen alle Fäden zusammen, die Eigenverantwortung aller Mitwirkender war riesig und das Wagnis gelang! Die Zuhörenden in der zweimal ausverkauften Kulturbühne dankten und gratulierten mit Standing Ovations.

Bernhard Lampert ist Trompeter, Initiator, Manager und seit der ersten Stunde der Master Mind des Concerto Stella Matutina. Er wünschte sich zum Jubiläum das monumentale Werk, nicht zuletzt auch deshalb, weil darin zehn Trompeten erklingen. Heinrich Ignaz Franz Bibers Messe für 53 Stimmen ist in sechs Gruppen mitsamt zwei Orgeln angelegt: Zwei Chören und vier Orchestergruppen musizierten von verschiedenen Raumpositionen aus. Gespiegelt auf der Hauptbühne waren jeweils zwei achtstimmige Vokalensembles sowie zwei Orchestergruppen mit zwei Orgeln positioniert. Von einer erhöhten Bühne aus, frontal zum Publikum, erklang die Gruppe mit drei Posaunen, zwei Trompeten und zwei Zinken. Jeweils ein Ensemble mit vier Trompeten und Pauken war auf den Seitengalerien postiert. 

Feinsinnige Instrumentierung

Das Concerto Stella Matutia kristallisierte die Vorzüge dieser großen, im Stile der venezianischen Mehrchörigkeit angelegten Komposition aus dem Jahr 1682 vielsagend heraus. Die wunderbar weiche Instrumentierung der hohen Streicher mit lediglich vier Violinen aber acht Bratschen kam voll zur Geltung. Zudem verlieh die Besetzung mit zwei Zinken sowie vier Blockflöten in Sopran-, Alt- und Tenorlage der Messkomposition eine besondere Farbe. So wirkten die von den Blechbläser:innen dominierten Tuttipassagen gigantisch und feierlich. Daneben boten die eher kammermusikalischen und solistischen Abschnitte mit feinen Vokalsoli, Violinsoli sowie die gelenkigen Themen der Blockflöten einen gut strukturierten Ablauf mit ansprechenden Ruheinseln. Die chorische Aufstellung und die spezielle Instrumentierung ermöglichten zudem opulente Steigerungen sowie klangfarbliche Modulationen.
Weniger im Vordergrund stand der Dolby-Surround-Effekt, der selbstverständlich in einem sakralen Raum mehr Wirkkraft hätte. Den Musiker:innen war bewusst, dass die Akustik in der Kulturbühne besondere Anforderungen an sie stellen wird. Ich musste mich im Kyrie zuerst auf die klanglichen Gegebenheiten einstellen, und meinem Höreindruck nach auch die Musiker:innen. Sekundenbruchteile entschieden, ob Paukenschläge voreilig oder exakt positioniert erklangen. Auch die Klangbalance der großen Trompetengruppe im Verhältnis zu den Singstimmen musste sich erst einpendeln.
Als Ganzes erlebt, wurde eine mitreißende Werkdeutung in den Raum gestellt. Klar ausgelotet wirkten die mit vielen kontrapunktischen Echos, Imitationen und mehrstimmig polyphon verflochtenen Stimmen der beiden Chöre. Zwei Passagen hätten ein größerer Raum gutgetan: dem Amen zum Ende des Glorias sowie dem voluminösen Osanna.

Viel Raum für musikalische Feinarbeit

Mit viel Bedacht auf eine markante Phrasierung und die Rhythmik gestalteten die einzelnen Ensembles ihre Parts, sodass sich die Mehrchörigkeit der Komposition hervorragend entfaltete. Im Gloria wurden zahlreiche Abschnitte besonders farbenreich ausgedeutet. Aufhorchen ließen die solistisch vorgetragenen Melismen sowie die Betonung der Textpassage „in terra pax“ und die nachfolgende Steigerung zum „laudamus te“. Hervorragend gelangen auch die dialogischen Passagen zwischen den Solostimmen und der Violine, unterstützt von einem feinen Basso Continuo und einer ausgeglichenen Balance im Tutti. 
Wie transparent die Musiker:innen ihre Linien führten, kristallisierte sich in der Textpassage „cum sancto spiritu“ eindrucksvoll heraus. Die plakativen Tonwiederholungen und die großen Gesten untermauerten auch musikalisch die Standfestigkeit des Credos. In Erinnerung blieb überdies das schöne Ineinanderfließen der kontrapunktisch verflochtenen Stimmen, die im „Resurrexit“ einen guten Drive entwickelten. Die Passage „in spiritum sanctum“ nahm mit den Blockflöten im Klangvordergrund und den Melismen des Soprans einen lichten Charakter an. Naturgemäß demonstrativ und breit, mit markanten Durchgängen in den Posaunen, erklang die Passage „Et in unam, sanctam, catholicam“. 
Das Sanctus loteten die zwei Chöre im Wechsel der Singstimmen und in Kommunikation mit den Trompeten wirkungsvoll aus. Von unten her gut gestützt erklang auch das Benedictus. Die stets auf den Text bezogene Linienführungen formte das Concerto Stella Matutina im Agnus Dei mit der nach unten sinkenden Melodielinie klar aus und brachte sodann die spektakuläre Missa Salisburgensis würdevoll zum Abschluss. 

Feierliche Einstimmung auf die Aufführung der Missa

Die Musiker:innen des Concerto Stella Matutina leiteten das Jubiläumskonzert gebührend mit einer Fanfare von Cesare Bendinelli ein. Einen festlichen Glanz verströmte die Sonata Ittalica á12 von Pavel Josef Vejvanovnsky. Palestrinas Polyphonie gestalteten die Chorsänger:innen effektvoll. Beeindruckend kamen die Vorzüge des Orchesters in Henricus Aloysius Brückners Sonata Solennes à 20 zur Geltung. Hier wirkten die Instrumentengruppen wie personalisiert, alle gemeinsam bildeten die Gegensätze zwischen den Soli- und Tuttipassagen markant aus. Nah- und Fernverhältnisse bildeten spannend wechselnde Hörperspektiven aus.
Thomas Platzgummer dirigierte das Orchester mit klaren und großen Gesten und verlieh damit der opulenten Pracht aller Werke einen kraftvollen Duktus. Das Publikum ließ sich von der Begeisterung der Orchestermusiker:innen mitreißen und feierte das Orchesterjubiläum in freudvoller Atmosphäre mit. 

Herzliche Gratulation

Auf die kommenden Jahrzehnte mit dem CSM dürfen wir uns freuen. Wir Musikbegeisterten in Vorarlberg haben ein großes Glück. Herzliche Gratulation und ein großer Dank an die unkonventionellen Orchestermusiker:innen.

https://www.stellamatutina.at

Radiotipp
Das Konzert zum Nachhören:
Montag, 16.6. sowie Montag, 23.6.2025, jeweils um 21:03 auf Radio Vorarlberg

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