Dornbirn Klassik – unbeschwerte Lebensfreude, Licht und Schatten
Das Konzert mit Avi Avital, dem Orchestra della Svizzera Italiana und Markus Poschner war ein erbauliches Erlebnis
Silvia Thurner · Mai 2023 · Musik

Lange mussten sich Fans des Mandolinisten Avi Avital gedulden, um den international viel gefeierten Musiker in Dornbirn erleben zu können. Doch nun war es so weit und die diesjährige Saison von Dornbirn Klassik im Kulturhaus ging mit Jubel und Begeisterung zu Ende. Nicht nur der sympathische Solist, sondern auch das Orchestra della Svizzera italiana unter der Leitung von Markus Poschner bescherte den Konzertbesucher:innen Hörerlebnisse, die noch lange in Erinnerung bleiben werden. Die Werkauswahl und die Interpretationen beinhalteten mit Vivaldi viel Musizierfreude, mit Giovanni Sollima eine inspirierende Komposition unserer Zeit und mit Beethovens Fünfter einen Klassiker, der neue Hörperspektiven eröffnete.

Avi Avital ist seit einigen Jahren in vieler Munde bei Musikbegeisterten, weil er der Mandoline, die bisher fast ausschließlich als Volksmusikinstrument gesehen und gespielt wurde, zu großer Beachtung verholfen hat. Unter anderem beauftragte der israelische Musiker zahlreiche Komponist:innen, um das Repertoire für dieses Instrument zu vergrößern. Auch der italienische Cellist und Komponist Giovanni Sollima schrieb dem geistreichen und virtuosen Musiker ein Konzert für Mandoline und Orchester auf den Leib. Genau dieses Werk stellten Avi Avital und das Orchestra della Svizzera italiana in den Mittelpunkt ihres Gastspiels im Dornbirner Kulturhaus, das in Kooperation mit dem Internationalen Bodenseefestival 2023 über die Bühne ging.

Viel Abwechslung mit Sollima und Vivaldi

In mehreren Episoden traten der Solist an der Mandoline und das groß besetzte Orchester im 2019 entstandenen Mandolinenkonzert in einen abwechslungsreichen Dialog. Zuerst stellte Avi Avital über einem fein gewobenen Klanggrund eine arabisch anmutende Melodie vor, die viel Weite implizierte. Daraus herausführend entwickelte sich eine irrwitzig gesteigerte rhythmisierte Passage, die ganz besondere Klangeffekte aus dem kleinen Instrument hervorbrachte. Besonders die Anknüpfungspunkte zwischen dem Soloinstrument und den Orchesterpassagen erklangen hervorragend ausgeformt. Weitere Ideen mit perkussiven Passagen im Orchester und vokale Einschübe führten den musikalischen Fluss schließlich in einem sehr weit gefassten Bogen wieder zurück zur Ursprungsmelodie.
Mit Vivaldis Mandolinenkonzert in D-Dur (RV 93) zog Avi Avital das Publikum sofort in seinen Bann, denn die sympathische Ausstrahlung des Musikers und der besondere Reiz dieser unbeschwerten Musik verströmten sofort eine gute Laune. Aufhorchen ließ auch das klangliche Zusammenwirken zwischen der mit Plektrum gespielten Mandoline, der gezupften Anschlagsdynamik des Cembalos und dem akzentuierten Spiel der Streicher, das der Musik eine wirkungsvolle Prägnanz verlieh.
Als gelungene Überraschung musizierte Avi Avital zusammen mit einem Kollegen aus den Reihen des Orchesters einen Satz aus Vivaldis Konzert für zwei Mandolinen und Orchester.

Beethovens Fünfte aus einer anderen Perspektive

Wer beim Blick ins Konzertprogramm schon etwas überdrüssig vernahm, dass wieder die vielgespielte fünfte Symphonie von Ludwig van Beethoven gegeben wird, wurde eines Besseren belehrt. Markus Poschner und das Orchestra della Svizzera italiana stellten eine Werkdeutung in den Raum, die vom ersten bis zum letzten Ton fesselte und zahlreiche Passagen neu erlebbar machte. In allen Sätzen wurden innerhalb der Motiv- und Themengestalten insbesondere Intervallkonstellationen betont und auf diese Weise der Blickwinkel mehr von der melodischen auf die harmonischen Beziehungsgeflechte gelegt. Die eher zügigen Tempi ließen überdies Verbindungslinien erkennen, wie sie in dieser Art nicht alle Tage zu hören sind.
Markus Poschner führte das Orchester mit sparsamer, klarer und bewundernswert ausdrucksstarker Gestik. So wirkte Beethovens ohnehin imposante Fünfte wie mit ungewöhnlichen, neuen Lebensgeistern gefüllt.

Tipp

Avi Avital ist „Artist in Residence“ beim diesjährigen Bodenseefestival und dort bis Ende Mai in verschiedenen Settings zu erleben.

www.bodenseefestival.de

 

 

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