Trautes Heim, Glück allein
Uraufführung des Stückes „Die Erwachsenen" von Irene Diwiak
Annette Raschner · Jän 2024 · Theater

Das Theater Kosmos hat die neue Spielsaison mit einer Kosmodrom-Uraufführung eröffnet. In der Regie von Sabine Lorenz feierte das Dreipersonenstück „Die Erwachsenen“ der jungen österreichischen Autorin Irene Diwiak Premiere. Es hatte den zweiten Platz des Ingo & Ingeborg Springenschmid-Preises gewonnen, der 2022 vom Theater Kosmos zum ersten Mal ausgeschrieben worden war.

Zehn Jahre haben sich die Geschwister Swintha und Thore nicht gesehen. Aus gutem Grund: Mit ihrer schwierigen Familiengeschichte sind sie jeweils ganz unterschiedlich umgegangen. Der Unternehmer und Gemeindepolitiker Thore hat es sich mit seiner Frau Theresa beschaulich eingerichtet. Swintha hingegen hat sich von der Familie völlig losgesagt und lebt als Künstlerin und Single; ihr Lover Hasan ist Türke und Kommunist. „Ich habe nichts gegen Türken“, sagt Thore, der als Gemeindepolitiker einen großen Erfolg eingefahren hat, weil er den Bau eines Flüchtlingsheimes verhinderte. „Bei mir in der Firma arbeiten eine Menge Türken. Hochanständige Leute sind das. Die haben noch Familiensinn. Ein Gefühl für Ehre.“ – „Und Ehrenmorde", ergänzt Swintha. 

Blinde Flecken

Die ersten Höflichkeitsfloskeln sind ausgetauscht, bald geht es ans Eingemachte. Swintha ist wegen Friedo gekommen, dem kleinen Bruder der beiden, der vor über zwanzig Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen sein soll. Als Bildhauerin möchte sie ihm, der anonym bestattet worden war, ein Denkmal errichten. Mit Thore will sie sich die Kosten teilen, doch der winkt ab. Seine Frau Theresa ist erschüttert, sie hat von Friedo noch nie etwas gehört. „Aber er war doch Familie“, sagt sie, die in einem Heim aufgewachsen ist, zu ihrem Mann. Seine Antwort lautet: „Halt deinen verdammten Mund!“

Blick auf die „Neue Rechte“

Autorin Irene Diwiak, deren Romandebüt „Liebwies“ auf der Shortlist für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises stand, hat sich für „Die Erwachsenen“ von dem Buch „Ein deutsches Mädchen: Mein Leben in einer Neonazifamilie“ der Aussteigerin Heidi Benneckenstein inspirieren lassen und wirft die Frage auf, ob man seine Kindheit ablegen kann. Swinthas und Thores Eltern waren Nazis, sie selbst sind in rechtsextremen Camps indoktriniert worden. Doch während Swintha darüber sprechen möchte, winkt Thore ab: „Die Leute in unserem Dorf sind doch alle Spinner.“ 

Regiedebüt im Theater Kosmos

Sabine Lorenz hat als Schauspielerin in vielen Produktionen des Theater Kosmos mitgewirkt und nun die Möglichkeit erhalten, ein Kammerspiel zu inszenieren. Das Kosmodrom ist bekanntlich eine wunderbare Plattform, um sich auszuprobieren und zu experimentieren. Sprachlich hat Lorenz mit den drei Schauspieler:innen Katharina Dalichau, Caroline M. Hochfelner und Boris Schumm präzise und fein gearbeitet, was allerdings den Mangel an packenden Bildern oder überraschenden Regieideen nicht kompensieren kann. Zudem ist die Stückvorlage mit den allzu vielen Gruselingredienzien (Sexismus, häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch, Alkoholismus, Rechtsextremismus ...) eine schwer zu bewältigende Steilvorlage, die im Foyer des Theater Kosmos, das normalerweise die Bühne für die Kosmodrom-Reihe ist, um einiges besser aufgehoben gewesen wäre, als im großen Saal.

Kosmodrom: „Die Erwachsenen" von Irene Diwiak, UA
weitere Vorstellungen: 19./20./24./25./26.1. jeweils 20 Uhr
Theater Kosmos, Bregenz
www.theaterkosmos.at

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