Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 01. Jul 2017 · Theater

Theater Karussell zeigt im Stück „Die Päpstin“ Macht und Gier der katholischen Kirche

Regisseur Nikolaus Büchel hatte das Stück ausgesucht. Er fand es passend für das Land Liechtenstein. Wie recht er damit hatte, zeigte seine Inszenierung auf Burg Gutenberg. Die Premiere fiel zwar im wahrsten Sinn des Wortes ins Wasser und auch die zweite Vorstellung konnte nicht zu Ende gespielt werden. Als Mönch verkleidet, war Johanna eben zur Päpstin ernannt worden, da öffnete der Himmel seine Schleusen, als wolle er alle dafür bestrafen. Das Ende konnte das Publikum nicht miterleben, trotzdem blieb der Eindruck eines intensiven Theaterabends.

Das Schauspiel von Susanne F. Wolf nach dem Roman von Donna Woodfolk Cross ist im 9. Jahrhundert angesiedelt. Historisch waren an diesem Abend aber nur das Ambiente im Innenhof der Burg Gutenberg und die exzellenten Kostüme von Kerstin Köck. Die Geschichte selbst hatte Regisseur Nikolaus Büchel mit einem spielfreudigen und homogenen Ensemble ins Heute gesetzt. Es ging um Macht, sowohl in der Kirche als auch in der Politik. Dafür wurden Intrigen gesponnen und Geldbeutel getauscht. Wer Papst wurde, hatte die Macht. Wer König war, auch. Wer Mann ist, sowieso. Eine Frau war in dieser Gesellschaft kaum weniger wert als ein Tier, denn „durch das Weib kam die Sünde in die Welt und durch sie bleibt sie erhalten.“ Erschreckend wurde an diesem Abend beim Zuhören und Zuschauen bewusst, dass Frauenverachtung auch heute noch ein Thema ist, auch wenn sie sich in unseren Breitengraden anders manifestiert, beispielsweise in den Gehältern. In anderen Kulturen sind Frauen nach wie vor nichts wert. All dies wird an diesem Theaterabend bewusst gemacht.

Ein homogenes Ensemble   

Willkommen war es nicht in dieser Welt, das Mädchen Johanna. Und doch geht es trotz aller Widrigkeiten seinen Weg, da mochte der Vater es noch so sehr verprügeln und der Mönch Odo ihm die Finger wundschlagen. Johanna war bei der Kinderschauspielerin Tuana Türkyilmaz ein Mädchen voller Anmut und Schüchternheit, aber auch mit einer Ahnung um die eigene Bedeutung. Unbeschwert spielte sie mit ihren Brüdern Johannes (Ben Seger, später Felix Kieber) und Matthias (Nicolas Biedermann) und übergab ihre Rolle schließlich auf der Bühne an Susanna Hasenbach, die nun als Heranwachsende den Hitzkopf ebenso glaubhaft darstellte wie die Träumende, Nachdenkliche und Wissbegierige. Hasenbach war mit jeder Faser ihrer Herzens eine starke Johanna, die sich nicht in eine Frauenrolle hineinzwängen ließ, die ein frei bestimmtes Leben für sich forderte. Dabei wirkte sie zugleich schutzbedürftig und aufsässig.

Absurde Entscheidungen der Kirche

Das Publikum hätte beide Johannas gerne vor den Schlägen des rabiaten Vaters beschützt, den Thomas Hassler als gottesfürchtigen Dorfpriester darstellte. Zum Schluss war er der größte Verlierer von allen. Seine Gattin zeigte Heidi Salmhofer als wehrlose und tief gedemütigte Frau, die Trost bei ihren alten germanischen Göttern findet. Zartheit brachte Nicolas Biedermann als Matthias und als Markgraf Gerold ins Spiel, da wurde begreiflich, warum sich die sensible Johanna in Gerold verliebt. Dodo Büchel machte als verzweifelte Hebamme die Absurdität der Entscheidungen der Kirche deutlich. Als Hexe gebrandmarkt, wurde sie ertränkt. Als sie dann tatsächlich im Wasser unterging und nicht – wie von der Kirche behauptet - als Satansweib oben schwamm, rief die Obrigkeit: „Gelobt sei der Herr, sie ist in Unschuld gestorben“. Über diese Absurdität musste auch das Publikum kurz lachen.

Susanna Hasenbach trug Stück und Geschichte

Die Geschichte der Johanna aber ging weiter, sie überlebte einen Überfall, verkleidete sich daraufhin als Mann, trat in ein Kloster ein und wurde dort zur Heilkundigen ausgebildet. Erstaunlich zerbrechlich wirkte Susanna Hasenbach in ihrer Kutte und ihrer Tonsur-Friseur, dafür kam ihre Willenskraft umso stärker zum Tragen. So meinte sie mitten in der Runde der Würdenträger: „Ich sehe sie nicht, die Liebe Gottes, hier herrschen Furcht und Gewalt“. Hasenbach blieb auch als Päpstin eine fragile Figur mit großer innerer Stärke. Sie trug dieses Stück und wurde dabei von allen Darstellerinnen und Darstellern hervorragend unterstützt, vor allem auch von ihren „Gegnerrollen“ wie Stefan Bösch als machthungrigen Anastasius, Wolfgang Rainer als gichtgeplagten Papst Sergius oder Gerd Schneider als hasserfüllten Odo.  

Nuancierte Regie von Nikolaus Büchel 

Die Regie von Nikolaus Büchel war bis in kleinste Nuancen ausgefeilt. Die über 20 Akteure waren fast immer auf der Bühne anwesend und repräsentierten so das Volk, das die Entscheidungen der Obrigkeit mittrug. Zwei Tische und einige Stühle reichten als Bühnenbild, der Rest wurde vom Innenhof der Burg Gutenberg beigesteuert – eine ideale Kulisse für dieses Stück. Nahezu versteckt sorgten Vanessa Klöpping, Vincenza Messina und Alexander Walser für eine stimmige Live-Musik. Ein dichter, spannender und zum Denken anregender Theaterabend.

 

Weitere Aufführungen:  
Sonntag, 2. Juli, Donnerstag, 6. Juli, Freitag, 7. Juli, Samstag, 8. Juli, Sonntag, 9. Juli
jeweils 20.15, an Sonntagen 19.15 Uhr
Burg Gutenberg, Balzers