„Faust" im TAK: die schwankenden Gestalten von Beck & Biedermann Anita Grüneis · Okt 2022 · Theater

Mit einem nicht enden wollenden Applaus, Jubel und Bravorufen bedankte sich das Publikum im nahezu ausverkauften TAK für die Premiere von Beck & Biedermann. Die zwei Schauspieler hatten sich Goethes „Faust" vorgenommen und sich dabei vor allem für die  Unterschiedlichkeit der beiden Hauptfiguren Faust und Mephisto interessiert. Schließlich sind Thomas Beck und Nicolas Biedermann in ihren Ausdrucksweisen ähnlich different – auch wenn alles nur Spiel ist.

Die Bühne lag im Halbdunkel, auf ihr fünf frei stehende weiße Türen. Und schon nahten sich die beiden aus dem Zuschauerraum, stellten sich vor die Bühne und zitierten die Zueignung aus „Faust“, der Tragödie ersten Teil. Goethe sprach darin seine Figuren an, schwankende Gestalten, die aus Dunst und Nebel aufsteigen und ihm Bilder froher Tage bringen, ähnlich einer „alten halbverklungenen Sage“. Der Dichter erinnert sich an die „erste Liebe und Freundschaft", aber auch an den damit verbundenen Schmerz. Das Leben sei „ein labyrinthisch irrer Lauf". Dass Beck&Biedermann ihre Faust-Inszenierung damit begannen, hat seinen Grund. Sie wollten ja nicht wirklich die Tragödie auf die Bühne bringen, sondern ihre eigene Version davon.

Die Sonne tönte nach alter Weise

Und so folgte nach den ernsten Worten ein „Pas de Deux“ der beiden, die zur Musik der „Barcarole“ aus „Hoffmanns Erzählungen“ durch die Türen auf- und abtraten, resp. -tanzten. Eine wunderschöne Szene, zudem perfekt beleuchtet. Dann der Prolog im Himmel – wozu sich die beiden Darsteller je einen Haarreif-Heiligenschein übers Haupt zauberten und mit goldenen Papier-Leiern als Erzengel aus den Türen traten. Nachdem die Sonne „nach alter Weise“ getönt hatte, vergaß Beck seinen Text, was Biedermann auf die Palme brachte und er beschloss als Regisseur des Abends, das Ganze nochmals von vorne zu beginnen – schließlich müsse das Publikum nun emotional wieder neu einsteigen.

Mephisto und der Herr Gott

So begannen die zwei erneut, kürzten aber zur Gaudi des Publikums Text und Inhalt mächtig ab und endlich hatte Biedermann als Mephisto seinen ersten großen Auftritt – mit blinkenden roten Teufelshörnern und einem roten Dreizack trat er aus einer der Türen, die nun alle satt rot beleuchtet waren – und zitierte wortgetreu: „Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst, Und fragst wie alles sich bey uns befinde.“ Und schon erscheint über der nächsten Türe der Herr Gott – schneeweiß die Lockenpracht und die Bartmähne von Thomas Beck! Da der Pakt nun geschlossen war, diskutierten die beiden Schauspieler, was im Faust noch so alles passiert und welche Personen sterben. Die Toten sollte alle von Biedermann gespielt werden, daraufhin probten sie einen Krimi, bei dem alle Genannten zu Tode kamen und sie sich heftig zerstritten. Biedermann warf hin und Beck freute sich zunächst, die Bühne für sich allein zu haben: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Pantomimisch unternahm er diverse Selbstmordversuche, ob Hängen, Erstechen oder Duellieren – das Publikum hatte seine helle Freude daran.

Bald aber erkannte er, dass er den „Faust“ nicht alleine stemmen kann, zum Glück kam Biedermann zurück und übernahm die Rolle des Mephisto, den „Teil von jener Kraft, der stets das Böse will und stets das Gute schafft. [...] So sei denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Beck hörte ihm so fasziniert zu, dass er nach den letzten Worten nur eines sagen konnte: „Geil!“ Er fand die Rolle sogar so toll, dass er Mephisto nun unbedingt selbst spielen wollte.

Ein großer Spaß

Damit begann der große Zank der beiden Darsteller, die sich in der Folge weit von ihrer Idee, den „Faust“ auf die Bühne zu bringen entfernten, sich in verbalen Zweikämpfen verloren und damit leider auch ein wenig den roten Faden, der am Anfang als Klammer und als Leitfaden für das Publikum diente. Mehrmals kamen noch die Türen zum Einsatz, aber nie mehr so stimmig wie zu Beginn. Trotzdem: Es war ein großer Spaß, die beiden Schauspieler sind als Paar ein Knüller, gerade weil sie so unterschiedlich sind. Bei diesem „Faust“ kam zudem jeder auf seine Rechnung: Nicolas Biedermann durfte stilecht einen Klassiker rezitieren und Thomas Beck konnte auf Teufel komm raus slapsticken.

Zum Schluss sangen die beiden den Schlager „Der Teufel und der junge Mann“ aus den 80er Jahren von Paola, in dem es heißt: „Es ist kein Feuer, aber es brennt [...] Es ist etwas, was der Teufel nicht kennt, etwas, das man Liebe nennt.“ Und so saßen sie zum Schluss friedlich vereint nebeneinander und warteten .... Worauf? Auf Godot? Oder darauf, dass das Publikum endlich applaudierte – was es auch mächtig tat. Schließlich hatte es sich einen Abend lang prächtig amüsiert. 

Beck&Biedermann

Thomas Beck absolvierte die Scuola Dimitri in Verscio/Tessin und war unter anderem mehrere Jahre im Toihaus Theater Salzburg Ensemblemitglied und Mitbegründer der freien Gruppe ohnetitel – Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte. Nicolas Biedermann absolvierte seine Schauspielausbildung an der Münchner Film Akademie, wirkte in mehreren Filmprojekten mit und gründete die Gruppe Flotter3er, mit der Idee, Film und Theater zu verbinden. 2013 feierten die zwei Liechtensteiner im Schlösslekeller Vaduz ihre erste gemeinsame Slapstick-Komödie „Zum Ausgang bitte“. Seitdem arbeiten sie regelmäßig zusammen und produzieren vorwiegend eigene Kreationen.

 

Beck & Biedermann: "Faust"
weitere Vorstellungen: 22./25.10., 20.09 Uhr,
TAK, Schaan
www.tak.li

 

 

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