The True Harry Nulz: „Fur Fish Banana“ Peter Füssl · Nov 2023 · CD-Tipp

Das österreichische Trio Edi Nulz – bestehend aus Gitarrist Julian Pajzs, Bassklarinettist Siegmar Becher und Drummer Valentin Schuster – und das Schweizer Quartett The Great Harry Hillman mit David Koch an der Gitarre, Nils Fischer an der Bassklarinette, Samuel Huwyler am E-Bass und Dominik Mahnig an den Drums weisen einige Gemeinsamkeiten auf: Am augenfälligsten vielleicht, dass es weder einen Edi Nulz noch einen Harry Hillman gibt. Dann die konsequente Vereitelung jeglicher Kategorisierungsversuche: Post-Jazz? Post-Rock? Post-Punk? Post-Post?

Jedenfalls geht die Post ab, wenn die zum flotten Siebener fusionierten Austro-Eidgenossen mit nunmehr gebündeltem, kreativem Spielwitz lustvoll alle Genregrenzen sprengen und noch dazu die unzähligen zusätzlichen Möglichkeiten, die sich aus der Doppelung von Bassklarinette, Gitarre und Schlagzeug ergeben, immer wieder zu schrägen Höhepunkten führen. Stücke wie „Strengen denkt an“, „Er ist tot, Jim“ oder „... und das Geheimnis der Achtelnoten“ verblüffen mit überraschenden Twists und Turns, waghalsigen Breaks und exzentrischen Improvisationen. Manche Stücke sind mit Ideen gespickt, die allein schon für ein ganzes Album reichen würden, und oft ist es auch der Kontrast zwischen aufeinanderfolgenden Stücken, der den besonderen Reiz ausmacht. Auf einen atmosphärisch dichten Song wie „Wolkenkatzen“ mit seinem geheimnisvoll aufgeladenen, irgendwie verstörend wirkenden Laid-Back-Feeling, das durchaus eine geeignete Soundcollage für einen David Lynch-Film abgäbe, folgt etwa „Dark Dog Day“, das mit einem eigenwilligen, avantgardistische Spieltechniken auslotenden Bassklarinetten-Dialog startet, zu dem sich dann Bass, Gitarren und Drums gesellen, um schießlich das musikalische Geschehen in einer stampfenden, Noise-verliebten Post-Rock-Orgie gipfeln zu lassen, die immer wieder durch ein von Störgeräuschen unterlegtes Bassklarinetten-Quäken unterbrochen wird. Wie da zwischen Brachialem und gediegener Feinarbeit, zwischen Exzess und akustischem Balsam in Kurzzeit-Ruhezonen hin- und hergesprungen wird, wie Stücke druckvoll voranpreschen, explodieren und wieder kunstvoll zerbröseln können, das wirkt in seiner stets irgendwie lässigen, imperfekten Perfektion schlicht umwerfend. Was da in der Beschreibung vielleicht komplex klingen mag, wird schmackhaft serviert und bereitet Nicht-Puristen mit offenen Ohren aus allen musikalischen Lagern höchstes Vergnügen. Und wenn man das Glück hatte, The True Harry Nulz auch einmal live erlebt zu haben – etwa bei Alfred Vogels allsommerlichen Bezau Beatz, auf dessen Boomslang Records nun auch das passend zum kreativen Irrsinn eigenwillig mit „Fur Fish Banana“ benamste Album erschienen ist – eröffnen einem die hervorragend aufgenommenen Titel auch noch höchst reizvolle visuelle Erinnerungen. Aber das ist ein besonderer Bonus, nicht die Voraussetzung für den Hörgenuss.

(Boomslang Records)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Dez'23/Jän'24 erschienen.

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