The Fabelmans Gunnar Landsgesell · Mär 2023 · Film

Steven Spielberg ist ein Regisseur, bei dem es oft schwerfällt, etwas Persönliches hinter der Inszenierung auszumachen. Von diesem leicht distanzierten Blick ist auch seine eigene, hier erzählte Familiengeschichte geprägt. Dennoch interessant – „The Fabelmans" erzählt fast mehr vom Verhältnis Spielbergs zum Film als zu seiner eigenen Familie.

Ein Bub (der kleine Steven), der zum ersten Mal mit den Eltern ins Kino gehen darf. Der Vater (Paul Dano) erklärt ihm zuvor, was Kino bedeutet. Überlebensgroß. Attraktion. Nicht real. Die Mutter (Michelle Williams) wirft einen liebevollen Blick auf ihn. Im Kinosaal ist der kleine Junge gepackt, der Filmtitel „The Greatest Show on Earth“ wird in diesem Moment zum Programm. Das könnte auch heute noch die Botschaft Spielbergs an sein Publikum sein. Das Kino erweist sich bei Spielberg aber nicht unbedingt als Medium, durch das die Welt anders – im Sinn von kritisch – gesehen werden kann. Sondern als Schauraum, in dem man etwas mit dem Publikum anstellen kann. Es in Spannung versetzen, Emotionen und Erstaunen schaffen, die klassischen Formen der Manipulation.
„The Fabelmans“ überrascht als Verfilmung der eigenen Familiengeschichte insofern, als Spielberg ein Regisseur ist, dessen Person sich selten hinter seinen Filmen ausmachen lässt. Zwar gab es in seinen frühen beiden Filmen „Duel“ und „Sugarland Express“ ausgiebige Verfolgungsjagden, aber es ging dabei nicht um ein Faible für Autokultur. Der kleine Außerirdische in „E.T.“ berührte durch seine Einsamkeit, weil er nicht aus dieser Welt, fern der Heimat war. Später überraschte Spielberg als Chronist historischer, nationaler Stoffe wie „Amistad“ und „Lincoln“, die Zuwendung zur jüdischen Geschichte mit „Schindlers Liste“ und der Gründung der „Shoah Foundation“ waren konsequente weitere Schritte. Mit „The Fabelmans“, der nur wenige Jahre nach dem Tod seiner Eltern entstand, öffnet sich Spielberg nun dem Publikum mit einer Anthologie seiner Jugendjahre. Eigentlich wäre es nichts weiter als eine freundlich erzählte Familiengeschichte, wäre es nicht die eines der erfolgreichsten Hollywood-Regisseure. Und trotz vieler persönlicher, „ehrlicher“ Momente von Verletzung, Verstörung, sowie Passion fühlt sich auch dieser Film seltsam gefiltert, wie aus einer schützenden Distanz erzählt, an. Eigentlich hat sich Spielberg wie ein kleiner „Mann mit der Kamera“ (Dziga Vertov) inszeniert, der die Welt am liebsten durch die Kamera und ihre formalen Möglichkeiten sieht.

Das Kino als Kontakt zur Außenwelt

„The Fabelmans“ erzählt die Geschichte einer durchschnittlichen amerikanischen Mittelstandsfamilie, die nur durch ihre jüdische Herkunft ein bisschen anders ist. Zu Weihnachten, moniert der kleine Steven, erstrahle ihr Haus nicht so wie das anderer Familien durch bunte Lichterketten. Das Gefühl von Außenseitertum schimmert schon nach wenigen Minuten durch. Aufgrund der Arbeit des Vaters, eines Computerspezialisten, zieht man nach Arizona: Camping, Wälder und das beschauliche Leben der Provinz werden als die glücklichste Zeit skizziert. Der kleine Steven, der im Film Sammy (Gabriel LaBelle) heißt, hat bereits eine Kamera und lebt – vom Vater dafür getadelt – für das Filmen. Er inszeniert als Jugendlicher Actionszenen aus Western und dem Zweiten Weltkrieg und erhält viel Lob für die ausgetüftelten Special Effects. Erste Irritationen im Familienleben zeichnen sich ab. Eine Affäre der Mutter mit dem engsten Arbeitskollegen des Vaters führen dazu, dass sich Sammy über Wochen mit seiner Mutter überwirft. Bezeichnend: Bemerkt hat Sammy das nicht in der Realität, sondern beim Schneiden seiner Amateur-Familienfilme. Und ebenso bezeichnend: Sammy teilt das seiner Mutter wortlos mit: er zeigt ihr das Beweismaterial im Wandschrank im Rahmen einer „Kinovorstellung“. Mit einem neuerlichen Umzug nach Kalifornien werden die familiären Brüche zwischen den Eltern deutlicher, auch das Verhältnis zu seinen drei Schwestern leidet. Erfahrungen von Antisemitismus ziehen ein: Zwei Bullys an der High School mobben ihn, das Gefühl, nicht ganz Teil der Gesellschaft zu sein, oder zumindest dort nicht den richtigen Platz gefunden zu haben, wiederholt sich. Dieses Gefühl wird übrigens im liebevollen Bild seiner Mutter verdoppelt, die auf wunderbare Weise von Michelle Williams als verblasene Träumerin dargestellt wird. Eine nächtliche Tanzeinlage beim Campen im Gegenlicht der Autolichter macht Spielberg zu einem geheimen Höhepunkt des Films. Die Auflösung für (fast) alle Probleme, das legt „The Fabelmans“ nahe, scheint im Verhältnis von Spielberg zur Kamera zu liegen. Durch ihren Blick lässt sich einiges emotional ventilieren oder die Welt sogar korrigieren: In einem Film über eine Beach Party seiner Klasse lässt er einen der beiden antisemitischen Bullys als Sunnyboy erscheinen. Das bringt den erwünschten Effekt. Deutlicher könnte Spielberg nicht von der manipulativen Kraft von Bildern erzählen, und wie man sie einsetzen kann. Insofern ist auch „The Fabelmans“ interessant. Es ist ein Film über das Verhältnis zu seiner Familie, aber eigentlich mehr noch über das zu seiner Passion: Film.

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