Spielwiese der Farben und Emotionen
Das Symphonieorchester Vorarlberg widmete sein 5. Abo-Konzert ganz dem Impressionismus.
Fritz Jurmann ·
Apr 2025 · Musik
Fünf meist kürzere Einzelstücke von drei verschiedenen Komponist:innen als Programm des 5. Abo-Konzertes beim SOV in Feldkirch und Bregenz – konnte das einen ganzen Abend tragen, ihm ein durchgängiges Fundament statt eines Fleckerlteppichs bieten? Es konnte, weil nämlich diese Werke fast durchwegs um die Jahrhundertwende von 1900 und in Frankreich entstanden sind und sich somit der damals gängige Impressionismus wie ein riesiger Sonnenschirm als großer inhaltlicher Bogen über diesen Abend spannte. Und damit auch dem bestens disponierten Orchester eine Spielwiese eröffnet, auf der es die besondere Klanglichkeit, den Farbreichtum und die ausgeprägten Emotionen dieser Stilrichtung wie selten einmal zuvor in seiner ganzen Ausschließlichkeit wunderbar zu entfalten wusste.
Dass dabei in den Titeln dieser Werke drei Tageszeiten und eine Jahreszeit aufschienen, war eine zusätzliche inhaltliche Klammer, freilich von eher plakativer Bedeutung ohne Belang. Denn die einzelnen Stücke hatten so viel an künstlerischem Gehalt und vielfältigem Einfallsreichtum zu bieten, dass sie weit über einen vertonten Tagesablauf oder eine in Musik gesetzte Saison hinaus rangierten. Dazu stand mit dem erst 32-jährigen drahtigen italienischen Dirigenten Giuseppe Mengoli erstmals ein junger Maestro am SOV-Pult, den man hier als Einspringer bei einem Festspielkonzert der Wiener Symphoniker im vergangenen Sommer noch in bester Erinnerung hatte.
Erinnerungen an Benjamin Lack
Der bereits mit internationalen Preisen ausgezeichnete Mengoli erinnert in seiner forschen, impulsiven Art an den Dirigenten Benjamin Lack, der 2023 einen Teil seines intensiven Arbeitsvolumens im Land bedauernswerter Weise an die Musikuniversität nach Graz verlagert hat. Nicht nur in seiner äußeren Erscheinung, sondern auch in seinem Auftreten, der klaren, raumgreifenden Art seines Dirigates glaubt man eine verjüngte Reinkarnation des hier viel geliebten Benni Lack vor sich zu haben – und das ist als dickes Kompliment zu verstehen. Das Orchester jedenfalls scheint sich bestens mit ihm zu arrangieren, so dürfte einer Wiederverpflichtung Mengolis nicht mehr viel im Wege stehen.
Bei diesem SOV-Konzert aber gilt die Aufmerksamkeit des Publikums am Sonntag im Bregenzer Festspielhaus im ersten Programmteil vor allem der Solistin des Abends, der auf der Krim geborenen Wahl-Hamburger Saxophonistin Asya Fateyeva, die ihr auch bei uns viel zu wenig beachtetes Instrument mit neuem Leben und Ausdruck erfüllt. Eine junge Frau, die im langen Schwarzen mit ihrem Es-Alt-Saxophon locker lächelnd die Bühne wie auf einem Spaziergang betritt und die auch kein Notenpult für den oft halsbrecherischen Part im 15-minütigen Saxophonkonzert des Russen Alexander Glasunow benötigt. Das Werk ist im Pariser Exil des Komponisten entstanden und gliedert sich dadurch in seiner Klangsprache ideal ins übrige französische Repertoire ein.
Sangliche Süße
Fateyeva verfügt über einen wunderbar weichen, bei Bedarf auch aggressiven kantigen Ton durch alle Lagen, verzichtet auf allzu viel weinerliches Vibrato, wie es diesem Instrument gerne anhaftet, verströmt dafür die sangliche Süße der russischen Melodien durch die französische Brille und besitzt auch eine Geläufigkeit, die sie als absolute Meisterin in der Beherrschung des Saxophons ausweist. Für das begeisterte Publikum hat sie auch noch die passende Zugabe samt Orchester parat, das Saxophon-Stück par excellence, den Kopfsatz aus der „Scaramouche“-Suite von Darius Milhaud.
Einen wichtigen Platz in diesem Programm nimmt auch die frühvollendete, bereits mit 28 Jahren verstorbene Französin Lili Boulanger ein, deren zart schwebendes Frühlingsstück „D‘un matin de printemps“ („Von einem Frühlingsmorgen“) wie geschaffen scheint für die aufblühenden Tage in der Natur. Mit dieser kleinen Episode als Aufwärmer ist der Abend eröffnet worden. Weit Gewichtigeres hat die Dame dann im zweiten Teil zu bieten, mit ihrem melancholischen Stück „D’un soir triste“ („An einem traurigen Abend“), das sich als leicht geschärftes Seelendrama entpuppt, in dem sich am emotionalen Höhepunkt das dramatischste Schlagzeuggewitter dieses Programms in beachtlicher Phonstärke entlädt.
Meister Claude Debussy
Die übrigen beiden, wohl bekanntesten Werke des Abends stammen vom unbestrittenen Vorreiter des Impressionismus, dem französischen Meister Claude Debussy, ohne den ein solcher Programmbogen nicht auskommen kann. Mit seinem Stimmungsbild vom „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“, „Prélude à l’après-midi d’un faune“, gelang ihm 1894 der Durchbruch, es ist bis heute sein bekanntestes Werk. Das berühmte Solo des Hirtengottes am Beginn ist hier der Soloflötistin des Orchesters anvertraut, Anja Nowotny-Baldauf, die vor allem mit ihren dunklen Tönen die sinnlich aufgeladene Atmosphäre der Begierden und Träume Pans nach dem Gedicht von Stéphane Mallarmé spiegelt. Da sind in der Darstellung dieses glühend-flirrenden Nachmittags mit dem ermatteten Pan in den schwebenden, irisierenden Klängen auch wunderbare Pianostellen zu entdecken, die Dirigent und Orchester gemeinsam mit viel Feingefühl generieren.
Zum rauschenden Abschluss als größtes und breit angelegtes Werk werden Debussys 1905 entstandene drei symphonischen Skizzen „La mer“ („Das Meer“), einem mit allen möglichen Effekten versehenen, fordernden Orchesterporträt. Es ist mit seinen Naturschilderungen in ungewohnten Klangflächen und den vielen wunderbar bewältigten Solostellen aus dem Orchester ein signifikantes Beispiel für den Impressionismus schlechthin. Man spürt, da ist das SOV in seinem Element, kann sich an einem grandiosen Beispiel in Klangkultur, Präzision, Farbschattierungen und Dynamik voll entfalten und von seiner besten Seite zeigen. Dirigent Giuseppe Mengoli disponiert die Klangmassen des groß besetzten, 80-köpfigen Orchesters quasi mit links, aber ebenso mit spürbarer Hingabe und freut sich mit den Musiker:innen über den rauschenden Beifall.
Tipp: Wiedergabe Mo, 26. Mai und Mo, 2. Juni, 21.00 Uhr, Radio Vorarlberg
nächstes Abo-Konzert des SOV:
Solistin: Paula Murrihy, Mezzosopran, Dirigent Leo McFall (R. Strauss, A. Berg, S. Rachmaninow)
Sa, 17.5., 19.30 Uhr, Montforthaus, Feldkirch
So, 18. Mai, 17.00 Uhr, Festspielhaus, Bregenz
https://www.sov.at/