Sisi & ich Gunnar Landsgesell · Mär 2023 · Film

Kaiserin Elisabeth, diesmal aus einer etwas anderen Perspektive: Regisseurin Frauke Finsterwalder verweigert ein klassisches Porträt und erzählt im Stil einer sanft verträumten, dann wieder überdrehten Hippie-Satire von der Beziehung Sisis (Susanne Wolff) zu ihrer Hofdame Irma (Sandra Hüller). Eine Freundschaft gerät hier zu einem bemerkenswerten Befreiungsakt.

Noch einmal wird Sisi zur Projektionsfläche zwischen weiblichen Zurichtungen und akuten Befreiungsversuchen. Aber so weit wie Regisseurin Frauke Finsterwalder („Finsterworld“, 2012) ist noch keine Verfilmung über die mythenbeladene Kaiserin gegangen. Sisi (Susanne Wolff) residiert nicht mehr am Wiener Hof, sondern lässt sich zwischen Griechenland und dem Maghreb durch das Leben treiben. An ihrer Seite die Hofdame Irma (Sandra Hüller), die sie eben zur neuen Gefährtin erkoren hat. Irma steht noch ganz im Eindruck des strengen Regiments ihrer Mutter. Nun gerät sie zunehmend in den Bann einer Frau, die ihre Launen so selbstsicher wie eine Kaiserin auslebt, zugleich aber mit ihrer Spontanität und unorthodoxen Offenheit einen besondere Faszination entfaltet. Genau an dieser titelgebenden Beziehung setzt „Sisi & ich“ an und erforscht die Beziehung der beiden Frauen, die bald die Grenze zwischen Aristokratie und Bürgerlichkeit überwindet. Im Fokus steht dabei weniger Sisi als ihre Gefährtin Irma, und wie diese ihre neu gewonnenen Spielräume nutzt. Reagiert sie zu Beginn noch defensiv auf die diversen Launen der Infantin, mit der diese ihre Umwelt traktiert, so gewinnt Irma mit der wachsenden Vertrautheit der beiden ein neues, ungeahntes Selbstbewusstsein, das sie auch ihrer gestrengen Mutter entfremdet.

Sisi als Quelle der Veränderung

Von transgressiven Spielchen bis zur frivolen Anzüglichkeit und ersten Drogenerfahrungen durchwandert Finsterwalder episodisch die Bewusstseins- und Handlungsräume ihrer zwei Protagonistinnen. Männer, wie etwa beim kurzen Auftritt von Georg Friedrich als abgefeimtem Cousin, oder dem des frustrierten, abgehängten Kaisers (Markus Schleinzer) spielen in „Sisi & ich“ ganz bewusst keine besondere Rolle. Was an dieser Verfilmung erstaunt, ist die Sicherheit, mit der Finsterwalder erzählerische Konventionen überschreitet. Mit rezenter Popmusik und einem freizügigen Umgang mit historischen Kostümen befreit Finsterwalder sich selbst von falschem historischen Pathos. Mit Dialogen, die gemeinsam mit ihrem Mann, dem Autor Christian Kracht, entwickelt wurden, verliert sie nie den Kontakt zwischen ihren beiden Figuren und damit auch nicht jenen zum Publikum. Fresh fühlt sich das alles an, und gewieft, mit einem guten Maß an Sarkasmus und ehrlicher Zuwendung zum Menschen. Dabei glaubt man zu Beginn, es mit einem Film zu tun zu haben, der vor allem durch die Launen Sisis angetrieben wird und eigentlich ziellos dahin mäandert. Wie zielgerichtet diese Erzählung tatsächlich einem Thema – der Selbstbefreiung zweier Frauen in einem eigenen Mikrokosmos – gewidmet ist, zeichnet sich erst etwas später ab. Da hat einen der eigentümliche Groove dieser Inszenierung schon für sich eingenommen. „Sisi & ich“ ist im besten Sinn eine Erweiterung des Bildes der Infantin als kaiserliche Rebellin und zugerichtetes Subjekt in Richtung einer handlungs- und vor allem wirkmächtigen Figur, die Veränderung in ihrem unmittelbaren Umfeld triggert. Sandra Hüller füllt diese ihr zugedachte Rolle einmal mehr auf wunderbare Weise aus.

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