Sabine Schoder: „The Romeo & Juliet Society“
Eine von da und ihre zauberhaften Geschichten
Anita Grüneis · Okt 2023 · Literatur

Viele Vorarlberger:innen haben ihr gestanden, dass sie nicht wirklich geglaubt hätten, dass „eni vo do so a guats Buach schrieba ka.“ Sie kann nicht nur ein gutes Buch schreiben, sie schreibt sogar ausgezeichnete Bücher! Die Romane von Sabine Schoder sind bisher in sechs Sprachen erschienen, wurden für Preise nominiert und eines davon mit dem DELIA-Jugendliteraturpreis 2021 ausgezeichnet. Sie hat mehrere Radio- und Fernsehinterviews gegeben und war Stargast bei der Buenos Aires Buchmesse. „Eni vo do“ hat es also wirklich drauf, das Schreiben.

Geboren und aufgewachsen in einem alten Bergbauernhof in Tschagguns, streifte Sabine Schoder oft mit ihrem Hund durch den Wald und dachte sich dabei Geschichten aus. Dabei konnte sie sich auf ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – „erlesenes“ Material stützen: „Der kleine Vampir“ wurde zu ihrem ersten Lieblingsbuch. Mit neun Jahren schrieb sie dann ihre erste eigene Geschichte „Der rote Rubin“, die sich an den damaligen Bestsellern „Die fünf Freunde“ orientierte. Stephen Kings „ES“ hatte es ihr mit 12 Jahren angetan – der Horror-Roman handelt von sieben Kindern, die sich gegen eine gewalttätige Clique zur Wehr setzen müssen und dann gemeinsam den Kampf gegen das Monster ES, das Kinder tötet, aufnehmen. Dieses Buch begeisterte Sabine Schoder derart, dass sie eigene Monstergeschichten verfasste.

Vom Zeichnen zum Schreiben

Drei Jahre später folgten Teenager-Stories, aber Sabine Schoder dachte nicht daran, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen. Sie wollte zeichnen und studierte daher Grafik-Design an der Werbe Akademie Wien. „Die Ausbildung war super“, sagt sie selbst, aber ihre ersten Jobs seien sehr anstrengend gewesen. „Immer öfter versank ich nach Feierabend in meinen Bücherwelten. Damals las ich jede Woche ein neues Buch." Nur mit „Harry Potter“ zögerte sie lange, doch dann hinterließ auch diese Welt ihre Spuren und sie schrieb eine Geschichte in fünf Bänden – allerdings nur im Kopf! „Das Problem war: Ich hatte mir die Handlung bereits so detailliert ausgedacht, dass ich keine Lust hatte, sie aufzuschreiben.“ Damit hatte Sabine Schoder etwas gelernt, was ihr von nun an zugutekam. Vor ihrem dreißigsten Geburtstag wollte sie dann endlich mal einen Roman fertig schreiben und verfasste „Farbenblind“, das später als „Liebe ist was für Idioten. Wie mich“ bekannt wurde. Das Ende der Geschichte wusste sie, aber wie sie dahin kam, erfuhr sie erst während des Arbeitens. Danach kaufte sie sich zwei Bücher über das Bearbeiten von Texten und schrieb im Anschluss große Teile der Geschichte neu. Erst dann schickte sie das Exposé plus Leseprobe an fünf Agenturen. Und siehe da: vier davon wollten das gesamte Manuskript, drei boten ihr einen Vertrag an. Ein Jahr, nachdem sie beim S. Fischer Verlag unterzeichnet hatte, hielt sie endlich ihr eigenes Buch in Händen. Der Debutroman „Liebe ist was für Idioten. Wie mich“ wurde ein großer Erfolg und für den Buxtehuder Bullen nominiert. Mit dem Nachfolgewerk „Immer ist ein verdammt langes Wort“ gewann sie 2021 den DELIA Jugendliteraturpreis.

Romeo und Julia – für immer

Und nun erscheint ihre erste Trilogie „The Romeo & Juliet Society“ beim Ravensburger Verlag. Inspiriert wurde sie durch einen Aufenthalt in Verona. Aber die Faszination für die Geschichte reicht bis in ihre Jugendzeit zurück. Damals erschien der Hollywoodfilm „Romeo + Julia“ von Baz Luhrmann mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes in den Hauptrollen. Der Film spielte in den 90er Jahren – mit Schießereien, schnellen Autos und modernen Kommunikationsmöglichkeiten – behielt jedoch die alten Originaldialoge bei. „Ich war damals fünfzehn und schwer begeistert“, erinnert sich Sabine Schoder. „Noch Jahre später machte ich Witze, wenn ich einen Jungen kennenlernte, der aber nichts von mir wissen wollte, und zitierte diese Stelle aus dem Film: ,Dass es die Lieb' so übel mit mir meint, dass ich muss lieben den verhassten Feind.‘“ Als sie in Verona den berühmten Balkon sah, kam ihr die Idee für eine neue Interpretation der alten Geschichte, diesmal mit zwei Romeos. „In Shakespeares Stück war Romeo zuerst in Rosalinde verliebt, da schien es mir nur gerecht, dass in meinem Buch das Mädchen zwei Auswahlmöglichkeiten bekommt.“

Der Rosenfluch und der Unstern

Der erste Band von „The Romeo & Juliet Society“ mit dem Titel „Rosenfluch“ beginnt auf der Bregenzer Seebühne, oder genauer im Schminkraum. „,Vermisst jemand sein Ohr?‘ Ich werfe einen Blick auf das silberne Tablett und zupfe mit zwei spitzen Fingern etwas runzelige Haut zur Seite. ,Ich hätte auch noch ein Auge anzubieten.‘ ,Das Ohr zu mir!‘, ruft ein verzweifelt aussehender Künstler vor einem der hell erleuchteten Schminkspiegel. Ich durchquere den Maskenraum des Theaters – der so kurz vor der Generalprobe mit hoch konzentrierten Make-up-Profis, vor sich hin murmelnden Schauspielern und jeder Menge blanker Nerven gefüllt ist – und liefere meine Körperteile ab. Also nicht meine Körperteile, natürlich, sondern die Requisiten aus Latex und Gummi, die den Kostümen der Darsteller das gewisse gruselige Extra verleihen.“

Die Bühne am Bodensee

Ein heiterer Einstieg, doch schon bald wird sich die Szenerie ändern. Das Mädchen Joy begleitet den Vater, der Schauspieler ist, und in Bregenz eine Hauptrolle spielen wird. Mit ihren Eltern lebte die 16-jährige Joy bereits in Paris, London, Buenos Aires, Auckland, Sydney und New York. Die Bühne am See mag sie besonders gerne: „Die Sonne hängt wie eine blutrote Kugel über den schiefergrauen Wellen des Bodensees und färbt einen Streifen des Wassers in gleißendes Kupferrot. Obwohl ich seit drei Wochen hier bin, kann ich mich an diesem Ausblick nicht sattsehen. Natürlich gab es auch in New York spektakuläre Sonnenuntergänge und ebenso in Sydney davor – doch das kleine Bregenz im Herzen Europas hat etwas, wovon die großen Weltmetropolen nur träumen können: Sterne. Hunderte, wenn nicht gar Tausende Sterne, die jede Nacht wie Diamanten über dem riesigen See funkeln. Schon jetzt blitzt der erste helle Punkt im dunkler werdenden Blau des Himmels auf. Es sollte der Abendstern sein, genauer gesagt unser nächster Nachbarplanet, die Venus. Doch der Punkt zieht einen deutlich erkennbaren Schweif hinter sich her.“
Und genau dieser Komet hat etwas Besonderes, denn anscheinend kann nur sie ihn sehen. Irgendetwas beunruhigt sie daran. Und nicht nur daran. Denn plötzlich sieht sie ein Gesicht am Fenster. „Ein Junge in meinem Alter steht da draußen, den die Leute an meiner New Yorker Highschool treffenderweise mit fucking hot beschrieben hätten. Wobei er eigentlich nicht heiß aussieht, sondern eher eiskalt. Seine Haare sind so hell, dass sie im Sonnenlicht weiß aufleuchten, und seine Augen haben dasselbe glasklare Eisblau, wie ich es in den frischen Gletscherabbrüchen im Süden Argentiniens gesehen habe.“

Alte Geschichte, neuer Verlauf

So nimmt die alte neue Geschichte von Romeo und Julia ihren Anlauf. Denn nun entwickelt sich eine Story, in deren Mittelpunkt der „Rosenfluch“ steht. Auch das hat seinen guten Grund, wie Sabine Schoder erzählt. „Shakespeares Stück beginnt so:

Zwei Häuser, gleich an Würde und Gebot,
Euch in Verona unser Spiel entdeckt:
Wie altem Hader neuer Hass entlohnt,
Mit Bürgerblut sich Bürgerhand befleckt.
Wie aus der Feinde unheilschwangerm Schoß
– Unsternverfolgt – ein Liebespaar entspringt,
Das erst durch sein unselig bitter Los
Der Eltern Zwist zu spätem Frieden zwingt.

Das Wort ,Unsternverfolgt‘ faszinierte mich und ich fragte mich, ob Shakespeare das vielleicht sogar wörtlich gemeint hat? Vielleicht gibt es ja noch immer Nachkommen von Romeo und Julia und sie sind vom Unstern bedroht? Einem Kometen, der in jeder Generation erneut am Himmel auftaucht, und die beiden Häuser Capulet und Montague mit einem Fluch dazu zwingt, ihm ein junges Liebespaar zu opfern?“
Und so erfand Sabine Schoder dazu noch den Rosenfluch: „Er sollte herzzerreißend schön und schrecklich zugleich sein, wie auch das Schicksal von Romeo und Julia. Inspiriert hat mich dazu der Satz: ,Das, was wir eine Rose nennen, würde bei jedem anderen Namen genauso süß duften‘.“
So nimmt das Schicksal in ihrer Trilogie „The Romeo & Juliet Society“ erneut seinen Lauf, diesmal allerdings darf sich Julia auf keinen Fall verlieben. Was dabei alles passiert? Auf ins Leseabenteuer!

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Oktober 2023 erschienen.

Sabine Schoder: The Romeo & Juliet Society, Band 1: Rosenfluch, Ravensburger Verlag, Ravensburg 2023, 416 Seiten, Taschenbuch, ISBN: 978-3-473-40238-0, € 16,99

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