Rymden: „Valleys & Mountains“ Peter Füssl · Nov 2023 · CD-Tipp

Das schwedische Esbjörn Svensson Trio (e.s.t.) hatte eineinhalb Jahrzehnte Jazz-Geschichte geschrieben, als der geniale Pianist 2008 bei einem tragischen Tauchunfall ums Leben kam. Erst zehn Jahre später wagten sich Kontrabassist Dan Berglund und Drummer Magnus Öström wieder an ein neues Piano-Trio – gemeinsam mit dem Norweger Bugge Wesseltoft, ebenfalls eine zentrale Figur des nordischen Jazz, die mit ihrer „New Conception of Jazz“ Ende der 90-er Jahre, in der es um die Verschmelzung von Live-Electronics und Jazz-Improvisationen ging, ungemein einflussreich war und neue Wege wies. Rymden hat mittlerweile zwei hervorragende Studio- und ein Live-Album herausgebracht und in einer Vielzahl von Konzerten eine begeisternde Bühnenpräsenz bewiesen, was sehr dabei half, relativ rasch aus dem langen Schatten von e.s.t. herauszutreten.

Ihr drittes Album „Valleys & Mountains“ wollen Rymden nun als Hommage an die vielfältigen Ausformungen der Natur unseres Heimatplaneten verstanden wissen, nachdem sie mit dem Vorgänger-Album „Space Sailors“ (2020) noch zum musikalischen Weltraumbummel eingeladen hatten. Die grundlegenden Ingredienzien sind freilich dieselben geblieben, nämlich außerordentliche Experimentierlust, kreativer Stilmix und die wirkungsvolle Kombination akustischer und elektronischer Klänge. So ist schon der von Wesseltoft geschriebene Opener „The Hike“ eine abwechslungsreiche, knapp achtminütige Abenteuerwanderung: Eingeläutet wird sie von sirenenartig rauf- und runterwabernden Synthie-Sounds, die rasch von einem ultracoolen, souligen, akustischen Piano-Lauf überlagert werden. Dieser wiederum wird abrupt rhythmisch gebrochen und geht in eine Prog-Rock-artige, von den Drums dominierte Passage über, die immer Groove-orientierter wird und in einen Blues-Rock-infizierten Gitarrenlauf von John Scofield überleitet, der als einziger Gastmusiker auf diesem Album – wie zu erwarten – eine sehr gute Figur macht. Mit „Ro“ steuert der Pianist aber auch eine sanft-beschwingte Ballade bei, in der nicht selten Berglunds warmtönender Kontrabass die Melodieführung übernimmt. Aus seiner Feder wiederum stammt das Stück „Himmel“, das er gleich von Beginn an mit dem Bogen in einer wunderschönen, melancholischen Grundstimmung einfärbt, die zwischendurch von einer dramatischen Episode im Cinemascope-Format mit voranpeitschenden Drums und Piano-Clustern unterbrochen wird. Magnus Öströms „A Walk In The Woods“ prescht poppig flott voran, inkludiert aber auch ein jazziges Bass-Solo, während das druckvolle, achtminütige „The Mountain“ eindrucksvoll nachzeichnet, wie rasch im Gebirge die Stimmungen umschlagen können – pompöses Electronic-Gewitter inklusive. Im Dreier-Pack sind zwei Stücke entstanden. „Milam Bardo“ verweist auf den Zustand des Träumens im Yoga und verblüfft mit einer eigenartigen Stakkato-Basslinie zu leiser Perkussion und verträumten Pianoklängen, und das ebenfalls knapp achtminütige „Song From The Valley“ erscheint als vielgestaltiges, sich durch unterschiedlichste Stimmungen bewegendes, impressionistisches Stimmungsbild. Mit Rymden auf musikalischer Entdeckungsreise über unseren Planeten zu wandeln, ist ein pures Vergnügen.

(Jazzland)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR November 2023 erschienen.

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