Rosen für Yener Polat
Der interkulturelle Verein Motif feiert seinen 20. Geburtstag mit einem herzerwärmenden Theaterfest
Eine fröhliche Gesellschaft an langer, festlich geschmückter Tafel, bunte Luftballons, farbige Gläser, Kerzen, Luftschlangen, aber einer fehlt: Der Ehrengast, der hier überrascht werden soll, will einfach nicht erscheinen. „Können wir jetzt nicht endlich die Torte ...?“ Für diese Frage gibt es von allen Seiten ein lautstarkes: „Nein!“ „Und warum sitzen wir hier aufgefädelt wie beim Letzten Abendmahl? Ich möcht' ein Gegenüber“, mault einer. „Das ist Theater, Mann, kein Film!“ Theater hat eigene Regeln, und Theaterspielen entfacht eine Leidenschaft, die man im professionellen Theater selten so strahlend spürt. „Hirtensalat und Torte“ ist bis Sonntag, 15. Juni, im Theater Kosmos zu sehen.
„Man könnte doch einmal einen echten Klassiker ...“ Es gibt da einen an der Festtafel, der hätte schon den Ehrgeiz dazu. Er nimmt einen weißen Luftballon, hält ihn am gestreckten Arm vor das Gesicht – und das Publikum kichert: Jetzt kommt wohl der Hamlet-Monolog. Und zack! Er kommt. Wobei der weiße Luftballon sich als vielseitig verwendbares Requisit erweist. Er kann auch das Neugeborene der Familie Öztürk sei. Dass das Kind ausgerechnet den Namen Anita bekommt, gehört zu den charmanten Pointen, mit denen die Szenenfolge gespickt ist.
Gastarbeiterroute
Der Gründer und Mastermind von Motif, Yener Polat, hatte die Idee, den runden Geburtstag mit einem Potpourri aus Szenen früherer Stücke zu feiern. Regisseurin Heidi Salmhofer fügt die von Autor:innen wie Daniela Egger, Wolfgang Mörth, Amos Postner und Serpil Polat geschriebenen Szenen zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Da spielen die wartenden Feierlustigen einander Szenen aus dem migrantischen Alltag vor. Es geht um Krankenhausbesuche, endlose Fahrten auf der „Gastarbeiterroute“ zu den Ferien in der Türkei, überfallsartige Polizeikontrollen oder nervige Skikurse. So eine Skiwoche kann für ein Kind nämlich voll der Stress sein, auch wenn sich die Eltern den reinen Spaß dabei vorstellen.
In ihrer Ecke stimmen Serkan und Elif Duman – das Musikantenduo, das bisweilen durch Sinan Akar verstärkt wird - den Oldie „Shifoan“ von Wolfgang Ambros an, und das ganze Ensemble stimmt ein. Verhaltene Ironie, bittersüße Komik auch, wenn von den zu Saz und Gitarre betörend schön gesungenen türkischen Liedern die heimliche Landeshymne „Oho Vorarlberg“ ein Plätzchen bekommt.
An der Festtafel bezaubert das 18-köpfige Ensemble mit seiner Spielfreude, tanzt, erzählt, parodiert, wagt ein paar lebende Bilder und versprüht einen Charme, der zu Herzen geht. Nach stürmischem Applaus des Publikums bedanken sich seitens der Stadt Bregenz Reinhold Einwallner und seitens des Landes Kulturstadträtin Barbara Schöbi-Fink bei einem Ensemble, das mehr für gelungene Integration geleistet hat, als wir geahnt haben. Und Barbara Schöbi-Fink legt eine Rose auf den leeren Sessel von Serpil Polat, die viel zu früh von uns gegangen ist. Dass Rosen auch ihrem Witwer, dem Motif-Gründer Yener Polat gebüren, versteht sich von selbst.
Gastspiel Theaterverein MOTIF: „Hirtensalat und Torte“
weitere Vorstellungen: Sa, 14.6., 20 und So, 15.6., 17 Uhr
Theater Kosmos, Bregenz
www.theaterkosmos.at