Rechtsextremismus in Vorarlberg?
Zur Diskussion am 10. Oktober im Theater am Saumarkt
Kurt Bereuter · Okt 2023 · Aktuell

Es diskutierten die Buchautorin Rebekka Moser, der Rechtsextremismusexperte Franz Valandro, die Leiterin des Vorarlberger Amtes für Verfassungsschutz, Uta Bachmann mit dem Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft Johannes Spies.

Am Dienstag, 10. Oktober stellte die Malin-Gesellschaft mit ihrem Obmann Johannes Spies im Theater am Saumarkt in Feldkirch das Buch „Unten“ von und durch Rebekka Moser vor. Die Geschichte des Buches spielt in Bregenz und handelt von einem Serienmörder mit rechtsextremistischem Hintergrund, der Frauen aus anderen Kulturkreisen entführt und umbringt. Dabei ist die Geschichte aus drei Perspektiven geschrieben, aus der des ermittelnden Kommissars, der des Mörders und jener des Opfers. Die Autorin las und erzählte in sehr angenehmer und schöner Sprache aus ihrem Buch, das wohl auch als Psychothriller durchgehen könnte.
Im Anschluss an die Buchvorstellung gesellten sich der Vorarlberger Rechtsextremismus-Experte Franz Valandro und die Leiterin des Vorarlberger Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Uta Bachmann, zur Autorin und dem Moderator Johannes Spies auf das Podium und diskutierten die Situation in Vorarlberg.
Dabei zeichnete die Vorarlberger Leiterin ein eher beruhigendes Bild, da Vorarlberg anders sei, als die anderen Bundesländer, weil sich die „Szene“ verändert habe, sich sehr vieles im Sozialen Netz abspiele, aber sie nicht (mehr) manifest gewalttätig sei oder gar erkenntnisgemäß solche Waffenarsenale horte, wie es z. B. in Wien und Niederösterreich im Juni aufgedeckt wurde. Aber eine Beobachtung sei wichtig und notwendig, denn die Vernetzung im Netz sei gegeben und da sich auch sehr gut ausgebildete Personen, bis zu Universitätsabsolvent:innen, in diesen Reihen befänden, seien sie auch vorsichtiger geworden und würden sich rechtlich sehr gut auskennen. Daneben gebe es immer wieder Verstöße gegen das Verbotsgesetz (Artikel I: Verbot der NSDAP, § 1. Die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen überhaupt sind aufgelöst; ihre Neubildung ist verboten) bei Jugendlichen, auch über WhatsApp-Gruppen, die aber meist Einzeltaten bleiben, weil die Ahndung doch restriktiv wirke. Aufhorchen ließ ihre Antwort auf eine Frage aus dem Publikum nach der Situation, als Herbert Kickl Innenminister war und mit der WKStA im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ermitteln ließ. Das bezeichnete sie als Kathastrophe und sie sei froh um den trennenden Arlberg gewesen. Es sei „eine schlimme Zeit“ gewesen, aber jetzt sei es wieder gut und auch die internationalen Kontakte funktionierten wieder fast wie vorher.
Franz Valandro, der zum Thema vor vielen Jahren schon einen Band[1] vorlegte, sah die Situation kritischer und machte darauf aufmerksam, dass sich die Szene neu verpacke und neue Codes und geheime Internetwege nutze, was die Identifizierbarkeit von Personen in der Szene erschwere. Die Codes seien so gewählt, dass sie schwer identifizierbar und rechtlich irrelevant seien, wie z. B. ein Palästinenser-Tuch und Balance-Schuhe. Aber die Szene wandere in die Mitte der Gesellschaft ein und werde auch in Vorarlberg mehr Platz suchen und finden.
Die Autorin Rebekka Moser erzählte von ihren Recherchen für ihr Buch, die auch im Internet stattfanden und im Rahmen derer sie sich anonym mit kritischen Anmerkungen in einschlägigen Foren beteiligte. Daraufhin sei sie aber umgehend mit einschlägigen Meinungen zugetextet worden. Am Schluss appellierte sie an jeden einzelnen doch in Diskussionen authentisch und ehrlich seine Meinung einzubringen, und zwar in beide Richtungen, ohne dass jemand sofort als Nazi beschimpft oder umgekehrt, als linker Träumer verunglimpft werde. Es gebe eben auch antisemitische und radikale Muslim:innen und wenn sich Jugendliche weigern würden, ein Buch über Anne Frank zu lesen, weil diese Jüdin war, sei das erschreckend. Ihre kritischen Anmerkungen erlaubte sie sich vor dem Hintergrund ihrer multikulturellen Familie und wohl auch ihres journalistischen Gespürs, das öfter Eingang in die Vorarlberger Medienwelt finden sollte.
Johannes Spies, als umsichtiger und angenehmer Moderator verabschiedete sich bei den ca. 50 Besucher:innen mit den Worten Sir Karl Poppers, dass „Toleranz gegenüber der Intoleranz nicht tolerant sein darf.“  

[1] Franz Valandro: Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945. Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs, Band 15, 1999, ISBN 3-90075BN 3-900754-23-3, € 14,39

Unter dem Titel „Rechtsextremismus zum Thema machen" ist in der Print-Ausgabe bzw. dem E-Paper der KULTUR Oktober 2023 ein Artikel von Kurt Bereuter erschienen.

Rebecca Moser: Unten. Bodensee Thriller. Bucher Verlag, Hohenems 2023, 392 Seiten, Softcover, ISBN 978-3-99018-648-0, € 17,60

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