Rebekka Bakken: Always On My Mind Peter Füssl · Apr 2023 · CD-Tipp

Weniger gut gelungene Cover-Alben führen einen rasch in Versuchung, sich doch lieber gleich wieder einmal die Originale anzuhören. Beim neuesten Album der norwegischen Sängerin Rebekka Bakken wird dieser Reflex nicht ausgelöst, da es ihr mühelos gelingt, sich 15 ihrer aus unterschiedlichsten Epochen der Pop-Geschichte stammenden Lieblingssongs ganz zu eigen zu machen.

Dies ist vor allem einmal dem unverwechselbaren Timbre ihrer ausdrucksvollen und wandlungsfähigen Stimme zu verdanken, in der sich nordische Coolness und herzerweichende Intensität, Verruchtes und Engelhaftes, Melancholisches, Sanftes und Trotziges paaren. Ihr vor bald einmal zehn Jahren realisiertes Tom Waits-Projekt „Little Drop of Poison“ hat man in dieser Hinsicht ja noch bestens in Erinnerung, und daran knüpft vom Atmosphärischen her auch der krachend-rumpelnde Rock-Opener „Little Rebel“ an, den ihr Landsmann Stein Groven aka Casino Steel 1990 einer sich gegen Konventionen und gesellschaftliche Erwartungen auflehnenden Teenie-Rebellin gewidmet hat – eine Reminiszenz an ihre eigenen Teenager-Tage, so Bakken („I was a wild one.“). Darauf folgt der albtraumhaft düstere Nick Cave-Song „Red Right Hand“, mit dem die Sängerin – von Eivind Aarsets Bass/Gitarren-Donnern wirkungsvoll in Szene gesetzt – Gänsehaut erzeugend an der Spannungs-Schraube dreht. Der über ein außergewöhnlich breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten verfügende Norweger versteht es perfekt, aus seinen elektronisch aufgepeppten Saiten alle möglichen Stimmungen zu zaubern und die emotionale Wirkung von Rebekka Bakkens Stimme zusätzlich zu befeuern. Dasselbe lässt sich auch von den Pianisten/Keyboardern/Organisten Jørn Øien und Torjus Vierli sagen, die wie das Rhythmus-Gespann Tor Egil Kreken (Bass) und Rune Arnesen (Drums) zur ersten Liga der experimentierfreudigen norwegischen Jazz-Szene zählen. Hier agieren sie einfallsreich, aber stets song-dienlich. Mit ihrer Unterstützung gelingt es Bakken selbst Millionen-Seller, die seit Jahrzehnten in jedermanns/fraus Ohr festsitzen, mit unerwarteter Lebendigkeit, zeitloser Bedeutung, unverhofftem Reiz neu aufzuladen – von Don McLeans „Vincent (Starry Starry Night)“, über den Annie Lennox-Überhit „Why“, bis zum von Nazareth in den Siebzigern fast zu Tode genudelten 60-iger Jahre Everly Brothers-Klassiker „Love Hurts“. In diese Kategorie gehören auch Bryan Adams‘ „(Everything I Do) I Do It For You“ und natürlich Lennon/McCartneys „Yesterday“, bei dem Bakken höchst erfolgreich auf Reduktion setzt und sich nur von Øien am Klavier begleiten lässt. Aber es geht hier keineswegs nur um ein Nostalgie-Projekt, wie „Break My Heart Again“ des Billie Eilish-Bruders Finneas O’Connell eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und ein emotional tiefgehendes, anklagendes Lamento wie Randy Newmans „Louisiana 1927“ passt perfekt neben einen Herz-Schmerz-Ohrwurm wie „It Must Have Been Love“ von Roxette, denn die alles verbindende Klammer, Rebekka Bakken, hält: „Diese Songs sind mir immer wieder durch den Kopf gegangen und inspirierten mein eigenes Songwriting. Sie sind der ‚Soundtrack meines Lebens‘ und einige von ihnen begleiten mich seit meiner Kindheit. Ich habe beim Hören dieser Songs meine eigene Stimme entwickelt und es ist genau der richtige Zeitpunkt, sie in meinem Sinne neu zu interpretieren.“ Das kann man genau so unterschreiben.

(Sony)

Konzert-Tipps: 6.5. TschirgArt Festival Imst, 29.9. Altes Kino Rankweil

 

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