Purer empfehlenswerter Genuss
Kurt Schwitters' „Die Ursonate“ in Bregenz und Lustenau
Was für ein feinsinniger, genussvoller Abend! Auf dem Kornmarktplatz durfte ein gespanntes Publikum die Premiere von Kurt Schwitters' „Die Ursonate“ erleben. Das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung, kurz UNPOP, präsentierte gemeinsam mit Caravan – mobile Kulturprojekte – das in den 1920er und 1930er Jahren entstandene Lautgedicht, das Musik, Poesie und Rhythmus in einer zauberhaften Form vereint. Kein Inhalt stört die Form, die Kurt Schwitters, der das Werk in Norddeutschland schrieb und nach seiner Flucht auf der norwegischen Insel Hjertøya über Jahre verfeinerte, meisterhaft kreierte.
Ein Sprachrohr für Unsinn und Sinnlichkeit
Natürlich handelt es sich um Dichtung, Buchstabenfolgen in Versform, doch weit mehr ist es eine Komposition, ein rhythmisches Klanggebilde, das erst durch die Darbietung in seiner vollen Größe erstrahlt. Und hier hat das Team von UNPOP einmal mehr großartige Arbeit geleistet! Schon Bühne und Kostüme verbreiten eine unvergleichliche Ausstrahlung. Die dominante Farbe Pink vermittelt ein Gefühl von Lebendigkeit und Positivität. Der riesige Trichter, ein Sprachrohr für Unsinn und Sinnlichkeit, durch den die Klangwelten über die Plätze von Bregenz und Lustenau schallen, ist eine typische Idee von Caro Stark. Stark versteht es immer wieder, mit den einfachsten Mitteln außergewöhnliche Effekte zu erzielen – ihre gestalterische Fantasie scheint unerschöpflich. Die Kostüme der beiden Künstler sind bis ins kleinste Detail durchdacht, von den Schuhen bis zum Hut – einfach perfekt und ein Augenschmaus.
Ein Geniestreich
Als künstlerische Leiter:innen haben Stephan Kasimir und Caro Stark alles richtig gemacht. Die Besetzung mit dem Countertenor Fritz Spengler und dem Musiker Paul Winter ist ein echter Geniestreich. Jeder Ton sitzt, jeder Rhythmus packt! Hier sind zwei Profis am Werk. Der 1990 in Bayern geborene Sänger Fritz Spengler verfügt über eine beeindruckend ausdrucksstarke Stimme, erreicht mühelos klare Höhen und artikuliert jede Buchstabenfolge präzise. Er singt und swingt, zwitschert und fiebt, intoniert und akzentuiert meisterhaft. Getragen wird das Ganze von Paul Winter, einem Vorarlberger Musiker und absoluten Profi in Sachen Theatermusik. Seine Klänge drängen sich nie in den Vordergrund, sind jedoch stets präsent – fein abgestimmt auf jedes Versmaß, beinahe auf jeden Buchstaben des Lautgedichts, jeden Atemzug des Sängers.
Leidenschaft und Begeisterung
Kein überladenes Spektakel um „Die Ursonate“, sondern die Kunst, sie in einer schlichten, aber perfekten Inszenierung für sich wirken zu lassen – das ist die große Stärke von Regisseur Stephan Kasimir. Seine Leidenschaft und Begeisterung für Schwitters, für Dada, für das Anarchische und Absurde durchdringen dieses Projekt auf wunderbare Weise.
Die Schönheit des Moments
Abseits des klassischen Erzähltheaters ist dieses transmediale Kunstwerk, befreit von jeglichem Sinn, einfach nur wunderschön. In einer von Krisen erschütterten Zeit ist es wie Balsam für die Seele. Sogar die Vögel – ich meine, es waren Schwalben – erkannten die Schönheit des Moments und machten einen zwitschernden Abstecher über den Kornmarktplatz, um ihre Begeisterung zu teilen.
Jubelnder Applaus
Wer nach Sinn sucht und fragt, wird an diesem Abend nicht zufrieden sein. Zwei oder drei Zuschauer:innen sind auch vorzeitig gegangen, die geblieben sind waren hörbar begeistert. Mit jubelndem Applaus haben sie sich bei den Protagonisten bedankt!
Eine absolute Empfehlung, bei freiem Eintritt noch zu erleben
am 17. August am Leutbühelplatz,
am 18. August in der Anton-Schneiderstraße in Bregenz und
am 23. und 24. August beim Freudenhaus in Lustenau.
Sitzplatzreservierung unter www.unpop.at