Positionen, die die Trennung zwischen Mensch und Werk in Frage stellen
KUB gibt Einblicke in das Programmjahr 2025
Karlheinz Pichler · Nov 2024 · Ausstellung

Das Kunsthaus Bregenz (KUB) zeigt im kommenden Jahr wieder drei Einzelausstellungen. Außerdem ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Bündner Kunstmuseum Chur, dem Kunstmuseum Liechtenstein und dem Kunstmuseum St. Gallen sowie im Sommer eine Dialogausstellung im Foyer des KUB, bei der Werke von Michael Armitage, Chelenge Van Rampelberg und Maria Lassnig einander gegenübergestellt werden.

Aktuell und noch bis 12. Jänner läuft die Schau des französisch-libanesischen Soundkünstlers Tarek Atoui. Allein die Klangstücke, die Atou im Rahmen der Performance-Reihe von 24. bis 26. Oktober aufführte, zogen rund 700 Interessierte aus dem Kunst- und dem Musikbereich an. Insgesamt wird das KUB in diesem Jahr voraussichtlich 52.000 Besucher anlocken, wie Direktor Thomas D. Trummer bekannt gab. Das sind zwar um rund zehn Prozent weniger als im Rekordjahr 2023, als über 57.000 Besucher in den Zumthor-Bau strömten. Der KUB-Chef gibt sich aber dennoch zufrieden, denn mit dem Erreichten liege man auf dem Level von 2022 und der Vor-Corona-Zeit. Und neben dem reinen Zahlenspiel gebe es ja auch die Qualität des Gezeigten zu bewerten, und da bewege man sich auf einem sehr hohen Niveau, was auch die Besucher:innen bestätigt hätten, die bei den KUB-Besuchen eine höhere Wahrnehmungsintensität an den Tag legen würden, als dies bei anderen Häusern der Fall sei.
Die höchste Besucher:innenzahl konnte 2024 mit 23.964 Personen übrigens die Schau „Wish You Were Gay“ von Anne Imhof verzeichnen. Allerding hatte die Ausstellung der deutschen Künstlerin einen von Vandalismus geprägten unangenehmen Beigeschmack, wurden doch die Billboard-Plakate Imhofs entlang der Bregenzer Seestraße mehrfach von Unbekannt heruntergerissen und zerstört.
Die Ausstellung von Günter Brus, der an den Vorbereitungen seiner KUB-Personale noch selber mitwirkte, dann aber am 10. Februar 2024 in Graz verstarb, zog laut den KUB-Angaben 11.643 Interessierte an und die Solange-Pessoa-Schau 10.017.
Finanziert wurde das KUB, das gut 30 vollzeitäquivalente Mitarbeitende beschäftigt, zum Großteil durch den Landesbeitrag in Höhe von 3,25 Millionen Euro. Hinzu kamen noch 50.000 Euro Ankaufsförderungen des Bundes sowie Eigeneinnahmen von circa 810.000 Euro. Für 2025 sind für den Betrieb des Kunsthauses im Landesbudget 3,22 Mio. Euro veranschlagt. Die regulären Eintrittspreise sollen im nächsten Jahr auf 14 Euro bzw. 12 Euro (ermäßigt) angehoben werden.

Verbindung zwischen Poesie, Natur und Robotik

Als erste neue Position im Programmjahr 2025 präsentiert das KUB ab 1. Februar die 1993 in London geborene nigerianisch-US-amerikanische Künstlerin und Lyrikerin Precious Okoyomon (bis 25. Mai). Okoyomon sorgte im Rahmen der Biennale in Venedig 2022 mit einer Naturlandschaft für Aufsehen, die sie in einer Halle der Arsenale mit Wegen, plätschernden Rinnsalen, Blumenbeeten sowie Kudzu anlegte. Dazu bestückte sie den Garten mit Figuren aus Wolle. Kudzu ist eine wilde, schnellwüchsige Weinrebe, die im Laufe der Monate alles überwucherte und die Installation in einen gigantischen undurchdringlichen Dschungel verwandelte. Die Qualitäten der Pflanze, die extreme Temperaturen aushält und erodierte Böden stabilisiert, indem sie diese einfach überwuchert, machten sich Ende des 19. Jahrhunderts bereits die US-amerikanischen Südstaaten im Rahmen des Baumwollanbaus zu eigen. Die angstbesetzte Pflanze, die „Schurkin“ der Natur, steht beispielhaft auch für die Furcht vor dem Einnehmenden und Unkontrollierbaren, aber auch für Widerstand und als Sinnbild für die Widersprüchlichkeit des Kolonialismus und der Sklaverei.
Für das Kunsthaus Bregenz werde Okoyomon, die immer wieder Verbindungen zwischen Poesie, Natur und Robotik erkundet, Arbeiten und Installationen entwickeln, die die Besucher:innen mit ihren Träumen und ihrer Menschlichkeit konfrontieren sollen, so Trummer.

Lebensgroße Tier- und Männerskulpturen

Auch der polnischen Romani-Bildhauerin, Malerin und Aktivistin Małgorzata Mirga-Tas gelang es, mit ihrem Beitrag im Polnischen Pavillon an der 59. Biennale in Venedig 2022 ein breites Kunstpublikum anzusprechen. Die Wände des Pavillons waren mit handgenähten Textilcollagen verhüllt, die Mirga-Tas gemeinsam mit Verwandten angefertigt hatte. Diese „Re-enchanting the World“ betitelte Arbeit repräsentierte die Marginalisierung der Roma und Sinti, die während des Holocaust besonders grausam verfolgt wurden. Mirga-Tas ist die erste Roma-Künstlerin, die jemals ein Land bei diesem Kunstereignis vertrat. Ihre farbenfrohen Patchworks, Skulpturen und Collagen zeigen oft Szenen aus Roma-Gemeinschaften. Dabei handelt es sich um gefühlvolle Lebensgeschichten von Frauen, manchmal auch Kindern oder Tieren, seltener von Männern.
Für Bregenz werde Mirga-Tas, die 1978 in Zakopane zur Welt kam, neben Textilarbeiten auch Tier-Skulpturen schaffen, verrät der KUB-Chef. Etwa Bären aus Wachs. Denn solche gebe es in der Heimat der Künstlerin, in Czarna Góra, der dicht bewaldeten Tatra im Süden Polens, zuhauf. Weiters arbeite die Roma-Künstlerin auch an lebensgroßen männlichen Figuren. Das Kunsthaus Bregenz sei mit seiner Architektur und der einzigartigen Atmosphäre „der ideale Ort, um diesen neuen Werken den gebührenden Raum zu geben“, so Trummer.

Geheimgehaltene Autorschaft

Die Autorschaft für die dritte große KUB-Ausstellung, die von 11. Oktober bis 19. Jänner 2026 auf dem Programm steht, soll vor, während und auch nach der Ausstellung konsequent unter Verschluss gehalten werden. Trummer projizierte während der Programmpräsentation den unterfertigten Vertrag über die Verschwiegenheitspflicht an die Wand, wobei der Name des/der Künstler:in eingeschwärzt war. Kenne man Namen, Geschlecht und Herkunft eines Künstlers, stehe dieses Wissen quasi vor dem Werk. „Muss das sein?“, fragte Trummer. Im Herbst werde sich eine Person, die ihre Identität nicht preisgeben wolle, mit der Migration von Ideen und der Frage der Autor:innenschaft befassen, so der Direktor des KUB.

KUB-Projekt mit Armitage, Van Rampelberg und Lassnig

Für die Sommermonate kündigte Thomas D. Trummer im Rahmen eines KUB-Projektes eine Zusammenarbeit mit der Maria Lassnig Stiftung Wien und dem Nairobi Contemporary Art Institute (NCAI) an. Konkret kommt es im Foyer von 12. Juli bis 28. September zu einer Gegenüberstellung von Werken von Michael Armitage, der kenianischen Künstlerin Chelenge Van Rampelberg sowie von Maria Lassnig. Die 2025 gezeigten Arbeiten von Maria Lassnig und Chelenge Van Rampelberg werden von Michael Armitage persönlich ausgewählt. Die Idee zu diesem besonderen Projekt sei in einem Gespräch mit Armitage entstanden, als dieser erwähnte, dass Maria Lassnig für ihn eine der wichtigsten Maler:innen sei. Die Maria Lassnig Stiftung in Wien verfügt über die bedeutendsten Werkbestände der verstorbenen österreichischen Künstlerin, ein großer Teil ihrer Zeichnungen werde den Grundstock der KUB Ausstellung bilden, so der Chef des Hauses. Die Arbeiten selber werden von Armitage ausgewählt. Was das Œuvre der drei Kunstschaffenden verbindet, ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper. Nach 2025 in Bregenz soll die Ausstellung dann 2026 in Nairobi gezeigt werden.

Erstes Cloud-Castle-Projekt

Bereits Anfang November kündigte die seit nunmehr 15 Jahren bestehende Rheintaler „Kunst-Achse“, zu der das Bündner Kunstmuseum Chur, das Kunstmuseum Liechtenstein, das Kunstmuseum St. Gallen sowie das KUB gehören, mit „Cloud Castle“ eine neue gemeinsame Kunstplattform an. Als erstes Vorhaben von „Cloud Castle“ soll die US-amerikanerische Künstlerin Wu Tsang ab 11. Jänner 2025 im Klanghaus Toggenburg das Projekt „Carmen in den Bergen“ realisieren. Zwar wird das Klanghaus offiziell erst im Mai 2025 offiziell eröffnet, aber Tsang werde bereits zu Beginn des neuen Jahres das Klanghaus mit Teilen seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Oper „Carmen“ von Georges Bizet in Schwingungen versetzen.

Einzelausstellungen:

Precious Okoyomon

01.02. – 25.05.2025
Małgorzata Mirga-Tas
07.06. – 28.09.2025
KUB Projekt
11.10.2025 – 18.01.2026

KUB Projekt (im Foyer): Michael Armitage, Maria Lassnig, Chelenge Van Rampelberg
12.07. – 28.09.2025 
Kunstplattform „Cloud Castle“ (im Klanghaus Toggenburg): Wu Tsang
ab 11.01.2025

Kunsthaus Bregegenz
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
https://www.kunsthaus-bregenz.at/

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