Paolo Fresu / Richard Galliano / Jan Lundgren: Mare Nostrum IV Peter Füssl · Apr 2025 · CD-Tipp

Mare Nostrum nennen der sardische Trompeter/Flügelhornist Paolo Fresu, der französische Akkordeonist Richard Galliano und der schwedische Pianist Jan Lundgren ihr erfolgreiches, seit 2005 bestehendes Trio und die dazugehörenden Produktionen, denn das Meer ist ihre gemeinsame Inspirationsquelle. Drei exzellente und viel verkaufte Alben (2007, 2016 und 2019) und hunderte Konzerte machten den virtuosen Dreier zu einem ungemein erfolgreichen Aushängeschild des europäischen Jazz in einer seiner schönsten – nämlich zwischen nordischer Melancholie und mediterraner Lebensfreude changierenden – Ausformungen. Auch im 4. Album findet man kaum Reibungen, nichts Störendes oder Anstrengendes, vielmehr regiert der pure, aber kitschfreie Wohlklang – welch wunderbarer Gegenentwurf zum in vielerlei Hinsicht desolaten Zustand unseres Planeten!

Es ist ja nicht so, dass den Herren langweilig wäre, wenn Mare Nostrum mal nicht unterwegs ist. Lundgren unterhält Duos mit dem Bassisten Hans Backenroth, Posaunist Nils Landgren oder dem Gitarristen Yamandu Costa, diverse Trios, Quartette und ein Jazz-meets-Renaissance-Projekt mit Bassist Lars Danielsson und The Gustaf Sjökvist Chamber Choir. Richard Galliano leitet ein New York Tango Trio, betreibt diverse Piazzolla- und Gershwin-Projekte oder brilliert als Solist in Bach-, Mozart- oder Vivaldi-Konzerten. Paolo Fresu ist ebenfalls in unterschiedlichsten Besetzungen unterwegs und scheint mittlerweile ein Faible für Mammutprojekte zu haben – für sein letztjähriges Projekt „Legacy“ hat er mit drei verschiedenen Bands 39 Titel eingespielt, und „Kind of Miles“, seine eben veröffentlichte, aufwändige Hommage an Miles Davis, umfasst ebenfalls zwei Alben. Aber unzweifelhaft ist Mare Nostrum ein Herzensprojekt, das sich längst zu einer Art Working Band entwickelt hat.


 

 


Jeder steuert für alle Beteiligten maßgeschneiderte Kompositionen bei, prall gefüllt mit eingängigen Melodien, wundervollen Harmonien und schillernden Soundlandschaften. Die unter den spieltechnisch brillanten und ausdrucksstarken Virtuosen nahezu paritätisch aufgeteilten, solistischen Glanzlichter potenzieren angesichts des perfekten Gruppenklanges ihre Wirkung – der Verzicht auf eine klassische Rhythm-Section ist ebenfalls eine originelle Eigenheit. Der Opener „Belle-Île-en-Mer“ von Galliano startet mit Meeresrauschen, in das sich rasch eine melancholische Melodie einfügt. In derselben Stimmungslage bewegen sich auch seine Kompositionen „Colette“ und „Eloquence“, während sein quirliges Arrangement des unsterblichen Piaf-Hits „La Vie en Rose“ durchaus an Fahrt aufnimmt. Paolo Fresu steuert mit „Hope“, „Float“ und „Life“ drei nachdenkliche, aber auch hoffnungsfrohe Stücke bei. Jan Lundgrens Bearbeitung des schwedischen Traditionals „Daniels Farfars Låt“ ist das flotteste Stück des Albums, während bei „Hidden Truth“, „Man in the Fog“ und dem Album-Closer „Lullaby for Two“ wieder die Melancholie in ihrer schönsten Ausprägung zum Zuge kommt. Man kennt sich bestens, geht stets sensibel aufeinander ein, und die spürbare Lust am gemeinsamen Musizieren lässt auch nach 20 Jahren nicht einmal einen Anflug von Routine aufkommen. (ACT)

Konzerttipps: 23.5. TAK Schaan
www.tak.li

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" April 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.

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