Nguyên Lê Trio: Silk and Sand Peter Füssl · Feb 2023 · CD-Tipp

„Ich bin eine personifizierte Fusion der Kulturen“, lautet ein vielzitiertes Statement des vietnamesisch-stämmigen, französischen Gitarristen Nguyên Lê, der in den letzten dreißig Jahren in einem spannenden Musikmix das Beste aus Orient, Okzident und Afrika, aus Jazz, Rock und Ethno auf immer wieder verblüffende Weise neu zusammengeführt hat.

Egal ob die fünfzehn unter seinem eigenen Namen veröffentlichten Alben – dazu kommen noch eine Vielzahl in unterschiedlichsten Musiker:innen-Konstellationen entstandene Produktionen – nun farbenreiche Expeditionen in fernöstliche oder nahöstliche Soundlandschaften, rockige Hommagen an Jimi Hendrix und Pink Floyd enthalten, oder doch näher an die französische Musik oder den amerikanischen Jazz angelehnt sind, wo Nguyên Lê draufsteht, ist auch Nguyên Lê drinnen. Denn der unorthodoxe, fernöstlich gefärbte Gitarrensound des mittlerweile 64-jährigen Autodidakten ist ebenso unverwechselbar wie seine sich aus mitreißenden Rhythmen, sich gefühlvoll ins Ohr schleichenden Melodien und vielschichtigen Soundfarben speisenden Kompositionen. In seinem aus Kanada stammenden Langzeit-Kontrabassisten Chris Jennings und dem marokkanischen, von seinen Engagements bei Sting, Keziah Jones oder Dominic Miller her bekannten Perkussionisten Rhani Krija hat Nguyên Lê wieder einmal kongeniale Partner für die musikalische Umsetzung von neun neuen Eigenkompositionen gefunden. Krijas farbenreiche, explosive Rhythmen und Jennings‘ erdender Bass bilden die ideale Basis für die abwechslungsreichen Läufe des Gitarristen. „Onety-one“ und vor allem der schweißtreibende „Tiger’s Dance“ sind die rockigen Höhepunkte, das von Miron Rafajlovic auf dem Flügelhorn stimmungsvoll eingeleitete „Moonstone“, „The Waters of Origia“ und das von Sylvain Barou auf der indischen Bansuriflöte veredelte „Thar Desert Dawn“ bieten hingegen den idealen Safari-Soundtrack im Cinemascope-Format. Der gefragte Worldmusic-Flötist ist dann auch auf dem meditativen Closer „Becoming Water“ mit der armenischen Duduk zu hören, während der aus Kamerun stammende E-Bassist Étienne Mbappé auf „Baraka“ nach Krijas archaisch gefärbtem Gumbri-Intro plötzlich die Funken sprühen lässt. Das sechsminütige Titelstück „Silk and Sand“ mäandert durch eine Vielzahl an zwischen Zupackendem und Geheimnisvollem oszillierenden Stimmungen, oder wie es Nguyên Lê treffend beschreibt: „Leidenschaftliche Melodien fliegen auf trancigen Rhythmen davon, chantende Instrumente bewegen sich über Kontinente hinweg, ohne ihre Ursprünge zu verwässern. Aus einem Schmetterling geboren, geht Raffinesse eine freudestrahlende Hochzeit mit ursprünglicher Erdung ein.“

(ACT)

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