Neu in den Kinos: „Priscilla“ Michael Pekler · Jän 2024 · Film

Sofia Coppola erzählt die Geschichte von Priscilla Presley an der Seite von Elvis als ein Drama der Verkennung und der Entfremdung. Ein Film über stille Blicke, über die Melancholie und Träume, die nicht platzen, sondern denen langsam die Luft ausgeht.

Die Entfremdung hat schon begonnen, ehe man sie wahrnimmt. Ob damit auch das endgültige Ende der Beziehung eingesetzt hat, steht in diesem Augenblick zwar nicht fest, die Wahrheit zu verdrängen wird sie jedenfalls nicht retten. Schon gar nicht dann, wenn man als Ehefrau meistens allein zu Hause ist, während die angeblichen Affären des Mannes mit Schauspielerinnen die Titelseiten der Boulevardblätter schmücken. Immerhin hat Priscilla Presley (Cailee Spaney) von Elvis (Jacob Elordi) einen weißen Pudel geschenkt bekommen, mit dem sie sich im goldenen Käfig von Graceland tröstet.
„Priscilla“ ist Sofia Coppolas Verfilmung von Priscilla Presleys 1985 erschienener Autobiografie „Elvis and Me“, die wenig überraschend unter entsprechender Aufsicht der auch als Produzentin agierenden Autorin zustande kam. Das soll nicht heißen, dass Coppola ihre künstlerische Freiheit verwehrt, sehr wohl aber die Perspektive vorgegeben wurde – die der US-Regisseurin angesichts ihrer Arbeiten wie „Marie Antoinette“ oder „The Beguiled“ kaum schwergefallen sein dürfte. Coppolas seit „Lost in Translation“ bevorzugter Blick auf luxuriöse Isolation ging schon immer mit einem Hang zum Ästhetizismus einher. Nahm Coppola bereits die als exzentrisch verrufene Königin von Frankreich vornehmlich als eine in Bonbonfarben gehüllte, politische Schachfigur wahr, so ist auch die amerikanische Teenagerin, die sich in den Mädchenschwarm mit dem legendären Hüftschwung verliebt, eine Weitergabe unter Männern. Wenngleich auf Priscillas eigenen Wunsch.

Burning Love

„Priscilla“ beginnt im Jahr 1959 in Deutschland, wo Elvis seine Militärzeit in Wiesbaden absitzt und gegen die Langeweile an den Abenden zu Partys einlädt, auf die alle jungen Leute am Luftwaffenstützpunkt wollen, aber nur wenige dürfen. Priscilla Beaulieu heißt die erst 14-jährige Tochter eines stationierten Offiziers, dem der Ruhm und der Ruf des um zehn Jahre älteren Schlagerstars suspekt und die Schulleistungen Priscillas wichtig sind. Doch Widerstand ist zwecklos, Priscilla ist längst unsterblich verliebt und der höfliche Elvis bei der abendlichen Rückgabe der Tochter stets pünktlich. Und Priscillas Lieblingssong außerdem „Heartbreak Hotel“.
Erstaunlich an dieser längeren Ouvertüre – bevor Priscilla mit einem First-Class-Ticket nach Amerika abhebt und hinter den Mauern von Graceland verschwindet – ist der erkennbare Wunsch der jungen Frau, mit ihrer Sehnsucht nach der wahren Liebe zugleich der Ödnis von Schulalltag und Familie zu entkommen. Es ist eines der gelungensten Kapitel dieses in mehreren Zeitsprüngen erzählten Films, weil Coppola die Ambivalenz dieser Beziehung deutlich macht: ein erwachsener Mann sehnt sich nach kindlicher Naivität, während eine naive junge Frau in eine aufregende, für sie plötzlich zugängliche Welt drängt. Elvis möchte in New York Schauspiel studieren, hat ein Poster von „On the Waterfront“ an der Wand und bewundert Marlon Brando und James Dean. Priscilla liest Fanzeitschriften und ist die beste Zuhörerin, die er sich wünschen kann. Im Vintage-Look der späten Fünfziger werden Träume geboren und wird bei Bedarf bei deren Verwirklichung nachgeholfen, als Elvis wieder zurück in die Heimat darf und Priscilla im faden Nachkriegsdeutschland die Schulbank drücken muss. 

Suspicios Minds

Doch kaum ist man endlich zusammen, beginnen sich die Schatten bemerkbar zu machen. Natürlich nicht sofort, zunächst wird eingekauft, eingerichtet und eingekleidet. Selbstverständlich für Priscilla von dem auch zu Hause ständig von seiner Entourage umgebenen Elvis. Doch wie der Star seine Braut modelliert – er bestimmt Frisur, Haarfarbe, Make-up und Kleidung –, so wird auch er von einer Unterhaltungsindustrie den Bedürfnissen angepasst. Elvis ist in diesem Film kein Musiker, schon gar kein Künstler, sondern ein großer Junge, der andere herumschubst, weil er sich selbst herumgeschubst fühlt. Und je mehr Priscilla die Rolle der unterwürfigen Ehefrau übernimmt, desto klarer wird, dass die gemeinsame Reise durch die Sechziger ein Ende haben wird. Doch Elvis steht in diesem Film nicht am Pranger, sondern wird von Coppola vielmehr ebenfalls als Opfer inszeniert – als ein im Grunde einsamer Verlorener, der den Tod der Mutter nie überwunden hat, als von Tabletten und Erfolgen abhängig, mit depressiven Schüben und einer seltsamen Verweigerung von Sexualität im eigenen Bett.

Seperate Ways

„Priscilla“ steuert auf keinen Höhepunkt zu – wenngleich die Trennung des Paares dann doch wieder einer ist –, erzählt weniger von einer Beziehung als von der Abwesenheit einer solchen. Passenderweise bekommt man in diesem Film auch keine Elvis-Hits zu hören. So wie sich Elvis weigert, die Beatles zu spielen, werden seine Songs von Coppola komplett negiert, stattdessen gibt es Ohrwürmer von The Righteous Brothers, Brenda Lee und Frankie Avalon.
Immer seltener taucht Elvis in Graceland auf, immer eintöniger gerät Priscillas Luxusleben in ihrem gepolsterten Kokon. Gegen Ende des Films sieht man Elvis von hinten auf einer Showbühne in Las Vegas, eine einsame Figur. Ein im Scheinwerferlicht Gefangener. Da bricht die Frau, die sich von ihm hat gefangen nehmen lassen, in ein neues Leben auf. 

Cinema Dornbirn, ab 4.1.

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