Neu in den Kinos: „Pfau – Bin ich echt?“ Michael Pekler · Feb 2025 · Film

Ein Jungunternehmer inszeniert sich als Jedermann und stolpert geradewegs in die Krise: Der österreichische Regisseur Bernhard Wenger widmet sich in seinem erfolgreichen Langfilmdebüt mit viel Humor den Krisen des modernen Mannes.

Matthias (Albrecht Schuch) ist ein Mann für alle Fälle. In welcher dringlichen Situation man sich auch befindet, Matthias löst das Problem – durch bloße Anwesenheit. Je nachdem, was von dem Kunden oder der Kundin gewünscht wird, schlüpft er in die passende Rolle. Als Angestellter der Serviceagentur MyCompanion kann er gebucht werden, um praktisch jedes Bedürfnis zu erfüllen. Außer Sex. Er ist groß, athletisch gebaut, hat kurze blonde Haare und einen Schnauzer, der ihn etwas älter wirken lässt, als er ist. Sucht die Dame einen Begleiter für das Klassikkonzert im Palmenhaus: Matthias ist der perfekte Connaisseur. Möchte die junge Lady im Golfclub imponieren: Matthias weiß, wie man ein brennendes Golfcart löscht. Braucht der saturierte Geschäftsmann einen in Schanghai lebenden Sohn für seinen Sechziger, um den sozialen Status zu untermauern: Matthias hält die beste Geburtstagsrede aller Zeiten. Doch seit einiger Zeit hat er ein Problem: Matthias fühlt sich nicht authentisch.
Bernhard Wengers unter großem Applaus vergangenen Herbst in Venedig uraufgeführtes Langfilmdebüt erweist sich als satirische Charakterstudie des überforderten modernen Mannes: Matthias hat die in ihn gesetzten beruflichen Erwartungen an männliche Rollenbilder so sehr verinnerlicht, dass er mittlerweile auch im Privatleben nicht mehr weiß, wer er ist. „Ich spür dich nicht mehr“, meint seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter) und macht mit ihm Schluss. „Du bist einfach nicht mehr echt.“ Worauf Matthias auf die für ihn einzig mögliche Weise reagiert: Er mimt den traurigen Verlassenen und versucht unter Vortäuschung falscher Tatsachen seine Freundin zurückzugewinnen. Der Versuch mittels inszeniertem Raubüberfall, den er beim gemeinsamen Spaziergang in einstudierter Weise als heldenhafter Beschützer verhindert, scheitert natürlich kläglich. Mit dem Beziehungsende beginnt für Matthias die Selbstdemontage, und als ihm schließlich auch noch der verlassene Ehemann einer Klientin – Matthias gab zuvor erfolgreich den Trennungscoach – mit Vergeltung droht, gerät sein Leben vollends aus den Fugen.

Schön und sonst nichts

Wenger inszeniert diese Leidensgeschichte, bei der man nicht einen Funken Mitgefühl für seinen Protagonisten empfindet, mit fein dosiertem Humor und visuellem Witz: Immer wieder werden die perfekt komponierten, tableauartigen Schaubilder von diversen Skurrilitäten gestört: Tiere mit zwei oder vier Beinen, bizarre Zierbäume und nicht zuletzt seltsame Geräusche aus dem Keller von Matthias‘ schickem Designerhaus am Stadtrand. Unübersehbar als Vorbild fungiert dabei das Arthousekino von Erfolgsregisseur Ruben Östlund („Triangle of Sadness“), an dessen filmische Untersuchungen zu neurotischer Männlichkeit Wenger unmittelbar anschließt. Und tatsächlich ist es eine an Östlunds „The Square“ erinnernde, lächerlich anmutende Kunstperformance, die Matthias emotional erschüttert: Zu sehen ist ein nackter Mann, der sich vor betuchtem Publikum mit Körperfarbe übergießt und seine Abdrücke auf weißen Leinwänden hinterlässt. Während die Frauen um Matthias – seine Freundin, eine nur an einem One-Night-Stand interessierte Studentin und eine handfeste Installateurin – allesamt patent auftreten und wissen, was sie (nicht) wollen, agiert er wie jener Pfau, der in einer teuren Wellnessoase durchs Bild wandert: Er ist schön und sonst nichts. „Der Pfau fliegt weder gut noch viel“, so Wenger. „Er steht metaphorisch für Matthias, der sehr gut repräsentieren kann, aber unter der Oberfläche ist sehr wenig anderes vorhanden.“ 
Doch der Mann ohne Eigenschaften, der sich immer einsamer fühlt, weil er sich nicht mehr fühlt, bekommt in diesem Film natürlich seine Chance, und zwar in einer grotesken Umkehrung des Märchens vom Kaiser mit den neuen Kleidern: Wer sich nackt fühlt, muss es noch lange nicht sein.

ab 20.2., TaSKino im GUK Feldkirch; ab 21.2. Metro Kinocenter Bregenz

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