Neu in den Kinos: „Nur für einen Tag“
Im Langfilmdebüt von Amélie Bonnin kehrt eine Gourmetköchin unfreiwillig in die französische Provinz zurück, um im Gasthaus der Eltern mit der Vergangenheit abzuschließen. Ob ihr das gelingt, wird man sehen. Interessanter als die Geschichte ist die Art und Weise, wie Bonnin sie erzählt: als charmante Mischung aus Familiendrama, Komödie und Musical.
„Raststätten liegen direkt an der Straße, weil es Orte sind, die man schnell wieder verlassen will.“ Was seine Tochter im Fernsehen über ihr Elternhaus gesagt hat, weiß der Vater auswendig. Dafür muss er nicht sein Notizheft herausholen, in das er alles geschrieben hat, was Cécile (Juliette Armanet) in der populären Kochsendung „Top Chef“ über ihr Heimatdorf geplaudert hat. Cécile, in der Küche der Raststätte aufgewachsen, ist nach der Schule nach Paris gezogen und steht nun als 40-jährige Spitzenköchin, selbstverständlich ehrgeizig und kinderlos, kurz davor, mit ihrem Lebensgefährten ein Gourmetrestaurant zu eröffnen. Der Herzinfarkt des Vaters, der sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hat, kommt deshalb ungelegen, Cécile kehrt aber natürlich trotzdem ins elterliche Gasthaus zurück. Und macht sich zunächst mal am Herd nützlich.
Zurück ins Nest
In „Nur für einen Tag“ („Partir un jour“), dem Eröffnungsfilm in Cannes 2025, erzählt die Regisseurin Amélie Bonnin eine einfache Geschichte, wie man sie zu kennen meint, weil man sie vor allem im Kino oft genug erzählt bekommen hat. Es ist die Geschichte vom erfolgreichen Küken, das den zurückgebliebenen Eltern den Rücken kehrt, in der Großstadt flügge wird und irgendwann ins Nest zurückkommt, um sich emotional zu mausern. Also die eigentlich wichtigen Dinge des Lebens zu lernen. Bei Cécile sind das: Verständnis für den Vater Gérard (grummelig: François Rollin) und die Mutter Fanfan (kämpferisch: Dominique Blanc), die sich abwechselnd streiten und versöhnen. Dass der Vater sich von der Tochter verraten fühlt, weil sie Herkunft und Milieu abgelegt hat, erweist sich jedoch rasch als Trugschluss. Kaum ist Cécile im Hotelrestaurant ihrer Eltern angekommen, macht sie den Eindruck, als hätte sie die Raststätte neben der Autobahn nie verlassen.
Cécile tritt eine Reise in die Vergangenheit an, mit der sie nur kulinarisch abgeschlossen hat. Doch selbst in dieser Angelegenheit gibt es noch manches aufzuwärmen: alte rustikale Rezepte sind neu zu entdecken. Schwerer wiegt da schon das Wiedersehen mit Mechaniker, Jugendliebe und Frohnatur Raphaël (Bastien Bouillon), für die gestresste Cécile möglicherweise der Mann der Stunde. Ein Trinkabend mit alten Kumpels, das Aufwärmen ebenso alter Geschichten und das Eingeständnis, dass man sich damals vielleicht doch nicht richtig oder für den Richtigen entschieden hat, sind vorprogrammiert.
Alle singen mit
Die Originalität des Films, der auf Bonnins vor vier Jahren entstandenem gleichnamigen Kurzfilm – damals noch mit männlicher Hauptfigur – beruht, liegt also definitiv nicht in seiner Erzählung. Umso überraschender ist die Art und Weise, wie Bonnin diese auf die Leinwand bringt: als eine Mischung aus Familiendrama, Komödie und Musical. Im scheinbar unpassenden Moment beginnen die Charaktere wiederholt zu singen, lassen ihren Emotionen freien Lauf oder verstummen bereits wieder nach wenigen Takten. Interessanterweise wirkt das keineswegs artifiziell, sondern überraschend natürlich, was auch daran liegt, dass man so manchen falschen Ton in den live am Set gesungenen Liedern zu hören meint. Von Claude Nougaro über Dalida, Céline Dion und der französischen Boygroup 2Be3 reicht die Palette. Die Choreografie unterstreicht dieses Gefühl von Natürlichkeit: Hier wird nicht wie im La-La-Land-Musical perfekt getanzt, sondern manchmal gar gestolpert.
Wie sich in diesem Film alles wendet und am Ende fügt, kann man sich ausmalen. Sein Charme liegt darin, dass es am Wegesrand immer wieder Raststätten gibt, die man gar nicht so schnell verlassen will.
ab 3.10., Cinema Dornbirn (dF, frz. Songs in OmU)