Neu in den Kinos: „No Other Land“ Michael Pekler · Jän 2025 · Film
Ein palästinensischer Aktivist und ein jüdischer Reporter haben ein gemeinsames Ziel: das Ende der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik. Die mehrfach ausgezeichnete Dokumentation zeigt den Kampf palästinensischer Dorfbewohner im Westjordanland gegen die planmäßige Zerstörung ihrer Heimat.
„Bist du ein Menschenrechts-Israeli?“ – „So was in der Art.“ Yuval Abraham muss erklären, warum er jeden Morgen nach Masafer Ytta, einer Ansammlung von palästinensischen Dörfern im Westjordanland, fährt. Und auch immer wieder sich selbst, obwohl er im palästinensischen Aktivisten Basel Adra einen Freund gefunden hat. Basel kämpft seit vielen Jahren gegen die israelische Besatzung – nicht mit Steinen, sondern mit der Kamera. Jedes Mal wenn die Soldaten und die Bagger mit israelischem Gerichtsbeschluss kommen, um die Bewohner zu vertreiben und das nächste Dorf dem Erdboden gleichzumachen, zeichnet Basel mit der Videokamera oder mit dem Handy alles auf. Aus nächster Nähe, oft selbst auf der Flucht. „Ich filme das hier alles“, schreit er dann, als wäre das eine Sicherheitsgarantie dafür, nicht von einer Kugel getroffen zu werden.
Eindeutige Absicht
Obwohl der Film von einem israelisch-palästinensischen Kollektiv stammt, dem neben Basel und Yuval die israelische Regisseurin Rachel Szor und der palästinensische Filmemacher und Aktivist Hamdan Ballal angehören, ist seine Perspektive eindeutig. „No Other Land“ beginnt 2019 und ist kein sachlicher Dokumentarfilm über den Nahostkonflikt. Das wollen vor allem die von Basel stammenden Aufnahmen von brüllenden israelischen Soldaten und weinenden palästinensischen Müttern auch gar nicht sein. Es gibt keine objektive Erzählung, keine historische Einordnung, keine zwei Perspektiven auf eine sogenannte komplexe Situation. Im Gegenteil haben diese Bilder eine eindeutige Absicht, die der Film selbst thematisiert. Yuval ist nämlich Journalist, der über die kontinuierliche Zerstörung der Ortschaften berichtet, der aber darüber verzweifelt, dass sich die Menschen kaum für seine Artikel interessieren. Kann er eine größere Öffentlichkeit, die sich längst an die leidvollen Nachrichten aus der Westbank und an das Ausmaß der israelischen Siedlungspolitik gewöhnt hat, dafür gewinnen, sich gegen die Unterdrückung zu engagieren? In einer Szene beklagt die Mutter eines jungen Mannes, der nach einer Schussverletzung durch israelische Streitkräfte querschnittgelähmt ist, die wiederkehrenden Besuche von Journalisten. Harun Abu Aram wurde niedergeschossen, als er sich mit bloßen Händen gegen die Beschlagnahmung seines Stromgenerators wehrte. Basel hat alles gefilmt. Nun wird Harun als Opfer der Besatzungsmacht fotografiert, doch für seine Familie ändert sich nichts. Am Ende des Films erfährt man, dass Harun mittlerweile gestorben ist.
Gelbes oder grünes Schild
An manchen Abenden unterhalten sich Basel und Yuval darüber, was sie machen würden, wenn sie in einem anderen Land lebten. Wohin sie verreisen oder wann sie heiraten würden. Dann kann man trotz ihres gemeinsamen Ziels spüren, was sie trennt. Ihre Träume mögen dieselben sein, aber der Wehrdienstverweigerer Yuval könnte sie sich erfüllen, sogar in Israel. Er besitzt ein gelbes Autokennzeichen und kann sich frei bewegen. Basel besitzt ein grünes und darf das Westjordanland nicht verlassen. Selbst in ihrer Freundschaft bilden sich die Ungleichheit und das Trennende ab.
Als wieder einmal die Frauen, Männer und Kinder aus einem Dorf vertrieben werden, möchte eine Mutter von einem Soldaten wissen, wohin sie denn gehen sollen – sie hätten kein anderes Land. „No Other Land“ heißt deshalb auch dieser erschütternde und zugleich wichtige Film, der noch vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 beendet wurde.
20.1., 23.1., 24.1. TaSKino im GUK Feldkirch (OmeU)