Neu in den Kinos: „Here“ Michael Pekler · Dez 2024 · Film

Robert Zemeckis begleitet die digital verjüngten Schauspieler:innen Tom Hanks und Robin Wright in ihrem Wohnzimmer durch die Zeiten. Jene im Kino vergeht dabei nur recht langsam. Ein amerikanisches Leben auf engstem Raum.

Obwohl man sich an den Anblick mittlerweile gewöhnen hätte können, beschleicht einen angesichts der digital verjüngten Gesichter und Körper im Kino noch immer ein gruseliges Gefühl. Das liegt nicht daran, dass die De-Aging-Abteilungen schlechte Arbeit leisten würden, sondern wohl an unserem Gedächtnis – und daran, wie wir mit dem lebensbestimmenden Faktor Zeit umgehen. Wem etwa Harrison Ford, Al Pacino und Robert De Niro schon in den 1980er Jahren egal waren, wird sich kaum daran stoßen, die heute alten Stars in aktuellen Filmen wie dem finalen „Indiana Jones“ oder „The Irishman“ als verjüngte Ausgaben ihrer selbst zu erleben. Wer sich allerdings an Tom Hanks und Robin Wright als junges Paar in „Forrest Gump“ (1994) erinnert, könnte mit „Here“, in dem sie nun dreißig Jahre scheinbar im selben Alter wieder auftauchen, gewisse Probleme haben.
„Here“ erzählt die Geschichte des Wohnzimmers eines 1902 erbauten Hauses, in dem in den folgenden hundert Jahren unterschiedlichste Menschen wohnten. Der Film funktioniert also wie ein Bühnenstück, in dem die einzelnen Akte – mit Auftritten und Abgängen in ein gedachtes Nebenzimmer – eine Zeitreise bilden. Das klingt nicht nur nach einer sehr einfachen Idee, sondern ist es bei Robert Zemeckis auch. Allerdings ist es ein schöner Raum, den er sich vorgestellt hat, mit großen Fenstern, einer Fensterbank und einem hübschen offenen Kamin. Man sieht die Leute kommen und gehen, wie sie einziehen und sich einrichten, ein Kind zur Welt bringen und Weihnachten feiern, sich streiten und diverse Tragödien erleben. Doch weil es sich um ein amerikanisches Drama handelt, braucht es – und weil derartige Häuser für solche Menschen gebaut werden – als Mittelpunkt der Geschichte eine Kleinfamilie im 20. Jahrhundert. Und diese bilden Richard (Tom Hanks) und Margaret (Robin Wright), die, weil ein eigenes Haus unerschwinglich ist, jahrelang bei Richards Eltern (Paul Bettany, Kelly Reilly) ausharren müssen. 

Für immer jung

Die dem Film zugrunde liegende Graphic Novel von Richard McGuire will hingegen deutlich mehr als nur die Geschichte eines Zimmers und seiner Bewohner erzählen: Betrachtet man die klaren Zeichnungen, wird die einfache Idee sehr schnell zu einer komplexen Raum-Zeit-Reise: Indem McGuire wiederholt kleine mit Jahreszahlen wie „1957“ oder „1972“ versehene Bilder in größere einbettet, erzeugt sein Bild-im-Bilder-Buch tatsächlich das Gefühl einer Gleichzeitigkeit von Begegnungen, Träumen, Freuden und Ängsten – des Alltags, sozusagen, oder eben des Lebens.
Robert Zemeckis übernimmt dieses Prinzip, indem er ebenfalls wiederholt kleinere Ausschnitte meistens am Leinwandrand platziert. Allerdings immer nur für sehr kurze Zeit, um nicht vom langsam alternden Paar Richard und Margaret abzulenken, das man nicht aus den Augen verlieren soll. Das Ergebnis fällt leider mäßig gut aus: Die übereinander geschichteten Zeiten bei McGuire werden bei Zemeckis nämlich zu einem oft verwirrenden Nebeneinander. Was auch damit zu tun hat, dass die kurzen Geschichten, die am selben Ort vor dem Bau des Hauses spielen, wie Fremdkörper in diesem Film wirken: Ein Artefakt einer indigenen Bestattung wird hunderte Jahre später immerhin wieder auftauchen, nahezu deplatziert wirken allerdings die Bilder von Dinosauriern, die im Erdmittelalter über jene Lichtung trampeln, auf der später das Haus errichtet wird. Dass Zemeckis mit Tom Hanks und Robin Wright sein Traumpaar aus „Forrest Gump“ in verjüngter Version wiedervereint, mag als netter Mehrwert durchgehen und zu einem Regisseur passen, der sich im Laufe seiner Karriere schon immer für digitale Spielereien im Kino – von „Zurück in die Zukunft“ über „Der Polarexpress“ bis „Pinocchio“ – interessiert hat. Was aber nichts daran ändert, dass in „Here“ die Zeit recht langsam verstreicht. 

ab 12.12., Cinema Dornbirn, Cineplexx Hohenems 

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