Neu in den Kinos: „Freud – Jenseits des Glaubens“ Michael Pekler · Dez 2024 · Film

Der sterbenskranke Gründervater der Psychoanalyse liefert sich in seinem Haus in London im Jahr 1939 ein Rededuell mit dem christlichen Apologeten C. S. Lewis. Die Entscheidung, ob Gott existiert oder nicht, wird – wieder einmal – die Nachwelt beantworten müssen.

Sigmund Freud lebt in der Vergangenheit. Wenn er den Garten betritt, findet er sich in einem Empfang in Wien wieder und erhält unter Applaus als erster Psychoanalytiker den renommierten Goethe-Preis. Wenn er aus dem Fenster blickt, auf das schwerer Regen prasselt, sieht er sich selbst als jüdischen Jungen, der von seinem katholischen Kindermädchen in die Kirche gezerrt wird. „It will never be my home“, meint er über sein Haus in London, wohin er vor den Nazis geflüchtet ist. „Never be my Vienna.“ Freud spricht Englisch, denn er hat einen Gast aus Oxford, der erst den letzten Zug nach Hause nehmen wird, zu Besuch. Der Mann heißt C. S. Lewis, hat eben den Roman „Flucht aus Puritanien“ veröffentlicht und wird Jahre später mit den „Chroniken von Narnia“ berühmt werden. Freud ist schon berühmt, doch seine letzten Tage sind angebrochen: Der Krebs hat ihm das halbe Kiefer weggefressen, das Morphium lindert kaum den Schmerz. 
„Freud – Jenseits des Glaubens“ ist ein verfilmtes Streitgespräch zwischen dem jüdischen Wissenschaftler und dem christlichen Schriftsteller, bei dem die Sympathien von Regisseur Matt Brown eindeutig verteilt sind: Freud ist zwar ein zynischer alter Mann, hat aber stets die besseren Argumente als der naive christliche Apologet. Basierend auf dem Bühnenstück „Freud’s Last Session“ liefern sich hier nun Anthony Hopkins und Matthew Goode ein Rededuell über die Existenz Gottes, den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse und darüber ob die Welt 1939 überhaupt noch zu retten sei. Hitlers Truppen sind in Polen einmarschiert, Freud hört unentwegt Radio und liefert spöttische Kommentare über die Nächstenliebe. Lewis könne den Nazis gerne die andere Wange hinhalten.

Duell im Arbeitszimmer

Man merkt diesem Film sein Bemühen an, das wenig attraktive Kammerspiel zwischendurch mit Schauwerten zu versehen, und glücklicherweise war zu diesem Zweck Lewis im Ersten Weltkrieg an der Front: Schützengraben, Schlamm und Schrapnelle. Nur die Ratten können sich im Niemandsland orientieren. Sein Versprechen an den sterbenden Kameraden, sich um dessen Mutter zu kümmern, interpretiert Freud natürlich einschlägig. „Männer, die früh ihre Mutter verlieren, fühlen sich oft zu reifen Frauen hingezogen“, lautet die für Lewis wenig schmeichelnde Diagnose. Die Angst vor dem Tod ist seit dem Krieg sein ständiger Begleiter.
Das mit unzähligen Büchern, Statuetten, Schnitzereien und sogar Heiligenfiguren vollgestopfte Arbeitszimmer Freuds wird so zur rhetorischen Arena, in der zwar der gegenseitige Respekt gewahrt bleibt, die ideologischen Differenzen selbstverständlich jedoch nie überwunden werden. Tatsächlich wirkt die Auseinandersetzung im fiktiven Historiendrama – ob Freud tatsächlich Lewis empfing, ist nicht bekannt – eher wie der ermüdende und sinnlose Versuch, den anderen mit den besseren Argumenten zu überzeugen. Was natürlich nicht gelingt, selbst wenn Freund seinen Gast immer wieder mal scheinbar ins Verhör nimmt. Doch ebenso wenig lässt sich die Lust der Kontrahenten an dieser Auseinandersetzung erkennen. Wenn der gläubige Lewis sich wiederholt ungläubig an die Stirn greift und Freud ein sarkastisches Lachen von sich gibt, möchte man wissen, warum beide sich den anderen eigentlich antun. 
Die eigentliche Gewinnerin in diesem Film ist Anna Freud (Liv Lisa Fries), die in einer Nebenhandlung Psychologie an der Universität unterrichten soll, aber unter der Fuchtel des Vaters steht, ihre Vorlesungen wiederholt für ihn abbricht und ihm ihre Liebesbeziehung zu einer anderen Frau verheimlicht. Irgendwann sitzen die beiden Frauen dann vor dem Gründervater der Psychoanalyse und schweigen. Und das ist bedeutender als vieles andere, dass die beiden Männer zuvor besprochen haben. 

ab 20.12. im Cinema Dornbirn

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