Neu in den Kinos: „Drive-Away Dolls“ Michael Pekler · Mär 2024 · Film

Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: Ein Roadmovie über zwei Freundinnen, die mit trotteligen Gangstern und lesbischer Liebe Bekanntschaft machen. Eine verspielte Fingerübung und ein Warnhinweis, nie in den falschen Mietwagen zu steigen.

Mit einem Gegenstand im Kofferraum unterwegs zu sein, der dort nicht hingehört, kann sich als gefährlich erweisen. Vor allem wenn die Reise, wie man es aus zahlreichen Filmen gelernt hat, durch amerikanische Bundesstaaten führt. Und man obendrein verfolgt wird. Zum Beispiel von Leuten, denen dieser Gegenstand gehört oder die ihn schlicht besitzen wollen, weil sie viel Geld für ihn ausgegeben haben oder sich viel Geld von ihm erwarten.
Ethan Coen hat in seinem Leben schon unglaublich viele Filme gesehen, sehr viele geschrieben und in den vergangenen vierzig Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Joel inszeniert. In „Drive-Away Dolls“ kann man das von der ersten Minute an feststellen, denn sein Solo-Debüt als Spielfilmregisseur – nach einer Dokumentation über Jerry Lee Lewis – lebt hauptsächlich von bekannten Ideen. Wie zum Beispiel von jener, zwei junge Frauen in ein Auto zu setzen und sie durch Amerika zu schicken. Also sitzen die aufgedrehte Jamie (Margaret Qualley) und die schüchterne Marian (Geraldine Viswanathan) in einem nicht mehr ganz funktionstüchtigen Mietwagen, um diverse Beziehungsprobleme hinter sich und im Norden zu lassen. Das Ziel heißt Tallahassee, Florida.
„Drive-Away Dolls“ ist eine Mischung aus Kriminalkomödie und Roadmovie, angereichert mit unzähligen Motiven aus der amerikanischen Filmgeschichte, die man so oder anders bereits unzählige Male gesehen hat: Da sind die zwielichtigen, aber trotteligen Verfolger, die von ihrem Boss am Telefon drangsaliert werden. Da sind die unbedarften, aber im entscheidenden Moment stets richtig agierenden Verfolgten, die es nichtsahnend auf Zufall und Glück ankommen lassen. Und da ist natürlich das Transportgut, in diesem Fall ein metallener Koffer und eine ominöse Schachtel, die für die nötige Überraschung sorgen. Für den belustigenden Mehrwert wiederum soll die Tatsache sorgen, dass die beiden Twentysomethings ihre lesbische Liebe je nach Aufenthaltsort verstecken oder entdecken. Dazwischen gibt es psychedelische Traumsequenzen sowie einminütige Gastauftritte von Matt Damon, Miley Cyrus und Pedro Pascal. Und nach nicht einmal eineinhalb Stunden ist der Spaß zu Ende.

Schlittenfahrt

„Drive-Away Dolls“ wirkt auch deshalb wie eine einfache Fingerübung, bei der man sich nicht verspielen kann und niemandem ernsthaft schaden will: ein wenig albern, ein bisschen intellektuell, ein wenig comicartig und ein bisschen manieristisch. Und mit ziemlich gut geschriebenen Dialogen und trockenen Pointen. Also so wie viele Filme der Coens der vergangenen Jahrzehnte, mit denen sie – wie sonst nur David Lynch und Quentin Tarantino – das postmoderne US-Kino massentauglich machten und zwischen Genialität („Inside Llewyn Davis“) und Totalreinfall („Intolerable Cruelty“) schwankten. Irgendwie schade ist das bei diesem teilweise skurrilen Lesben-Roadmovie natürlich doch, weil „Drive-Away Dolls“ unübersehbar das Potenzial zu einem bemerkenswerten Genrefilm besessen hätte.
Möglicherweise kann man das aber auch erst in den nächsten Jahren entdecken. Denn Ethan Coen und seine Frau und Co-Autorin Tricia Cooke haben prophezeit, dass „Drive-Away Dolls“ nur der Auftakt zu einer queeren B-Movie-Trilogie sein soll. Womit man dem Slogan „Love is a Sleigh Ride to Hell“, der in riesigen Lettern auf dem Kofferraumdeckel prangt, durchaus nochmal begegnen könnte.

ab 7.3., GUK Kino Feldkirch (OmdU), Cineplexx Hohenems

Teilen: Facebook · E-Mail