Neu in den Kinos: „Civil War“ Michael Pekler · Apr 2024 · Film

Der amerikanische Bürgerkrieg hat begonnen, und mit ihm die Jagd nach dem besten Foto. Der mit Spannung erwartete neue Film von Alex Garland überträgt die Ängste und Schrecken eines gespaltenen Amerikas auf die Leinwand. Technisch perfekt, aber ohne eigenes Risiko.

Wie viele Weltreiche im Laufe der Jahrtausende auch untergegangen sein mögen, vom jeweils mächtigsten wollte man es dennoch nie glauben. Die Vereinigten Staaten, oft und gerne kurz Amerika genannt, bilden hier keine Ausnahme. Wie das britische Empire ein Jahrhundert zuvor scheint das reichste und mächtigste Imperium der Gegenwart unerschütterlich. Wenn es nicht jenes Schicksal ereilt, das bereits viele andere Großmächte zuvor zusammenbrechen ließ: Amerika zerfällt von innen.
Es ist ein Szenario, das wiederholt in der Literatur (etwa im großartigen Roman „American War“ von Omar El Akkad), aber auch ausreichend im Kino (in der Kriegssatire „The Second Civil War“ von Joe Dante) fiktionalisiert wurde, und das nun auch Alex Garlands aktuellem Sci-Fi-Actionfilm „Civil War“ zugrunde liegt. Wobei dieser in naher Zukunft angesiedelte amerikanische Bürgerkrieg mit dem Einsetzen der Handlung eigentlich bereits entschieden ist: In seiner Fernsehansprache aus dem Weißen Haus mag der amtierende Präsident, der sich verfassungswidrig eine weitere Amtszeit erlaubt und das FBI aufgelöst hat, noch den Sieg beschwören – die Wirklichkeit indes sieht anders aus: Unerbittlich rücken die Truppen der Sezessionisten, ausgerechnet aus Texas und Kalifornien, nach Washington vor, wobei die Fronten oft so wenig eindeutig auszumachen sind wie der Feind.

Nihilistisches Roadmovie

Der Zerfall der Nation mag seit der tatsächlichen Abspaltung der Südstaaten im historischen Bürgerkrieg als amerikanisches Trauma oder Wunschdenken betrachtet werden, befeuert werden diese Fantasien allerdings stets in der Gegenwart. Wenn also Anhänger eines völlig unberechenbaren Ex-Präsidenten nach dessen verlorener Wahl das Capitol stürmen, werden jene Ängste wachgerufen, die ein Film wie „Civil War“ perfekt bedient: ein dystopisches Endzeitszenario mit totalem Verlust von staatlicher Autorität und Sicherheit. Unbegründete Verschwörungstheorien in rechten Medien und Hassreden eines Immobilienmilliardärs, der wieder Präsident sein möchte, über ein allfälliges „Blutbad“ im Land tragen das ihre dazu bei. 
Der Zeitpunkt für „Civil War“ könnte also nicht besser gewählt sein, sowohl im Sinne einer Aufmerksamkeitsökonomie, als auch in Hinblick auf eine etwaige gesellschaftspolitische Botschaft – falls er denn eine hätte. Doch der britische Autor und Regisseur Alex Garland, geschätzt für intellektuell-verspielte Science-Fiction-Filme („Ex Machina“, „Auslöschung“), geht im Gegensatz zu seinen Charakteren kein Risiko ein: Als hätte er sich vor Drehbeginn im Arsenal bekannter Endzeitfilme umgesehen, erzählt Garland in Form eines apokalyptischen Stationendramas von der Grausamkeit und dem Schrecken als nihilistisches Roadmovie.

Traumatische Erinnerung

Wer sich auf die Reise begibt, ist in diesem Film nämlich weniger wichtig als das Motiv: Als sie die Rede des Noch-Präsidenten an die verbleibende Nation hört, beschließt die renommierte Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) gemeinsam mit dem Journalisten Joel (Wagner Moura) von New York nach Washington zu fahren, um die geplante Erstürmung des Weißen Hauses am Unabhängigkeitstag zu dokumentieren – für ein letztes Interview und ein letztes Bild. Wobei es nicht nicht lange dauert, bis sich mit der jungen, ehrgeizigen Fotografin Jessie (Cailee Spaeny) und der alten Reporterlegende Sammy (Stephen McKinley Henderson) ein Quartett auf den Weg macht. 
So zusammengewürfelt die Gruppe auch scheinen mag, so eindeutig ist eben deshalb die Rollenverteilung – und wer die anderen in Gefahr bringen oder retten wird. Für die Entwicklung seiner Charaktere interessiert sich Garland indes nur bedingt, wichtiger ist diesem Film – ganz im Sinne Lees als Kriegsfotografin – der entscheidende Augenblick. Dass sie das Zepter an die Nachfolgerin abgeben wird, weiß man spätestens, wenn sie von traumatischen Erinnerungen an frühere Einsätze an Schauplätzen heimgesucht wird, während sich Jessies Aufnahmen im Laufe der Reise immer mehr jenen ikonischen Fotografien nähern, denen alle Kriegsfotografen seit Robert Capa und Eddie Adams hinterherjagen. 
„Man kann die beste Geschichte der Welt schreiben, aber die Menschen glauben der Fotografie“, so Adams nach seinem berühmten Bild der Exekution eines Gefangenen in Saigon, lange bevor die Manipulation der Bilder allgegenwärtig wurde. „Doch die Bilder lügen, auch ohne Manipulation. Sie sind nur Halbwahrheiten.“ So wie das vermeintlich authentische letzte Foto in „Civil War“ nur einen Teil der fiktiven Wahrheit erzählt.

ab 17.4. Kino Bludenz, Cineplexx Hohenems (auch OF); ab 18.4. Cineplexx Lauterach

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