Neu in den Kinos: „Bob Marley: One Love“ Michael Pekler · Feb 2024 · Film

Musiklegende, Friedenstifter und politische Identifikationsfigur: Im aktuellen Biopic von Reinaldo Marcus Green bleibt Bob Marley allerdings meist der traurig verstrubbelte Kiffer, der im europäischen Exil Karriere macht und von einer besseren Welt träumt.

Auf den Straßen von Kingston, Jamaika, regiert die Gewalt. Man schreibt das Jahr 1976, und der Wahlkampf zwischen den rivalisierenden politischen Parteien nähert sich bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Hunderte Menschen sind im bewaffneten Konflikt bereits gestorben. Mittendrin eine Gruppe junger Leute, die das Gegenteil im Sinn haben: Frieden mithilfe eines Auftritts bei einem geplanten Musikkonzert. „His guitar is his machine gun“, meint ein weißer Auslandsjournalist über einen der jamaikanischen Musiker, der von allen Menschen in seiner Heimat verehrt wird und deshalb auch großen politischen Einfluss hat. Der junge Mann heißt Bob Marley.
Zu diesem Zeitpunkt ist Bob Marley (Kingsley Ben-Adir, im englischsprachigen Original authentisch mit jamaikanischem Dialekt) bereits ein Idol. Er singt über den Frieden, seine Heimat Jamaika, über Spiritualität, die Unterdrückung und über Gerechtigkeit. Seine Freunde raten ihm deshalb ab, sich der möglichen Gefahr eines Attentats auszusetzen. Und zwei Tage vor dem „Smile Jamaica“-Konzert werden Marley, seine Frau Rita (Lashana Lynch) und sein Manager tatsächlich im eigenen Haus Opfer eines Anschlags. Marley tritt dennoch auf, zieht auf offener Bühne sein T-Shirt in die Höhe und zeigt dem Publikum die Schusswunden. Und verschwindet für den Großteil des weiteren Films ins Londoner Exil.

Fremder in der Ferne

Es ist einerseits eine gute Idee, dass sich Regisseur Reinaldo Marcus Green – zuletzt für das Biopic „King Richard“ über den Vater der Tennisstars Venus und Serena Williams verantwortlich – für „Bob Marley: One Love“ dazu entschlossen hat, die Erzählung auf nur zwei Jahre zu komprimieren. Denn in diesem kurzen Lebensabschnitt, der mit dem legendären „One Love Peace Concert“ von 1978 zu Ende geht, findet man alles, was die Welt knapp fünfzig Jahre später mit dem 1981 an einer Krebserkrankung gestorbenen Marley verbindet: seine größten musikalischen Erfolge, den kommerzielle Aufstieg, Idol der Jugendkultur und der Friedensbewegung sowie die Entstehung des gefeierten „Exodus“-Albums.
Andererseits verhindert die Reduktion auf die offensichtlich bedeutendsten Jahre und Momente – abgesehen von wenigen kurzen Rückblenden – eine eingehende Auseinandersetzung mit dem wichtigsten Reggae-Sänger der Musikgeschichte. Gehorsam bewegt sich der Film von einer offensichtlich besonders prägnanten Szene zur nächsten, als wäre das Priorität und oberste Pflicht jedes Biopics. Auf der Strecke bleiben dabei jedoch jene Zwischentöne, die Bob Marley besonders als Musiker mit politischer Mission bestimmten. In seiner Londoner Wohnung sitzend, im Trainingsanzug durch die Straßen joggend, im Park Fußball und im Studio mit der Band das neue Album spielend, wirkt er wie ein Fremder in einer Welt, zu der er keinen Zugang findet. Bob Marley bleibt in „One Love“ meist ein verstrubbelter Kiffer, der von einer besseren Welt träumt.

Star im Schnelldurchlauf

Dass „One Love“ keine konsistente Perspektive auf seinen Protagonisten findet, zeigt sich vor allem anhand seiner sprunghaften Montage: Hier die Session mit den Wailers, dort das intern umstrittene und schließlich natürlich erfolgreiche Plattencover von „Exodus“; hier im Schnelldurchlauf der Aufstieg zum Popidol mit ausverkaufter Europatournee, dort der Streit mit Rita nach einem der Karriere dienlichen Society-Empfang, mit dem Marley in den Augen seiner Frau seine Ideale verrät („You swim in pollution, you get polluted“). Bis sich schließlich die Frage aufdrängt, was Reinaldo Marcus Green und seine drei Drehbuchautoren mit „One Love“ abseits erstaunlich lange eingespielter Musiknummern von „I Shot the Sheriff“ über „No Woman, No Cry“ bis „Redemption Song“ über den Menschen und Musiker Bob Marley eigentlich erzählen wollen. 
„Ich möchte, dass die Zuschauer aus diesem Film gehen und sagen können, sie verstehen jetzt diese Musik, was sie aussagt.“ Meint nicht Reinaldo Marcus Green, sondern erklärte der britische Filmemacher Kevin Macdonald („Der letzte König von Schottland“, Whitney“), der mit seiner zweieinhalbstündigen Dokumentation „Marley“ (2012) in klassischer und zugleich bester Manier – auch dank uneingeschränktem Zugriff auf Archivmaterial der Familie – das Leben Bob Marleys als Musiklegende, Friedenstifter und politische Identifikationsfigur nachzeichnete. „Und vor allem auch, wer Bob Marley wirklich war.“ In „One Love“ hingegen wird man dies nicht erfahren. 

Ab 14.2., Kino Bludenz, GUK Kino Feldkirch, Cineplexx Hohenems, Cinema Dornbirn

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