Neu in den Kinos: „Black Bag – Doppeltes Spiel“ Michael Pekler · Mai 2025 · Film

Michael Fassbender muss als britischer Agent innerhalb von sieben Tagen einen Maulwurf in den eigenen Reihen aufspüren. Dass sich unter den Verdächtigen auch Cate Blanchett als seine Frau befindet, macht die Sache nicht einfacher. Steven Soderbergh läuft mit seinem kühl inszenierten und atmosphärisch dichten Agententhriller zu neuer Höchstform auf.

Ein Mann bewegt sich zielstrebig durch das nächtliche London, steuert auf einen Nachtclub zu, geht wortlos an den Türstehern vorbei und die Treppe hinunter in den Keller. Dort sitzt ein anderer Mann in einer lauschigen Loge, wenige Augenblicke später stehen beide im Halbdunkel einer Seitenstraße. Zum ersten Mal erkennt man nun das Gesicht des Mannes, dem die Kamera bislang wie ein Schatten gefolgt ist: George Woodhouse (Michael Fassbender), Nachrichtenoffizier beim britischen Geheimdienst, erhält einen besonderen Auftrag: Er soll einen Verräter in den eigenen Reihen aufspüren. Ein von den Briten selbst entwickeltes Computerprogramm wurde gestohlen. Der Kreis der Verdächtigen ist überschaubar, dass sich seine Frau Kathryn (Cate Blanchett), ebenfalls professionelle Spionin, darunter befindet, nimmt Woodhouse mit stoischer Gelassenheit zur Kenntnis. Woodhouse bittet um zwei Wochen. Das würde zu lange dauern, zehntausende Menschenleben sind in Gefahr. Es bleiben nur sieben Tage. „Find the rat“, sagt der andere Mann. Er solle zu seiner Frau nach Hause gehen, entgegnet Woodhouse. Es ist Freitag.

Kleiner Kreis

„Black Bag“ ist ein auf eineinhalb Stunden verdichteter Thriller, dem auf den ersten Blick etwas Altmodisches anhaftet, der sich aber als überraschend modern herausstellt. Das liegt daran, dass eine Geschichte über die Suche nach einem Maulwurf in der eigenen Organisation den Spionagefilm nicht unbedingt neu erfindet; dass es Steven Soderbergh mit „Black Bag“ aber gelingt, aus diesem alten Motiv etwas völlig Neues zu machen: ein mit Gegenwartsbezügen durchsetztes und höchst präzise inszeniertes Kammerspiel auf ebenso höchstem Niveau.
„Avoid the Chana Masala.“ Bevor er am folgenden Tag die vier Verdächtigen – nicht zufällig handelt es sich um zwei Paare – zu sich nach Hause zum exquisiten Dinner einlädt, gibt Woodhouse seiner Frau einen guten Rat mit in den Samstagabend. Denn der Hausherr hat dem Gericht eine Substanz beigemengt, die – im Rahmen eines von ihm selbst initiierten Spiels – der Wahrheit auf die Sprünge helfen soll. Moralische Verfehlungen werden sich im Laufe des Abends als mindestens so schmerzhaft erweisen wie ein Steakmesser. Das war der Samstag. 

Enge Schlinge

Soderbergh hat im Laufe seiner Karriere mehr als dreißig Filme gedreht und erweist sich seit ebenso vielen Jahren als einer der umtriebigsten Independent-Regisseure, der dennoch immer wieder auf die Mitarbeit von Hollywood-Stars zählen kann. So kann er auch für „Black Bag“ neben Fassbender und Blanchett auf ein großartiges Ensemble zurückgreifen: Tom Burke, Marisa Abela, Naomie Harris und Regé-Jean Page bilden jenes Quartett verdächtiger Kolleginnen und Kollegen in der vom Zyniker Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan) geführten Organisation, um deren Hals sich die Schlinge privater und beruflicher Verstrickungen immer enger zieht. Während Kathryn auf die Frage ihres Mannes, ob sie ihn anlügen würde, die einzig richtige Antwort gibt: „Only if I had to“.
Bis auf den beunruhigenden Score von David Holmes hat Soderbergh wie so oft auch diesmal fast alles im Alleingang erledigt und zeichnet unter Pseudonym auch für Kamera und Schnitt verantwortlich. Das Drehbuch des üblicherweise für Mainstreamproduktionen zuständigen David Koepp beschränkt sich auf wenige, aber perfekt gewählte Schauplätze für die diversen Katz-und-Maus-Spiele: das nobel ausgestattete Haus von George und Kathryn Woodhouse mit dunklem Esstisch, ein hypermodernes Bürogebäude mit zweckdienlichen Überwachungsmöglichkeiten – und ein abgelegener See mit Bootshaus. Denn in seiner Freizeit geht Woodhouse – schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Designerbrille – natürlich angeln. 

Vertrauensfragen

„Black Bag“ erinnert mitunter weniger an einen Spionagethriller denn an ein Psychodrama – tatsächlich arbeitet eine der Verdächtigen pikanterweise als interne Psychologin für den Geheimdienst –, in dem die Konfrontationen sich bis zum Finale ausschließlich auf Wortduelle beschränken. Was es genau mit dem Computerprogramm namens Severus auf sich hat, warum ausgerechnet diese Namen auf einer Liste potenzieller Verräter auftauchen und welcher Masterplan im Hintergrund geschmiedet wurde, erweist sich im Laufe der Tage als gar nicht sonderlich wichtig. Im Gegensatz zur Frage nach der Liebe in Zeiten der Unordnung: „Black Bag“ ist ein atmosphärisch dichter Krimi über blendend aussehende Menschen und vor allem Paare, die sich gegenseitig die Vertrauensfrage stellen, obwohl sie wissen, dass sie sich in einer Welt aus Lügen, Misstrauen und falschen Gefühlen befinden. Mit der Möglichkeit, alles, was nicht gesagt werden darf, in der sogenannten „Black Bag“ verschwinden zu lassen.

ab 15.5., Cinema Dornbirn, Cineplexx Hohenems, SKINO Schaan (OmU)

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