Musiker:innen mit eigenem Kopf bei Dornbirn Klassik
Die Violinistin Chouchane Siranossian, das Bruckner Orchester Linz und Markus Poschner präsentierten allseits bekannte Werke in aufregend neuen Spielarten.
Silvia Thurner · Apr 2024 · Musik

Der Saisonsabschluss der Dornbirn Klassik Abonnementkonzerte fand in bereits bewährter Art in Kooperation mit dem Internationalen Bodenseefestival statt. Zu Gast war das „Bruckner Orchester Linz" mit seinem Chefdirigenten Markus Poschner. Die ausdrucksstarke Violinistin Chouchane Siranossian stand im Mittelpunkt des fulminanten Konzertes, das mit Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-Moll und Bruckners 6. Symphonie auf zwei Säulen aufbaute.

Die Erwartungen an die Interpretation der 6. Symphonie von Anton Bruckner unter der Leitung von Markus Poschner waren sehr hochgesteckt. Bekanntlich wird in diesem Jahr der 200. Geburtstag von Anton Bruckner gefeiert. Dies war auch der Anlass für das oberösterreichische Bruckner Orchester Linz alle Symphonien einzuspielen, und zwar auch sämtliche Bearbeitungen, die der Komponist seinen Orchesterwerken zuteilwerden ließ. Der Chefdirigent Markus Poschner formte Bruckners sechste Symphonie mit seiner individuellen musikalischen Sichtweise. Ausgehend von einer zügigen Tempowahl betonte er primär die rhythmisch-metrischen Aspekte der Symphonie sowie die musikalischen Texturen der Motivgestalten und verlieh dem Werk damit eine erfrischende Note. Bestens vertraut miteinander musizierten die Orchestermusiker:innen und Markus Poschner und stellten eine mitreißende Werkdeutung in den Saal des Dornbirner Kulturhauses.
Auffallend kamen die deutlich herausgearbeiteten Stimmverläufe jeder einzelnen Stimmgruppe zur Geltung. Auf diese Weise waren die stets markant phrasierten rhythmischen Muster transparent durchhörbar. Die kraftvoll ausgestalteten rhythmischen Figurationen entwickelten besonders in den Ecksätzen eine enorme Schubkraft. Markus Poschner legte auch viel Wert auf den energetischen Fluss. Sich aufbäumende Passagen wurden zuerst mit spannungsgeladener Zurückhaltung entfaltet, um danach mittels Lautstärkensteigerungen den Antrieb enorm zu steigern. So kamen die stilprägenden, oftmals terrassenartig angelegten Themengestalten hervorragend zur Geltung.
Viele Details belebten die Interpretation der Sechsten. Sie können an dieser Stelle nicht dargestellt werden. Jedoch blieb unter anderem die Dringlichkeit in Erinnerung, mit der das Bruckner Orchester Linz und Markus Poschner den zweiten Satz in den Raum stellten. Die Tonartenmodulationen und die Korrespondenzen einzelner Soli sowie die Zusammenführung der musikalischen Energie in den treppenförmig sinkenden Streicherpassagen hinunter in den erdigen Klanggrund wirkten überaus eindrücklich.

Sensibel und zugkräftig zugleich

Als Artist in Residence steht beim diesjährigen Bodenseefestival die Violinistin Chouchane Siranossian im Mittelpunkt. Die vielseitige Musikerin begründet ihre Interpretationsansätze auf der historisch informierten Aufführungspraxis und einem tiefen Verständnis für die musikalischen Zusammenhänge, die Kompositionen, wie das berühmte Violinkonzert in e-Moll, op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy, im Inneren zusammenhalten. Die Solistin zog mit ihrem wunderbar zarten Timbre und einer bewundernswert facettenreichen Tongebung die Zuhörenden in ihren Bann. Vor allem im Eröffnungssatz setzte sich in meiner Wahrnehmung der Eindruck fest, als müssten die Solistin und das Orchester ihre Temperamente erst aufeinander abstimmen. Doch vor allem die lyrischen Passagen, in denen das Orchester der Solistin viel Gestaltungsspielraum gewährte und sich poesievolle Korrespondenzen herauskristallisierten, verströmten eine mitreißende Wirkung. Chouchane Siranossian ermöglichte neue Blicke auf das viel gespielte Violinkonzert, indem sie Passagen erfrischend neu phrasierte. So ließ unter anderem die gespaltene Linienführung mit den bewundernswert ausgestalteten Doppelgriffen und der durch die virtuose Spielart leicht schwingende Duktus im Andante aufhorchen.
Mit einem armenischen Lied aus dem 11. Jahrhundert bedankte sich die sympathische Musikerin und machte mit ihrem sinnlichen Spiel Lust auf mehr. Glücklicherweise findet das Bodenseefestival noch bis zum 20. Mai statt. Chouchane Siranossian wird in mehreren Konzerten solistisch und in Kammermusikensembles präsent sein.

www.bodenseefestival.de

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