Musikgeschichte lebendig gemacht
Das Ensemble Plus präsentierte Marksteine der Musik des 20. Jahrhunderts
Silvia Thurner ·
Okt 2025 · Musik
Das Ensemble Plus ermöglichte in der Remise Bludenz einen spannenden Einblick in die Kompositionsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Mit Werken von Pierre Boulez, Anton Webern und Luciano Berio präsentierten die engagierten Musiker:innen rund um den Ensembleleiter Guy Speyers zentrale Wende- und Ausgangspunkte des musikalischen Ausdrucks. Anton Webern reduzierte in seinem Streichtrio op. 20 die melodischen Linien auf das Wesentlichste. Luciano Berio hob mit seinen Folk Songs Volkslieder auf ein ganz neues Niveau, und Pierre Boulez stellte den Dialog der Klarinette mit der Elektroakustik bahnbrechend in Beziehung zum Raum.
Der Klarinettist Hauke Kohlmorgen stellte sich der Herausforderung und interpretierte die wegweisende Komposition „Dialogue de l'ombre double“ von Pierre Boulez in der Remise Bludenz. Dabei trat er musikalisch vielschichtig in einen Dialog mit seinem Schatten. Das waren vorher aufgezeichnete Passagen, die während der Aufführung nahtlos mit seinem realen Spiel in Verbindung gesetzt wurden. Spannend formte er die unterschiedlichen Tonliniengestalten aus. So stellte sich ein reizvoller Dialog mit den über mehrere Lautsprecher hinweg im Raum verteilten Zuspielungen ein. Martin Bröll steuerte die Live-Elektronik und ergänzte den Klarinettenpart ideal.
Aufmerksamkeit erregt auch das Streichtrio op. 20, das Michaela Girardi (Violine), Guy Speyers (Viola) und Jessica Kuhn (Violoncello) spielten. Sie zeigten in ihrer Werkdeutung, wie Klangqualitäten in den Vordergrund treten, wenn der melodische Fluss auf das Wesentliche verkürzt wird und die Stimmen direkt und subtil ineinander verzahnt werden.
Ausgleichend dazu wirkte das Werk „Altra voce“, dargeboten von Anja Nowotny-Baldauf an der Altquerflöte zusammen mit der Mezzosopranistin Christie Finn und in Verbindung mit Live-Elektronik von Martin Bröll. Im Saal breitete sich eine fast sakrale Atmosphäre aus, als die Musiker:innen die Stimmen ineinanderfließen ließen. Schwebungen und Reibungen erklangen, Unisono und sich vervielfachende Tonlinien traten mit feinen Trillerketten der Flöte innerhalb eines konzentrierten Flows zueinander in Beziehung.
Mit den „Folk Songs“ für Mezzosopran und sieben Spieler setzte Luciano Berio im Jahr 1964 ein starkes Zeichen. Die Aufführung mit der Mezzosopranistin Christie Finn und dem Ensemble Plus (zu den bereits erwähnten Musiker:innen kamen Viktor Hartobanu an der Harfe sowie Bertram Brugger und Arwed Kern am Schlagwerk) vergegenwärtigte die charakteristischen Wesenszüge des Liederzyklus gut. Vielfältig gestaltete die Sängerin die Vokalklänge und brachte damit die unterschiedlichen Farben und Emotionen zur Geltung. Als Reflexionsfläche agierte das Ensemble, das mit der notwendigen Zurückhaltung, aber stets präsent, die Charaktere der einzelnen Lieder präzisierte.