Memento Mori – Doris Büchel und ihre Ode an das Leben
„Wie lange ist nie mehr“ – Buchvorstellung von Doris Büchel
Anita Grüneis ·
Feb 2025 · Literatur
Das TAK war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und das um 11 Uhr am Sonntagmorgen! Eingeladen hatten das Theater Liechtenstein und das Literaturhaus Liechtenstein, auf dem Programm stand die Vorstellung des Buches „Wie lange ist nie mehr“ von Doris Büchel. „Es wird das erste und vermutlich auch das letzte Mal sein, dass ich im ausverkauftem TAK auf der Bühne stehe“, meinte die Autorin mit einem Schmunzeln. Das bleibt nach dieser Lesung noch dahingestellt, denn der Inhalt Ihres Buches sorgte für Standing Ovations.
Doris Büchel ist im Land keine Unbekannte. Im Literaturhaus leitet sie das Programm Shared Reading, bei dem einmal im Monat Menschen zusammenkommen, um sich gemeinsam ein Stück Literatur anzuhören und sich dann darüber auszutauschen. Dabei kann jeder sagen, was er denkt und fühlt. Oder schweigen und einfach nur zuhören. Außerdem gibt sie seit März 2016 die Edition Onepage heraus, das reduzierteste Literaturmagazin der Welt im Plakatformat A1. Als freischaffende Journalistin lebt sie mit ihrem Mann Marco „Büxi“ Büchel in Triesenberg. Seit vier Jahren arbeitet sie mit dem Hospiz Werdenberg und seit einem Jahr mit der Hospizbewegung Liechtenstein zusammen. Dabei begegnet sie Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt und ermuntert sie, prägende Momente ihres Lebens schriftlich festzuhalten, um die eigenen Hoffnungen und Wünsche mit anderen zu teilen.
Ein ehrliches Buch ohne Eitelkeiten
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Themen ihres Buches „Wie lange ist nie mehr“ um das Leben „im Angesicht der Endlichkeit“ handeln. „Endlich. Doris Büchel hat ihr Buch geschrieben, in ihrer Sprache, ihrem Stil, ihrer ureigene Poesie: ihr eigenes Buch“, schreibt der Schweizer Kabarettist Bänz Friedli im Vorwort. Er hat das Buch von Anfang bis Ende begleitet, wie er bei der Präsentation erzählte, da sie ihm die jeweiligen neuen Seiten vorgelesen und geschickt hatte. Er könne es also nun auch als Hörbuch herausgeben, meinte er scherzhaft und nannte das Buch „eine wunderbare ergreifende Ode an das Leben“. Doris Büchel gelinge das Kunststück, radikal persönlich, aber bar jeder Eitelkeit zu sein, meinte er weiter. Das Buch sei kein Ratgeber und keine Biografie, nicht Literatur und nicht Lehrbuch – sondern all dies zusammen und noch viel mehr. „Wie lange ist nie mehr“ ist tieftraurig und wunderschön – wie das richtige, das pralle, das wahre Leben“, so Bänz Friedli.
Eine geschliffene Sprache
Beim Vorlesen wird klar, dass Doris Büchel eine Meisterin des Lapidaren ist. Kein Wort ist zuviel, keines ist unscharf, sie sind alle genauestens auf ihren Inhalt untersucht. Mit diesem Material „malt“ sie klare und deutliche Bilder. Schon beim ersten Satz holt sie ihre Lesenden ab: „Der Stuhl stand einfach so da, an diesem Sandstrand bei Gigliano del Capo im untersten Stiefelabsatz Italiens. Es war keiner dieser verwitterten Plastikstühle, wie man sie unter den verblichenen Strohdächern der unzähligen Standbars in aller Welt findet. [...] Ein wenig erinnerte er mich an eine strenge Gouvernante, und es schien mir, als ertrüge er das Meer, das sich vor ihm ausbreitete, eher gleichmütig als genussvoll – dieses glitzernde Meer mit seinen sanften Wellen, die unaufgeregt kamen und gingen und dabei Schaumkronen hinterließen. Was sollte es auch sonst tun?“ Später wird ein älteres Paar den Stuhl besetzen und die Autorin beginnt zu sinnieren: „Was, wenn dies das letzte Mal ist, dass diese Frau das Meer sieht. Was riecht, schmeckt, hört, sieht, fühlt sie in diesem Moment? Was empfindet der Mann dabei und überhaupt: Wie schaut man auf das Meer hinaus im Wissen, dass es das letzte, das allerletzte, das allerallerletzte Mal sein wird?“
Was macht das Leben lebenswert?
Das Thema „Memento Mori“ zieht sich durch das ganze Buch. Die Autorin überlegt, was sie tun würde, wenn sie erführe, dass sie todkrank ist. Wie würde sie mit ihrer noch vorhandenen Zeit umgehe? Was macht ihr Leben lebenswert. Was bleibt von ihr übrig? Sie schaut sich Beerdigungsriten verschiedener Kulturen auf YouTube an wie beispielsweise in New Orleans, wo mit fröhlicher Musik das Leben der Gestorbenen gewürdigt wird, und konstatiert: „Der Tod als Feier des Lebens – was würde solch ein Perspektivenwechsel in uns verändern?“
Doris Büchel fragt sich selbst und damit auch die Lesenden viel in ihrem Buch „Wie lange ist nie mehr?“ und stellt fest: «Es ist, als ob ich erst im Schreiben wirklich begreife, was in mir vorgeht. Dann, wenn sich aus Fragmenten irgendwann ein Ganzes ergibt“, und etwas später heißt es: „Ich finde es wichtig, über den Tod zu sprechen – und dies mitten im Leben. Warum nicht heute? Jetzt?“
Doris Büchel: Wie lange ist nie mehr. Wörterseh Verlag, Lachen 2025, 208 Seiten, fester Einband, ISBN 978-3-03763-161-4, € 34,90