Von einem, der auszog, dem ORF die Kultur auszutreiben – Die Kulturabteilung im ORF Landesstudio ist (fast schon) Geschichte Peter Füssl · Nov 2017 · Medien

Okay, er lächelt immer und ganz besonders auf jedem Foto sehr, sehr herzlich. Sein Mimik-Trainer könnte derselbe sein wie jener von Norbert Hofer und H.C. Strache. Aber wenn es um die Kultur im Landesstudio geht, ist Schluss mit lustig. Die Rede ist von ORF Landesdirektor Markus Klement, der, so möchte man meinen, auszog, um zumindest seinem Landesstudio die Kultur auszutreiben.

Dabei fände er auf der Homepage seines so liebevoll umhegten Unternehmens im „Leitbild des ORF“ den wunderbaren Passus „Wir schaffen und vermitteln Kultur“: „Kunst und Kultur sind zentrale Werte für den ORF. Seine Programme und Aktivitäten stimulieren, fördern und vermitteln die kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft. Der Kulturauftrag des ORF gilt der gesamten Bevölkerung und erstreckt sich auf alle Lebensbereiche der Menschen im regionalen, nationalen und globalen Kontext.“ Nun, ich gebe zu, es ist der 10. und letzte Punkt im Leitbild, ganz so wichtig kann er also nicht sein. Und man muss das Wort „schaffen“ ja nur mit dem Wort „ab“ kombinieren, dann wird das Ganze gleich viel unternehmerfreundlicher. Denn Kultur kostet Geld, so sagt man. Zumal gute.

Das ORF Landesstudio verfügt(e) seit Jahrzehnten über eine exzellente Kulturabteilung, der der Schreiber dieser Zeilen anno Schnee ebenfalls anzugehören die Ehre hatte. Man konnte sich auf die seriöse Arbeit der Kolleginnen und Kollegen und auf ihr ziemlich sicheres Gespür dafür, was in der Flut an Kulturveranstaltungen wirklich relevant ist und was nicht, jederzeit verlassen. Natürlich war und ist der Kulturbereich immer ein umkämpfter und das Verhältnis zu den anderen ORF-Abteilungen nie ganz friktionsfrei, vielleicht weil diese die KulturarbeiterInnen immer ein bisschen um die schönen Themen und ihr ach so unbeschwertes Leben beneiden und stets eine mögliche und ungehörige Bevorzugung dieser eigenwillig abgehobenen Schöngeister wittern. Aber alle Vorgänger von Markus Klement waren sich der Bedeutung einer gut funktionierenden Kulturabteilung bewusst, organisierten und strukturierten zwar um, hielten aber prinzipiell am bewährten System einer fundierten Kulturberichterstattung fest.

Anders Klement, der stets freundlich lächelnd – eine Art Django auf Rachefeldzug in der Maske eines Stephen King-Horrorclowns – in der Kultur aufräumte bzw. abräumte. Als nicht-ausgebildeter Tiefenpsychologe ahnt man die Rache des ehemaligen Unterhaltungsfuzzis an den eingebildeten Kulturschnöselinnen und –schnöseln, also an allen, die mehr als neun Jahr alphabetisiert wurden und immer noch ihren Spaß an intellektueller Auseinandersetzung in künstlerischer Form haben und Kunst und Kultur nicht als behübschendes Hintergrundrauschen, sondern als elementare Lebensweise betrachten. Die kulturellen Leichen, die Klements Weg pflastern, in Kurzform:

  • Zuerst musste die Hausbibliothek im ORF Landesstudio dran glauben, ob dabei die Lebensweisheit „Ein gutes Buch ist des Idioten größter Feind“ eine Rolle gespielt hat, ist nicht überliefert. Jedenfalls wurden alle Bücher in einer Nacht- und Nebelaktion entsorgt.
  • 2015 verbietet Klement die Aufstellung der politisch brisanten Skulptur „Kältetod“ im Rahmen einer gesellschafts- und medienkritischen Ausstellung des Künstlers Matthias Klien im Landesstudio. Er nennt gute Gründe, die von kritischen Menschen fadenscheinig genannt werden.
  • Ende 2016 verabschiedet Klement überfallsartig die völlig überraschte, allseits respektierte „Kunst im Funkhaus-Foyer“-Kuratorin Carina Jielg und ersetzt sie durch Harald Gfader, den einzigen Künstler, der Klement via Leserbrief freundlich als neuen Intendanten begrüßt hatte.
  • Bettina Barnay, deren Sendung „Einfach klassisch“ schon 2014 trotz zahlreicher Hörerproteste aus dem Programm geschmissen wurde, wird es untersagt, das Publikum der Dornbirn Klassik-Reihe weiter mit ihren beliebten Einführungen auf das kommende Konzert einzustimmen. Eine jahrelang bewährte Service-Einrichtung für das interessierte Publikum und dazu noch eine Gratis-Werbung für den ORF, weil viele Klassikfreunde sicher auch dazu animiert wurden, mal zu hören, was die Frau denn sonst so durch den Äther lässt. Die Entscheidung des Intendanten wird von Wien abgesegnet, große Teile der Klassik-Szene halten den Akt dennoch für kleinlich und jämmerlich.
  • Seit dem Abgang von Manfred Welte zum vorarlberg museum gibt es keinen Kulturabteilungsleiter mehr, sondern eine Koordinationsstelle unter Jasmin Ölz, deren Arbeit zunehmend komplizierter wird, weil das Kulturpersonal von Klement systematisch ausgedünnt wird. So wird auf die Dienste von Ingrid Adamer, Raffaela Rudigier und Claus Karitnig, um die jüngsten Abgänge zu nennen, künftig verzichtet.
  • „Kultur nach 6“ wird zur Kultursendung ohne Namen, ausgestrahlt nach 8 (sprich: 20 Uhr) und somit zu einer völlig unattraktiven Sendezeit. Man muss kein Hellseher sein, um jetzt schon zu ahnen, dass die absehbar schwindenden Hörerzahlen irgendwann einmal als Argument herhalten müssen, die Kultursendung überhaupt einzustellen.

Aus dem Landesstudio selbst dürfen sich die Kulturmenschen keine Hilfe erwarten. Der Betriebsrat ist zahnlos, der Redakteursrat ist bemüht, aber leider wirkungslos. Unter Markus Klement, der ja nicht nur Landesdirektor, sondern auch Marketing-Chef und Finanz-Chef ist, droht das ORF Landesstudio immer mehr zum Angsthasen-Verein zu verkommen. Kein Wunder, denn auch auf Hilfe von außen kann niemand zählen. So schweigt man etwa im Landhaus bislang beharrlich, weder aus der Kulturabteilung noch aus der Chef-Etage Wallners war auch nur der Anflug eines Aufschreies gegen den Kulturabbau zu vernehmen. Möglicherweise, weil Markus Klement aus Sicht der Politiker die Idealbesetzung für die zweitgrößte Medienorgel im Land ist - vor ihm müssen sich die Mächtigen ganz sicher nicht fürchten! Und für die Zentrale in Wien, die ohnehin am liebsten die unrentablen Landesstudios schließen würde, ist Klement der ideale Vollstrecker, der Personal reduziert, wo es nur geht, und dabei stets zur heiligen Quote betet. Funktionierten früher das Vorarlberger Medienhaus und das ORF Landesstudio als eine Art wechselseitige Korrektive, so sind sie einander längst im Kuschelkurs innig zugetan. Für eine gut funktionierende mediale Öffentlichkeit ist das alles nicht förderlich – nicht nur im Kulturbereich, der im Zeitalter der neuen rechtspopulistischen Barbarei naturgemäß besonders gefährdet ist. Dieser von manchen vielleicht als hämisch empfundene Artikel – tatsächlich ist er angesichts der Machtverhältnisse eher ein verzweifelter – wird daran nichts ändern, aber es hat gut getan, ihn zu schreiben.

Bitte beachten Sie auch die beigestellten pdfs mit Stellungnahmen diverser Vorarlberger Kulturinitiativen, -institutionen und -veranstalter, der IG Autorinnen Autoren und der Grazer Autorinnen Autorenversammlung, sowie eine Stellungnahme des ORF Vorarlberg.

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