Maciej Obara Quartet: „Frozen Silence“ Peter Füssl · Sep 2023 · CD-Tipp

Der polnische Altsaxophonist Maciej Obara, sein Landsmann Dominik Wania am Piano und das norwegische Rhythmus-Gespann mit Ole Morten Vågan am Kontrabass und Gard Nilssen an den Drums können mit den beiden ECM-Alben „Unloved“ (2017) und „Three Crowns“ (2019) und drei früheren, beim polnischen For Tune-Label erschienenen Produktionen schon auf einen höchst eindrucksvollen musikalischen Output verweisen. Die vier kreativen Individualisten sind also perfekt aufeinander eingespielt, kennen sich wohl bis ins kleinste Detail, scheinen sich gegenseitig aber immer noch überraschen und beflügeln zu können, denn auf „Frozen Silence“ strotzt das Quartett nur so vor unverbrauchter Energie, Einfallsreichtum und Spielfreude.

Obara hat die acht wohlstrukturierten Kompositionen für seine Kollegen maßgeschneidert, lässt aber jede Menge Freiräume zur kreativen Entfaltung, die sie auch durchwegs perfekt auszufüllen wissen. Er hatte sich während der Pandemie ins Riesengebirge im Südwesten Polens zurückgezogen, wo er sich auf einsamen Wanderungen von den mannigfaltigen Naturphänomenen inspirieren ließ, was sich in musikalischen Stimmungsbildern mit Titeln wie „Dry Mountain“, „Black Cauldron“ oder „High Stone“ widerspiegelt. Und in der gewaltigen Naturkulisse fand er wohl auch die Gegenpole Kraft und Ruhe in jener perfekten Balance, die nun auch das musikalische Geschehen kennzeichnen. Obara verzaubert mit seinem kraftvoll-expressiven Spiel, Wania mit ausdrucksstarken, manchmal zupackenden, dann wieder wundervoll verträumten Tastenexkursionen – und wenn sie sich in wundervollen Dialogen verschränken, wird klar, mit welch spielerischer Leichtigkeit sie sich auf einer intuitiven Ebene treffen. Die beiden Rhythmiker interagieren als gleichberechtigte Improvisatoren, schaffen Akzente, geben Impulse und tragen maßgeblich zur Erweiterung der Farbpalette bei. Als Beispiel seien etwa Gard Nilssens getrommelte Klangmalereien auf „Twilight“ oder Vågans spannungsgeladene Basslinien auf dem Titelstück „Frozen Silence“ genannt. Aber nach einiger Zeit in den Bergen sehnt man sich vielleicht nach dem Meer, was Obara beim vorletzten Stück des Albums „Waves of Glyma“ einen gedanklichen Ausflug an den gleichnamigen Strand auf Kreta machen ließ, wo die Wellen gerade massiv gegen die Felsen brandeten. Für den letzten Titel „Flying Pixies“ kehrt Obara aber wieder ins Gebirge zurück, wo er sich von den flackernden Reflexionen der Sonne auf dem Schnee, die ihm wie fliegende Elfen erschienen, inspirieren ließ, aber auch von der eingehenden Beschäftigung mit seinem Lieblingstrompeter Bill Dixon. Ein wundervoll stimmiges, im legendären Osloer Rainbow Studio aufgenommenes und von ECM-Chef Manfred Eicher wie immer perfekt produziertes Album, das man nur zu gerne in Dauerrotation belässt.

(ECM/Universal)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR September 2023 erschienen.

Konzert-Tipp: 16.11. Unterfahrt München

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