Landgren – Wollny – Danielsson - Haffner: „4 Wheel Drive II“ Peter Füssl · Nov 2023 · CD-Tipp

Der schwedische Posaunist und Sänger Nils Landgren, sein Landsmann Lars Danielsson an Bass, Cello und auf einem Stück ausnahmsweise sogar einmal auf der Gitarre, sowie die beiden Deutschen Michael Wollny am Piano und Wolfgang Haffner an den Drums zählen seit vielen Jahren zu den wichtigsten Produktivkräften des renommierten Münchner Jazz-Labels ACT – jeder für sich mit zahlreichen, höchst erfolgreichen Albumproduktionen im Portfolio. Ihren Zusammenschluss kann man also getrost eine europäische Supergroup nennen, zumal sie gleich schon mit ihrem Erstlingswerk „4 Wheel Drive“ 2019 als meistverkaufter Jazz-LP des Jahres in Deutschland reüssierten.

Bestand das Debüt nur zu einem Drittel aus Eigenkompositionen, so machen sie nun knapp die Hälfte aus – aber von besonderem Interesse sind natürlich auch wieder die Fremdkompositionen aus dem Pop/Rock-Bereich, welche die vier exzellenten Könner ihrer gewohnten Spezialbehandlung unterziehen und gleichzeitig natürlich auch persönliche Vorlieben, oder mit Emotionen verbundene Jugenderinnerungen deutlich werden lassen. Zum Beispiel Sting und Genesis waren vor vier Jahren auch schon vertreten, nun erklingt von Ersterem „Fields of Gold“ stimmungsvoll und farbenreich inszeniert und von Letzteren die 1991 erschienene Ballade „Hold On My Heart“, der Landgren mit seiner unverwechselbaren, in ihrer unaufdringlichen Zurückhaltung auf spezielle Weise ganz besonders unter die Haut gehenden Singstimme ein ganz besonderes Flair verleiht. Dafür „singt“ er ausschließlich auf seiner Posaune den knapp 60 Jahre alten Simon &Garfunkel-Klassiker „The Sound of Silence“, der in einem durchaus dramatischen, filmmusikartigen Arrangement völlig schmalz- und klischeefrei daherkommt. Ebenfalls aus der Feder Paul Simons stammt „Still Crazy After All These Years" von seinem gleichnamigen Solo-Album (1975), hier werden Landgrens warme Vocals perfekt passend von ebensolchen Basslinien und Pianoklängen umspielt. In derselben Weise verfährt man mit Elton Johns/Bernie Taupins 1970 veröffentlichtem und oft gecovertem Millionen-Seller „Your Song“. In den Eigenkompositionen geht es zumeist um einiges druckvoller und spannungsgeladener zur Sache. Aus Michael Wollnys Feder stammen zwei Titel: Sein „Chapter II“ entfaltet Rock-Energie, was Landgren veranlasst, seine Posaune so richtig aufheulen zu lassen, und auch für „Spring Dance“ müsste man konditionell in exzellenter Form sein, um das rasante Tempo tänzerisch tatsächlich mithalten zu können. Wolfgang Haffners „April Rain“ eröffnet allen Beteiligten die Möglichkeit, sich auf emotionale Weise solistisch zu entfalten – ein angenehm warmer April-Regen, der schon die Sonnenstrahlen erahnen lässt. Im Eilzug-Tempo rast Lars Danielssons „The Wheelers“ durch eine vibrierende musikalische Landschaft, ganz im Gegensatz zu seiner gemeinsam mit Nils Landgren geschriebenen, wehmütigen Ballade „Just Another Minute“. Und der Posaunist steuert schließlich das lässig groovende „Sunrise“ bei, das – in Konstrast zum über weite Strecken vorherrschenden, beschaulichen Gesang – daran erinnert, dass „Mr. Red Horn“ auch ein Herz in sich trägt, das im Funk-Rhyhtmus schlägt. In Summe Mainstream-Jazz der allerfeinsten Sorte, den sich Fans aus unterschiedlichsten Lagern anhören können.

(ACT)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR November 2023 erschienen.

 

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