Lady Blackbird: „Slang Spirituals“ Peter Füssl · Okt 2024 · CD-Tipp

Mit ihrem Debütalbum „Black Acid Soul“ eroberte die stimmgewaltige Marley Siti Munroe, die sich ihren Künstlernamen mit Bezug auf Nina Simones Anti-Rassismus-Song „Blackbird“ zulegte, die Charts gleichermaßen, wie die Musikzeitschriften und die Feuilleton-Seiten der Qualitätsmedien. Das wird sie mit dem nun vorliegenden Nachfolgealbum „Slang Spirituals“ wiederum schaffen, denn es ist nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich interessant. Lady Blackbird bereitet nämlich mit den gemeinsam mit ihrem Stammproduzenten und Gitarristen Chris Seefried geschriebenen Songs auch ihre Lebensgeschichte sehr offen auf.

In eine tief religiöse, aber auch musikalische Familie in einer ländlichen Kleinstadt in New Mexico hineingeboren, landete die kleine Marley zuerst einmal in der Kirche und bei einem religiösen Plattenlabel. „Als ich dann ins Teenageralter kam, wurde mir irgendwann klar, dass mir die Religion genaugenommen nur aufgezwungen worden war. Es hatte sich auch nie wirklich richtig angefühlt für mich. Etwa zur selben Zeit begann sich auch meine Identität als queere Frau zu entwickeln, weshalb ich mich schon bald wie eine Verstoßene fühlte. Ich wurde von den Leuten als Sünderin abgestempelt. Da nun mein wahres Selbst drohte, unter diesem ganzen Druck begraben zu werden, musste ich einen Weg finden, um da rauszukommen. Ich musste mir meinen Weg aus dem Grab erst mal wieder freischaufeln, um endlich frei atmen zu können – und auch darüber singen zu können, wer ich wirklich bin.“ Diese geglückte Selbstermächtigung, dieses neu erstarkte Selbstbewusstsein ziehen sich wie ein roter Faden durch die elf Songs, die im Vergleich zum Debüt großteils bedeutend opulenter arrangiert wurden. So fährt der Opener „Let Not (Your Heart Be Troubled)“ gleich mit ganz großen Geschützen auf und hätte gleichermaßen perfekt ins Rock-Musical „Hair“, wie in einen James Bond-Soundtrack gepasst. Lady Blackbirds emotionsgeladene Stimme geht im Duell mit herzzerreißenden Gospelchören tief unter die Haut, wo sie fortan einen Gänsehauteffekt nach dem anderen bewirkt. Etwa beim kraftvoll-selbstbewussten Gospel-Kracher „Like A Woman“ – Reminiszenzen an die späten 60-er, frühen 70-er Jahre sind über weite Strecken des Albums durchaus angebracht. „We die a little to be born again, so I drowned her in flames /And now she’s been reborn”, singt sie im mit heftigen Beats auf die Disco-Tanzfläche drängenden „Reborn“, während „Man On A Boat“ und „Someday We’ll All Be Free“ – zu Akustikgitarre, Kontrabrass und Piano intoniert – eindrucksvoll beweisen, dass diese raue, ausdrucksstarke Stimme auch in minimalistischen Arrangements unglaubliche Wirkung entfaltet. In der Mitte des Albums entführt Lady Blackbird mit der einzigen Fremdkomposition – „When The Game Is Played On You“ von Thom Bell/Phil Hurt, 1974 von der Soulsängerin Bettye Swann bekannt gemacht – in psychedelische Soul-Gefilde. In dieselbe Zeit verweisen auch „The City“ und „Matter of Time“. Mit stampfendem Tanzrhythmus fährt „If I Told You“ in die Beine, während „No One Can Love Me (Like You Do) tatsächlich jenen Percy Sledge-mäßigen Schmelz verströmt, den schon der Titel verspricht. Mit dem achtminütigen Closer „Whatever His Name“ lässt Lady Blackbird dann aber stilistisch Traditionelles hinter sich und eröffnet mit einem brodelnden Stilgemisch, das man vielleicht Avant-Soul-Noise-Rock nennen könnte, einen möglicherweise wegweisenden Ausblick in ihre musikalische Zukunft. Wenn dem tatsächlich so wäre, bliebe es auf jeden Fall spannend! (BMG Rights) 

Konzert-Tipp: 24.11. Muffathalle, München

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Oktober 2024 erschienen.

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