Kunstwerke sind keine abgekapselten, „leblosen“ Objekte
Jahres-Medienkonferenz des Kunstmuseums Liechtenstein
Anita Grüneis · Dez 2023 · Ausstellung

„Wir möchten im Kunstmuseum Liechtenstein eine kuratorische Denkweise hervorheben, die das Prozesshafte und Performative als Haltung in den Vordergrund stellt. Dies gilt auch für den Dialog mit der Sammlung, der für uns immer essenziell bleibt: Kunstwerke sind keine abgekapselten, „leblosen“ Objekte – sie haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Rechte und verändern sich je nach Kontext“, meinte die Direktorin des Kunstmuseums Liechtenstein, Letizia Ragaglia, bei der Jahres-Medienkonferenz.

In einem kurzen Rückblick ging sie auf die Ausstellungen des Jahres 2023 ein und betonte, dass das Verhältnis der Menschen zur Natur sowie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Klang eine große Rolle spielten. Der Klang war auch ein wichtiges Element von Performances: 2023 wurde eine neue Performance-Programmschiene aufgebaut, die weiterentwickelt werden soll. Die neue Sammlung Online ist seit Sommer verfügbar und dient auch als Recherche-Tool für Studierende, Mitarbeitende und Externe.
Eine sehr populäre Neuerung aus dem Vorjahr wurde 2023 erfolgreich weitergeführt: Der eintrittsfreie Mittwoch, der im laufenden Jahr bereits von rund 6000 Besucher:innen in Anspruch genommen wurde. Dieses „Zuckerl“ für alle wird auch nächstes Jahr beibehalten.

Kunst für die ganz Jungen

Eine Neuerung ist das kürzlich eröffnete „kollabor“ Kunst+Raum für kleine Kinder. Mit diesem Angebot ermöglicht das Museum Begegnungen mit Kunst und Spiel für Kinder bis 4 Jahre und ihre erwachsenen Begleitpersonen. Bis August 2024 werden so auch die Jüngsten einbezogen. Dreh- und Angelpunkt von „kollabor“ ist die Skulptur „Civilian Defense Vaduz“ des amerikanischen Künstlers Dan Peterman. Das im Seitenlichtsaal installierte Kunstwerk aus 1000 Sandsäcken lässt sich anfassen und (ohne Schuhe) begehen. Es kann zum Versteck oder Versammlungsort werden. Darum herum finden sich Materialien, die zum Ausprobieren und Spielen einladen. Das Projekt wird unterstützt durch die Binding Stiftung. Während der Öffnungszeiten des Museums kann der Raum selbständig genutzt werden. Der Eintritt in den Seitenlichtsaal ist frei.

Klang und Kommunikation

Am 23. Februar 2024 wird der 62-jährige Olaf Nicolai mit der Sound-Performance „Innere Stimme“ diesen Seitenlichtsaal über mehrere Stunden von Sänger:innen als Resonanzkörper erklingen lassen. Im Juli gewährt der 40-jährige Vaduzer Simon Kindle einen Einblick in sein Schaffen mit seiner Performance „outlining“, die 2022 in Luzern erstmals aufgeführt wurde. Dort lebt und arbeitet der Künstler auch und hat im Kunstmuseum Luzern in Kooperation mit dem Kunstmuseum Liechtenstein von Juni bis August eine eigene Ausstellung. Simon Kindle greift in seinen Werken Themen des Kunstbetriebes sowie den Umgang mit Kulturgut und dem öffentlichen Raum auf. Dabei verwendet er traditionelle Materialien und Techniken wie Stuck und Guss, aber auch industrielle Stahlkonstruktionen.
Vom 1. März bis 1. September zeigt die Multimedia-Künstlerin Bethan Huws im Rahmen des Programms „Artist’s Choice“ eine von ihr kuratierte Ausstellung im Vaduzer Kunstmuseum. In diesem Programm „laden“ Künstler:innen Werke der Sammlung neu auf. Die 61-jährige Bethan Huws setzt sich mit den Werken von Marcel Duchamp aus der Sammlung des Kunstmuseums sowie einigen Werken aus der Hilti Art Foundation auseinander. Für ihre Ausstellung hat die Künstlerin zudem vier neue Videos produziert, die Einblick in ihre Recherche ermöglichen.

Barry Le Va und sein Zeichenstift

Vom 26. April bis 29. September werden die Werke des im Dezember 2021 verstorbenen nordamerikanischen Künstlers Barry Le Va gezeigt. In der Ausstellung „In a State of Flux“ geht es, wie in seinem Werk, um eine Dimension der Veränderung und der Instabilität. Die Süddeutsche titelte über den Künstler: „Der mit dem Stift denkt“ und nannte ihn einen der bedeutendsten Bildhauer und Zeichner seiner Generation. „Seinen Arbeiten lag ein vor allem architektonisches und mathematisches Denken zugrunde, anknüpfend an das Werk und die Schriften des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright.“ Für das Kunstmuseum Liechtenstein kuratiert Christiane Meyer-Stoll diese erste umfassende Retrospektive nach dem Tod des Künstlers. Die Ausstellung gibt einen Überblick über sein radikales skulpturales und zeichnerisches Schaffen seit den 1960er-Jahren. Sie wird anschließend in der Fruitmarket Gallery in Edinburgh sowie im Museum Kurhaus Kleve zu sehen sein.

Ana Lupas – vom Teppich zum Monument

Ein weiteres Highlight des nächsten Jahres im Kunstmuseum ist die Einzelausstellung mit Werken der 1940 in Rumänien geborenen Ana Lupas vom 1. November 2024 bis 16. März 2025. Diese Ausstellung wird gemeinsam mit dem Stedelijk Museum in Amsterdam durchgeführt. Lupaș widmete ihre künstlerische Aufmerksamkeit vor allem dem Gleichbleibenden: Naturverbundenheit, Bräuche und Traditionen ihrer Heimat dienen als Inspiration für ihre Kunst. Zunächst vor allem im Feld der Weberei aktiv, wandte sie sich schnell auch der plastischen Kunst und der Arbeit mit Gemeinden in ländlichen Regionen zu. Sie verknüpft Weberei, plastische Kunst und Architektur und schafft damit eine sehr eigene Welt. Da sie sehr raumbezogen arbeitet, wird sie die Ausstellungen in Vaduz und Amsterdam ortsspezifisch konzipieren und ihre Präsentation jeweils auf die Räumlichkeiten und Sammlungen der beiden Museen „maßschneidern“.
Schon im Spätsommer (25. August – 6. Oktober 2024) werden im Rahmen der Visarte Liechtenstein Triennale 2024 fünf Künstlerinnen und Künstler im Seitenlichtsaal des Kunstmuseums ausstellen.
Im Kunstlichtsaal wird ab 20. September 2024 Georgia Sagri (*1979 in Athen) in ihrer Ausstellung „Case_O. Between Wars“ eigene Arbeiten mit Werken des Informel aus der Sammlung Monauni konfrontieren, die im Kunstmuseum als Dauerleihname angesiedelt ist.
Die mit Spannung erwartete Entscheidung über die Nachfolge des bald pensionierten Uwe Wieczorek als Kurator der Hilti Art Foundation wurde nicht bekanntgegeben. Michael Hilti konnte an der Medienkonferenz nicht wie geplant teilnehmen.

https://kunstmuseum.li/

 

 

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