Kunstmuseum Vaduz: Eine Biennale der Pflanzenwelt in Symbiose mit der Kunst
Die Ausstellung „Parlament der Pflanzen II“ im Kunstmuseum Liechtenstein ist ein Kunst-Festival der besonderen Art.
Anita Grüneis · Mai 2023 · Ausstellung

Wenn sich die Letzte Generation für den Klimaschutz auf Straßen oder Gemälden festklebt, so hat Kunstmuseumsleiterin Letizia Ragaglia einen anderen Weg gewählt, um auf Klima und Ressourcen aufmerksam zu machen. Sie brachte die Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Forschungen und künstlerische Ansätze zusammen und schuf so eine kleine „Biennale“, wie sie es bei der Medienkonferenz nannte. Das ganze Museum steht bis zum 22. Oktober im Zeichen der Pflanzen, ihrer Wirkung auf uns und ihrer Bedeutung für uns.

Kuratiert wurde die Ausstellung, wie schon „Parlament der Pflanzen I“ im Jahr 2020/21 von Christiane Meyer-Stoll. „Unsere Existenz gründet auf den Pflanzen“, meint sie und dass ein Paradigmenwechsel in der biologischen Forschung geschehen sei, nachdem der Mensch eingesehen habe, dass er zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde geworden ist. „Die Kernfrage ist: Wie können wir zu einem symbiotischen Zusammenleben gelangen, in dem menschliche und nicht-menschliche Lebewesen voneinander lernen?“ Dazu wurde die Ausstellung wie eine Themenpark strukturiert und bietet so eine verknüpfende Erzählweise an, die sich dem Betrachter wie eine Flechte offenbart, zu der er in eine symbiotische Beziehung treten kann.

Vom Paradies zum Naturvertrag

Empfangen werden die Besucherinnen und Besucher des Kunstmuseums von „Pictures of Paradise“, fünf großformatigen Fotos von Thomas Struth, die urwüchsige Baumlandschaften aus Ländern wie Australien, Japan oder auch dem Bayerischen Wald zeigen. Es sind lauschige und zugleich meditative Räume, die sich darin öffnen. Weiter geht die Reise zum Video „Forest Law“ von Ursula Biemann, die eine indigene Gesellschaft in Ecuador filmte und deren respektvollen Umgang mit dem Wald.  Auf einem eigens erbauten Hochstand ist dann unter anderem die Originalausgabe von Jean-Jaques Rousseaus „Du contract social“ zu finden, die 1762 in Amsterdam erschienen ist. Zudem ist der Philosoph Michel Serres vertreten, der für eine Rechtssubjektivität der Natur eintritt und einen Naturvertrag fordert. Zu entdecken ist auch eine Chronologie Liechtensteiner Rechtsvorschriften zur Umwelt und den Pflanzen.
Von diesem Hochstand aus fällt der Blick auf die Installation „Manheim calling“ von Silke Schatz, in er sie auf die Veränderung des größten Braunkohleabbau-Gebietes Europas hinweist. Mit einem Schattenarchiv von Pflanzen, eingekochtem Kompott und anderen Resten fragt sie: „Was heißt Erinnerung?“ Gegenüber laden teils humorvolle schwarz/weiß Zeichnungen von Anna Hilti zur Spurensuche unter anderem nach verschwundenen Orchideen im Ebenholz und auf dem Areal des einstigen Waldhotels ein.

Das gezeichnete Leben und ein Greenhouse

Im zweiten Saal des Obergeschoßes hat Zheng Bo seine Papierarbeiten „Drawing Life“ säuberlich aufgereiht. Er tauche beim Zeichnen in das Leben der jeweiligen Pflanzen ein, sagt er. Eine weitere Arbeit von ihm ist das Video „The political Life of Plants“, in der er unter anderem Gespräche mit Naturwissenschaftler:innen festhielt.
Auch hier gibt es einen Hochstand, er ist der Symbiose-Theorie der amerikanischen Biologin Lynn Margulis gewidmet. Der folgende Raum überrascht mit seiner Weitläufigkeit. Auf einem langen Tisch ist das Werk „Greenhouse“ von Polly Apfelbaum zu bewundern, die mit attraktiven Fotos von Samenpackungen auf unseren plakativen Ästhetik-Sinn hinweist. Daneben mahnt die Zeitgeschichte mit Zeichnungen von Alevtina Kakhidze, die sich bei den ersten Schüssen der Russen wie eine Pflanze verhielt: „Ich bleibe vor Ort“. Sie ist der Überzeugung, dass Pflanzen Pazifisten sind, soweit das auf unserem Planeten möglich ist. „Reading Woods“ bezeichnet Uriel Orlow sein Werk, das sich mit der Kolonialgeschichte und den Tropenhölzern beschäftigt. In einem weiteren Werk lässt er in einer 5-Kanal Videoinstallation das einzigartige Kommunikationsnetzwerk der Pflanzen sichtbar werden.
Es ist eine äußerst vielschichtige Ausstellung, die die Besucherinnen und Besucher auf die Bedeutung der Pflanzenwelt für uns Menschen ernsthaft und eindrücklich hinweist.

Zeichenmaler Paco Knöller in der Hilti Art Foundation

Neben der geballten Ladung des „Parlaments der Pflanzen“ wird die Kunst-Ausstellung „Unter mir der Himmel“ von Paco Knöller in der Hilti Art Foundation zur Erholung. Seine 25 Werke in Ölkreide entstanden zwischen den 1980er Jahren und der Gegenwart. Es sind großformatige Bilder, die trotz ihrer Farbwucht leicht und beinahe beschwingt wirken, ganz im Sinne von Paco Knöller, der den Menschen auch als denkendes Schilfrohr wahrnimmt. Die Farben seiner Bilder sind voller Nuancen, je nachdem welche Lackfarben und -flächen der Künstler auf den Holztafeln aufgetragen hat. Sie werden danach von ihm jeweils abgeschliffen, bevor er mit einem Messer Linien hineinzieht, wodurch die untere Farbschichte freigelegt wird. Oft arbeitet er mit unterschiedlichen Gelbtönen, die aber alle ein Leuchten in sich haben, das sie auch ausstrahlen.

Von der Form und dem Geist

Etwas anders die Werke, die nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Ägypten entstanden sind. Darin sind noch gegenständliche Formen zu entdecken. „Aus welchem Raum kommt die Form“, fragte er sich und meint dazu: „Wo es eine Form gibt, gibt es auch einen Geist“. Ein Bild allerdings scheint aus der Reihe zu tanzen. Es ist das titelgebende Bild „Unter mir der Himmel“ aus dem Jahr 2022, das auf den ersten Blick sehr dunkel scheint, aber kraft eines rot und blau hinterlegten Schwarzrraumes eine magische Wirkung entfaltet. „Malerzeichner“ wurde Paco Knöller einmal vom einem Verlag genannt.

Der Mensch und die Linie

Das Motiv von Paco Knöller ist immer wieder der Mensch, der in seinen frühen Bildern noch gegenständlich zu sehen war, von dem aber in den neuen Werken nur noch eine Linie übrigblieb. Aber diese Linie hat es in sich! Der Kurator der Hilti Art Foundation Uwe Wieczorek, der zugleich ein langjähriger Freund des Künstlers ist, meinte dazu: „Der Mensch, im Bild als kaum greifbarer Umriss oder durch Kopf und Hände in Erscheinung tretend, ist ein fragiles, oftmals unbehaustes Geschöpf, das der Polarität von Körper und Geist, von Leben und Tod unterworfen ist und darin eine wohl immer nur ungewisse Daseinsform zu finden versucht. Knöller bindet aber das Bild des Menschen zugleich in den Zusammenhang der anorganischen und organischen Welt ein, in ein komplexes Gewebe irdischer, pflanzlicher und kosmischer Phänomene von ebenso verführerisch schöner wie latent bedrohlicher Anmutung.“
Ergänzt werden die Arbeiten Knöllers durch Plastiken von Hans Arp, Max Beckmann, Alexander Calder, Alberto Giacometti und Pablo Picasso aus der Sammlung der Hilti Foundation. Diese Plastiken korrespondieren hervorragend mit den prachtvollen Werken von Paco Knöller. Die Ausstellung ist bis 15. Oktober zu besichtigen

www.kunstmuseum.li

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